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Special | Tschechische Republik | Klimaschutz im Dialog

Tausende von Prager Straßenlampen werden Elektroautos laden

Tschechiens Hauptstadt will bis 2030 ihre Kohlenstoffdioxid-Emissionen nahezu halbieren. Öffentliche Beleuchtung und Dächer erhalten dabei zusätzliche Aufgaben.

Von Miriam Neubert | Prag

Der Klimaplan, den der Rat der Stadt Prag 2021 verabschiedete, enthält Dutzende von Investitionsmaßnahmen. Zu den prioritären Vorhaben gehört der Ausbau der Ladeinfrastruktur, um die Elektromobilität anzukurbeln. Stadtrat Jan Chabr ist für die Verwaltung des Eigentums und der Beteiligungen der Hauptstadt verantwortlich, der Gesellschaften wie Technologie hlavního města Prahy (öffentliche Beleuchtung, Kamerasysteme) oder Operátor ICT (Manager von Smart-City-Projekten) gehören.

In seine Kompetenz fällt das Projekt intelligenter Straßenlampen, an denen Elektroautos Strom tanken können. Germany Trade & Invest befragte den 34-jährigen Stadtrat zu der Genese des Vorhabens, den Herausforderungen beim Klimaschutz und weiteren Nachhaltigkeitsprojekten der Hauptstadt.

Jan Chabr, Stadtrat in Prag Jan Chabr, Stadtrat in Prag | © MHMP

Herr Chabr, die Stadt will bis 2025 über 5.000 neue Ladestationen schaffen. Zu ihnen gehören auch Stromtanksäulen an Straßenlaternen. Gerade in Wohnvierteln sollen Anwohner so das Parken mit dem Laden verbinden können. Wie kam es zu dem Projekt?

Prag hat das Problem, dass es nicht viele Parkplätze in Garagen hat, da die Stadt vor allem aus alten Gebäuden besteht. Auch gibt es im Zentrum keine großen Parkhäuser. Die Autos stehen meist auf den Straßen. Für große Ladestationen fehlt in den historischen und dicht bebauten Vierteln aber der Platz. Dadurch suchten wir eine Vorrichtung, die als Träger für eine Autoladesäule dienen kann. Das ist der eine Aspekt. Der andere ist, dass zwischen den Straßenlaternen unter der Erde zum Teil abgenutzte Stromkabel laufen, die schon zum Leuchten der Lampen nicht mehr immer hinreichend Übertragungskapazität aufweisen und sowieso ausgetauscht werden müssen.

Sie versuchen also das eine mit dem anderen zu verbinden?

Stehen an einer Stelle Renovierungen der Kabelnetze an, wird die Synergie mit der Stromverteilungsgesellschaft Pražská energetika distribuce gesucht. Sie hält das Monopol für die elektrischen Netze. Der Bürgersteig wird also nur einmal aufgegraben. Dabei wird das Stromnetz renoviert und zugleich unser Kabel gelegt. Das spart Kosten, da die Grabungsarbeiten das Teuerste sind. Wir verlegen dann ein neues Kabel, das auch aufladen kann und eine zweite Führung für ein Glasfaserkabel besitzt. Wenn die zuständige Kommission der Stadt es genehmigt, werden Lampen ausgewählt, die die Voraussetzung haben, in Zukunft intelligente Lampen zu werden und zum Laden zu dienen. Diese werden mit dem Kabel verbunden und gewinnen dadurch die Kapazität von 22 Kilowatt für ein langsames Aufladen.

Woran hat sich die Stadt Prag dabei orientiert?

