Die globalen Überkapazitäten verschärfen auch in Thailand den Wettbewerb. Ohne Investitionen in höherwertige Produkte könnte die Vorzeigebranche ins Abseits geraten.
Thailands Chemieindustrie wurde nach den Ölpreisschocks in den 1970er Jahren mit staatlichen Hilfen nach und nach aufgebaut. Seitdem hat sie sich zu einem der führenden Chemiestandorte in Südostasien entwickelt.
Die Wachstumsraten der volatilen Branche schwanken allerdings stark. Die Produktion wuchs 2024 um knapp 3 Prozent, nachdem sie in den beiden Vorjahren geschrumpft war. Auch 2025 wird ein schwieriges Jahr erwartet. Weltweite Überproduktionen und geringe Weltmarktpreise machen auch der Chemieindustrie in Thailand zu schaffen. Sie muss die aktuelle Schwächephase ohne staatliche Förderpläne überwinden. Die Managerin eines deutschen Chemiekonzerns beklagt, dass die thailändische Regierung heute Ressourcen für öffentlichkeitswirksamere Branchen wie Automatisierung oder Robotik bereitstellt.
37
Millionen
Tonnen pro Jahr beträgt die Kapazität der Petrochemie in Thailand.
Starke Petrochemie
Herzstück der thailändischen Chemiebranche ist die Petrochemie, die zu den 20 größten der Welt zählt. Sie ist im Cluster Map Ta Phut in der Provinz Rayong angesiedelt. Die Branche ist im Vergleich zu anderen Industriezweigen des Königreiches sehr produktiv und erzielt die mit Abstand höchste Wirtschaftsleistung pro Beschäftigten. Die Petrochemie ist zudem gut in in- und ausländische Lieferketten integriert und deckt die gesamte Produktionskette ab. Sie verarbeitet Öl und Gas zu zahlreichen Zwischenprodukten, aus denen später Kunststoffe, Farben, Düngemittel, Kosmetika oder Medikamente hergestellt werden.
In Map Ta Phut sind knapp 60 petrochemische Großbetriebe angesiedelt. Der Industriepark verfügt neben Raffinerien auch über Kraft- und Stahlwerke sowie einen Chemiehafen. Der Tiefseehafen Map Ta Phut wird derzeit in einer dritten Stufe ausgebaut und erhält zusätzliche Terminals und Lager für Gas und Flüssigstoffe.
Die thailändischen Raffinerien erzeugen unter anderem Naphta (Rohbenzin), das in der Upstream-Industrie 70 Prozent des eingesetzten Rohstoffs ausmacht. Die Upstream-Hersteller erzeugen daraus Grundchemikalien, die wiederum zu 80 Prozent an lokale Hersteller von Zwischen- und Downstream-Produkten geliefert werden.
Deren Erzeugnisse gehen anschließend zu mehr als 50 Prozent ins Ausland. Hauptabnehmer sind China und südostasiatische Länder. Die wichtigsten inländischen Endabnehmer von petrochemischen Erzeugnissen sind zu 38 Prozent Firmen aus dem Verpackungssektor sowie aus der Textilbranche (18 Prozent), der Automobilindustrie (12 Prozent) und dem Bereich Elektronik (11 Prozent).
Risiken steigen und neue Strategien müssen her
In der heimischen Petrochemie geht es seit Frühjahr 2025 nach einem schwierigen Jahr 2024 etwas aufwärts. Ein Risiko ist allerdings die US-Zollpolitik. Sie könnte dazu führen, dass chinesische Chemieunternehmen Produktionsüberschüsse nach Südostasien umleiten und dort die Preise noch stärker unter Druck geraten. Inländische Anbieter wären gezwungen, in Marktnischen auszuweichen wie Verpackungen, Medizinanwendungen oder Elektronik.
Angesichts der Stagnation will die Branche auf höherwertige und innovative Produktionen umstellen. Dies führt zu verstärkten Investitionen zum Beispiel in Spezialchemikalien oder Bioplastik. Auch die Analysten des Bankhauses Krungsri erwarten, dass sich immer mehr Chemiebetriebe auf Produktionen von höherwertiger Spezialchemie konzentrieren werden. Dazu zählen biobasierte Kunststoffe, für die eine stark steigende Nachfrage erwartet wird.
Lokale pflanzliche Rohstoffe wie Zuckerrohr, Maniok, Mais oder Holz stehen in großen Mengen zur Verfügung. Es gibt bereits mehrere Initiativen: Das in den Niederlanden ansässige Unternehmen TotalEnergies Corbion stellt unter anderem Bioplastik (Polylactide; PLA) aus Zuckerrohr in Rayong her. Die österreichische Lenzing Gruppe betreibt seit 2022 das weltgrößte Lyocell-Werk mit einer Jahreskapazität von 100.000 Tonnen in Prachinburi. Die Holzfasern gehen hauptsächlich an Textilfirmen.
