Interview | Thailand | Bahntechnik
"Wir können gegen China bestehen"
Tomasz Mazur über Chancen deutscher Bahntechnik in Thailand: Qualität und Know-how als Schlüssel gegen chinesische Konkurrenz.
21.11.2025
Von Frank Malerius | Bangkok
Tomasz Mazur war an der Entwicklung des Transrapid in Deutschland und dessen Implementierung in Shanghai beteiligt. Im Jahr 2006 ging Mazur für Siemens nach Thailand, um dort zahlreiche Schienenprojekte zu leiten. Im Oktober 2025 trat er als President & CEO von Siemens Mobility Thailand offiziell in den Ruhestand. Künftig ist er als Universitätsdozent und Berater im Land tätig.
Herr Mazur, Siemens Mobility hat in Thailand 1.200 Mitarbeiter und ist damit vor Ort die mit weitem Abstand größte Sparte von Siemens im Land. Was genau macht Siemens Mobility?
Siemens Mobility deckt in Thailand die gesamte Bandbreite der Engineering- and Management-Bahndienstleistungen ab, von der Projektierung über das Engineering, Projektumsetzung bis zur Instandhaltung. Es werden darüber hinaus von Bangkok aus Schienenprojekte in der ASEAN und weltweit projektiert und mit Expertise unterstützt. Darauf entfallen etwa 20 Prozent des Geschäfts.
Bahntechnik ist eine deutsche Industriedomäne. China ist in dieser Branche zu einer Weltmacht aufgestiegen. Wie hat das die Konkurrenzsituation verändert?
Die Chinesen sind insbesondere im Hochgeschwindigkeitssegment stark. Praktisch alle größeren derartigen Projekte in der ASEAN werden von chinesischen Unternehmen realisiert, insbesondere im Rahmen von Government-to-Government-Initiativen. Diese bedürfen kaum noch ausländischer Zulieferung. Ein Beispiel ist der aktuelle Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Bangkok nach Nong Khai an der thailändisch-laotischen Grenze. Aber wir können gegen China bestehen.
"Technologie kommt weiterhin von namhaften europäischen Eisenbahnherstellern."
Im städtischen Schienennahverkehr ist die Position der Chinesen bis heute deutlich schwächer. Nehmen Sie das insgesamt 400 Kilometer lange und wachsende Mass Rapid Transit-Netz in Bangkok, das 1999 mit der BTS-Linie als Turnkey-Projekt von Siemens begründet wurde. Bisher haben die Chinesen für den Stadt- und Nahverkehr nur einige Waggons und keine elektrischen und mechanischen Systeme geliefert. Die Technologie kommt weiterhin von namhaften europäischen Eisenbahnherstellern oder aus Japan.
Wo liegen die Stärken deutscher und europäischer Anbieter?
Bei kleinteiligeren Projekten spielen Qualität, Lieferzeiten, Fehlerkorrektur und Zuverlässigkeit eine größere Rolle. Wichtig ist für die Auftraggeber auch der Transfer von Know-how an die thailändische Seite. Es muss zudem sicher sein, dass ein Unternehmen sich nach getaner Arbeit nicht zurückzieht. Insofern sind langjährige Geschäftsbeziehungen eine gute Grundlage für Folgeaufträge. Die verschiedenen Streckenbetreiber legen auf unterschiedliche Aspekte Wert. Diese Anforderungen muss man kennen, wenn man sich auf Ausschreibungen bewirbt.
Wie laufen Ausschreibungen im Bahnsektor in Thailand?
Sie sind ein schwieriges Terrain. Denn öffentliche Ausschreibungen laufen vielfach nicht nach internationalen Standards. Sie sind zumeist strikt auf das billigste Angebot ausgerichtet. Kaum eine Rolle spielen die Lifecycle Costs des Projekts oder die RAMS-Kriterien, dies steht für Reliability, Availability, Maintainability, and Safety. Da sitzt man beim elektronischen Bieterprozess manchmal schwitzend vor dem Monitor und muss fürchten, dass ein anderer Anbieter buchstäblich in letzter Sekunde das eigene Angebot tatsächlich um wenige Cent unterbietet! Bei privaten Ausschreibungen haben nicht-chinesische Anbieter oft mit einem Gesamtpaket, das Faktoren wie Langlebigkeit oder Wartungsfreundlichkeit und Energieverbrauch abdeckt, bessere Chancen.
In einer reinen Preisschlacht haben chinesische Unternehmen also einen Vorteil?
Ja, denn viele chinesische Anbieter haben große Überkapazitäten, die sie besser auslasten müssen. Zudem können sie durch die Freihandelsabkommen zwischen Thailand und China praktisch alles zollfrei einführen. Europäische Anbieter hingegen können die thailändischen Zölle nur durch eine lokale Produktion umgehen. Der baldige Abschluss eines EU-Thailand-Freihandelsabkommens wäre ein großer Fortschritt.
Seit sich eine immer stärkere Rolle chinesischer Anbieter in Thailand abzeichnet, sucht die deutsche Bahnbranche eine engere Anbindung an das Königreich. Ist dies gelungen?
Im Jahr 2016 vereinbarten das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur und das thailändische Transportministerien im Bahnbereich eine Kooperation zwischen beiden Ländern. Daraufhin wurde die German-Thai Railway Association gegründet. In ihr sind deutsche Branchenunternehmen und die wichtigsten Akteure der thailändischen Seite vertreten. Arbeits- und Fokusgruppen bearbeiten verschiedene Branchenthemen. Letztlich soll die Initiative die Chancen deutscher Unternehmen bei der Auftragsvergabe in Thailand verbessern.
Wie wichtig ist für ausländische Branchenunternehmen ein einheimischer Partner?
Selbst Branchengrößen wie Siemens kommen ohne thailändische Partnerunternehmen kaum zurecht. Denn sie kennen die potenziellen Auftraggeber persönlich, sind mit den informellen Wegen vertraut und umschiffen die unzähligen Fettnäpfchen, in die Ausländer zwangsläufig treten würden.
Und dennoch ist das Geschäft schwieriger geworden?
Chinesische Unternehmen haben die Konkurrenz zweifellos verschärft. Doch auch für sie ist Thailand beileibe kein einfacher Markt. Beim laufenden Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke will Thailand zu Recht den größtmöglichen Anteil eigenständig leisten. Darauf wird jeder einzelne Bauabschnitt bis ins kleinste Detail geprüft. Chinesische Arbeitstrupps werden nicht ins Land gelassen, Baupläne müssen ins Englische und Thailändische übersetzt werden. Die chinesischen Unternehmen sind aus ihren Bahnprojekten in den umliegenden Ländern gewohnt, Arbeiten pauschal zu erledigen. Wie ich höre, bringt sie die Widerspenstigkeit der thailändischen Seite bis zur Weißglut.