Die Idee wurde zum Teil durch Inspiration aus dem Ausland geboren. So sind die Stadt Prag und Energie Baden-Württemberg Shareholder der Gesellschaft Pražská energetika, die sich analog zu den deutschen Stadtwerken um die Infrastruktur des Stromverteilungsnetzes kümmert. Dadurch haben wir uns in Karlsruhe eine der Pilotlösungen des Start-ups Smight angesehen - eine moderne Lampe, die nicht nur leuchtet, sondern über eine ganze Reihe smarter Eigenschaften verfügt. Sie kann Verschmutzung messen, die Autos zählen und eben auch ein Elektroauto laden. Weitere Beispiele fanden wir in Paris und Amsterdam.

Wie geht die tschechische Hauptstadt bei der Elektromobilität strategisch vor?

Es geht um drei Arten der Ladeinfrastruktur: eine langsame, die primär an den Lampen der öffentlichen Beleuchtung aufgebaut wird, eine schnelle und eine mit Hochgeschwindigkeit, bei der wir an einer Zusammenarbeit mit Pražská energetika und Škoda Auto interessiert sind. Kalkulationen zufolge könnten in Prag bis 2030 an die 100.000 Elektroautos unterwegs sein.

Wie ist der Stand bei der Umsetzung des Projekts?

Wir sind im zweiten Jahr. Aktuell sind circa 300 Ladestationen an Straßenlampen im Aufbau, einige auch schon fertig, etwa im Prager Viertel Vinohrady. Der Plan geht von circa 2.000 solcher Lampen bis Ende 2025 aus, 2030 könnten es 5.000 sein. 

Gibt es andere Städte, die sich für die Erfahrungen Prags interessieren?

Prag ist mit diesem Projekt in Tschechien der Pionier. Brno und Ostrava interessieren sich dafür. Es sind größere Städte, denn gerade diese stoßen auf das Problem der alten historischen Bebauung und verhältnismäßig kleiner Fläche bei großer Bevölkerungsdichte.

Welche Rolle spielt das Thema Klimawandel in der öffentlichen Wahrnehmung in Prag?

Für viele Einwohner sind Klima- und Umweltschutz bedeutende Themen. Wir haben als Hauptstadt einen Klimaplan verabschiedet, der es sich zum Ziel setzt, die CO2-Emissionen bis 2030 um 50 Prozent zu senken. Der Übergang zur Elektromobilität gehört dabei zu den Hauptbotschaften. Auch die Transformation der Heizkraftwirtschaft ist ein wesentliches Ziel. Den Großteil der Zentralversorgung mit Wärme sichert das Kohlekraftwerk in Mělník. Dieses Werk sollte auf Gas umgestellt werden. Doch mit Blick auf die Entwicklung dieses Markts und den Krieg mit Russland stellt sich nun die Frage, wie mit der geplanten massiven Umrüstung der Wärmewirtschaft auf Erdgas umzugehen ist.

Welche weiteren Projekte der Nachhaltigkeit will die Hauptstadt prioritär durchsetzen?

Gegenwärtig geht es vor allem darum, die städtischen Gebäude mit Fotovoltaik zu bestücken. Wir wollen, dass Schwimmbäder oder andere energieaufwendige Einrichtungen durch den Verbrauch der vor Ort erzeugten Energie effizienter werden. Ein weiterer Aspekt, bei dem wir uns zum Teil in Berlin inspiriert haben, sind die Energiegemeinschaften. Auf dem Plan stehen in Prag bis 2030 rund 20.000 Fotovoltaik-Dächer. Gegenwärtig sind 150 Projekte in Vorbereitung, einige in Umsetzung. Ein weiteres Vorhaben betrifft die Nutzung der Restwärme der Abwasserkläranlage. An das Fernwärmenetz angeschlossen, könnte dies einen Teil des Kohlekraftwerks aus Mělník ersetzen.

Wie steht es mit der Finanzierung?

Ein Teil der Gelder kommt aus dem Haushalt. Wir rechnen auch damit, europäische Fördermittel einbeziehen können, dazu Finanzierung aus dem Modernisierungs- und dem Innovationsfonds, aber auch aus dem Nationalen Aufbauplan.

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