Ausgewählte Projekte der chemischen Industrie in ThailandInvestitionssumme in Millionen US-DollarAkteur, Projekt | Investitionssumme | Stand | Anmerkungen |
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AGC (Japan), Ausbau Chlor-Alkali Prozess | 680 | Inbetriebnahme 2025 | Ausbau der Kapazitäten für Natronlauge, Vinylchloridmonomer und Polyvinylchlorid; in Rayong |
NatureWorks, Herstellung von Biopolymeren aus Polymilchsäure (PLA) | 600 | Inbetriebnahme 2025 | Kapazität pro Jahr: 75.000 t; Rohstoff Zuckerrohr; in der Provinz Nakhon Sawan. |
Braskem Siam (Brasilien/Thailand), Produktion von Bioethylen | 570 | Ankündigung | Kapazität pro Jahr: 200.000 t; aus Zucker, Cassava und Mais; in Rayong |
Denka SCGC Advanced Materials, Produktion von Acetylenruß | 400 | Inbetriebnahme 2026 | Kapazität pro Jahr: 11.000 Tonnen;, Joint Venture aus Denka (Japan) und SCG Chemicals, in Rayong. |
Yuzhou Fine Chemical (China), Produktion von Spezialchemie | 45 | Ankündigung | Vorprodukte für Leiterplatten (Printed Circuit Boards, PCBs), in der Provinz Prachinburi |
Birla Carbon (Indien), Produktion von Industrieruß | k. A. | Ankündigung | Kapazität pro Jahr: 120.000 t (2025), danach Ausbau auf 240.000 t, in Rayong |
Quelle: Medienberichte 2025, Unternehmensangaben 2024
Schwache Pharmaproduktion soll zulegen
Ein Schwachpunkt der thailändischen Chemiebranche ist die Pharmaproduktion, die überwiegend einfache Generika erzeugt. Anspruchsvollere Medikamente müssen im Wert von 3 Milliarden bis 4 Milliarden US-Dollar (US$) jährlich importiert werden. Wichtigste Lieferanten von Medikamenten sind Deutschland, die USA und China. Den Importen stehen Medikamentenexporte im Wert von nur 600 Millionen bis 700 Millionen US$ gegenüber, 90 Prozent der thailändischen Produktion ist für den heimischen Markt bestimmt. Um diese Schwäche zu überwinden, sollen sich neue Hersteller von Medikamenten ansiedeln. Die Entwicklung dieses Sektors ist Teil des laufenden gesamtwirtschaftlichen Fünfjahresplans, des National Economic and Social Development Plan 2023 bis 2027.
Der staatliche Board of Investment (BOI) genehmigte 2024 insgesamt 224 ausländische Investitionsprojekte in der chemischen und petrochemischen Industrie. Sie summieren sich auf einen Gesamtwert von 1,8 Milliarden US$. Dazu kommen noch 32 ausländische Projekte der pharmazeutischen Industrie im Wert von 200 Millionen US$. Der BOI fördert grundsätzlich Investitionen in hochwertige Fertigungen. Die Investoren erhalten Steuerbefreiungen von drei bis acht Jahren und andere Privilegien.
Handelsdefizit steigt
Thailand führte 2024 chemische Erzeugnisse im Wert von 30,2 Milliarden US$ ein. Größte Posten unter den Importgütern sind Erzeugnisse aus Kunststoffen und Industriechemikalien. Seit 2014 fährt die Chemiebranche ein Außenhandelsdefizit ein, das zudem wächst. Im Jahr 2024 betrug es 4,4 Milliarden US$. Das ist der zweithöchste Wert nach 2022. Etwa die Hälfte des Defizits entfällt auf Importe von Pharmazeutika. Ein großes Defizit besteht auch bei Düngemitteln. Hier sind China und Saudi-Arabien die wichtigsten Lieferanten.
Deutschland bei Arzneimitteln gut im GeschäftEinfuhren chemischer Erzeugnisse nach Thailand (in Millionen US-Dollar; Veränderung in Prozent)Bezeichnung (HS-ZTPos.) | 2024 | Veränderung 2024/2023 | 2024 aus Deutschland |
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Industriechemikalien (28, 29) | 7.412 | 3,7 | 199 |
Arzneimittel (30) | 3.061 | -2,3 | 422 |
Düngemittel (31) | 2.561 | 13,0 | 17 |
Farben und Lacke (32) | 1.548 | 6,1 | 84 |
Kosmetika (33) | 2.036 | 10,7 | 17 |
Reinigungsmittel (34) | 912 | 10,1 | 63 |
Verschiedene chemische Erzeugnisse (38) | 5.015 | -14,4 | 215 |
Kunststoffe und Waren daraus (39) | 10.578 | 8,0 | 274 |
Sonstige (35, 36, 37) | 615 | -0,6 | 26 |
Chemie insgesamt (28 bis 39) | 33,736 | 2,4 | 1.316 |
Quelle: Ministry of Commerce 2025
Bei Kunststoffen in Primärform erwirtschaftet Thailand allerdings einen deutlichen Überschuss. Sie werden vor allem nach China, Indien, Japan und in die ASEAN-Länder geliefert. Einen Überschuss gibt es ebenfalls bei Waschmitteln und Kosmetika.
Von Frank Malerius
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Bangkok