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Hochbau: Nachhaltiges Bauen und Energieeffizienz
Grünes Bauen gewinnt in der Türkei an Bedeutung. In den Städten setzen immer mehr Projektentwickler auf nachhaltige Konzepte.
16.03.2025
Von Katrin Pasvantis | Istanbul
Ökologische Bauen gewinnt durch das steigende Interesse an Nachhaltigkeit und Umweltschutz an Bedeutung. Die Nachfrage nach innovativen Baustoffen, Technologien und Dienstleistungen, die Gebäude energieeffizienter und umweltfreundlicher gestalten, wächst. Im Fokus stehen intelligente, zentral- oder ferngesteuerte Systeme, die eine effiziente Klimatisierung und Beleuchtung bei geringem Stromverbrauch ermöglichen.
Internationale Zertifikate werden wichtiger
Anfang März 2024 waren in der Türkei 565 Projekte nach LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) des US Green Building Council (USGBC) zertifiziert sowie 71 Projekte mit dem britischen Nachhaltigkeitszertifikat BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Method). Außerdem hat das türkische Ministerium für Umwelt, Urbanisierung und Klimawandel das nationale Bewertungs- und Zertifizierungssystem YeS-TR für umweltorientierte Gebäude und Siedlungen eingeführt (neueste Fassung Amtsblatt Ausgabe 31864).
Strengere Vorschriften zur Energieeffizienz
Seit dem 1. Januar 2020 ist der Energiepass in der Türkei Pflicht für alle Wohnungen und unerlässlich beim Verkauf. Öffentliche Gebäude mit mehr als 10.000 Quadratmetern Fläche und einem Energieverbrauch von mindestens 250 Tonnen Rohöläquivalent mussten laut präsidialem Rundschreiben Nr. 2019/18 vom 15. August 2019 ihren Energieverbrauch zwischen 2020 und 2023 um mindestens 15 Prozent reduzieren.
Am 19. Februar 2022 wurden im Amtsblatt Nr. 31755 zusätzliche Anforderungen für sogenannte Niedrigenergiegebäude (nSEB, "near Zero Energy Building") veröffentlicht. Diese Gebäude müssen eine hohe Energieeffizienz aufweisen und einen festgelegten Anteil ihres Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen decken.
Seit dem 1. Januar 2025 gelten die nSEB-Vorgaben für öffentliche Gebäude ab 2.000 Quadratmetern Gesamtfläche. Zuvor galten diese Anforderungen seit dem 1. Januar 2023 nur für Gebäude ab 5.000 Quadratmetern. Niedrigenergiegebäude müssen mindestens die Energieklasse B erreichen und ab 2025 mindestens 10 Prozent ihres Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien decken (vorher 5 Prozent).
Die rechtliche Grundlage dafür bildet das Energieeffizienzgesetz, das im Amtsblatt Nr. 5627 am 18. April 2007 veröffentlicht wurde.
Großer Nachholbedarf bei Wärmedämmung
In der Türkei sind viele ältere Gebäude unzureichend gedämmt, was großes Einsparpotenzial bei Energie bietet. Rund 80 Prozent der Gebäude verfügen laut Emrullah Eruslu, Vorstandsvorsitzender des türkischen Verbandes der Wärme-, Wasser-, Schall- und Brandschutzisolierer (İZODER), über keine Wärmedämmung. Am häufigsten kommt expandiertes Polystyrol zum Einsatz.
Gesetzliche Vorschriften und Energieeinsparprojekte sorgen für steigende Nachfrage nach Dämmmaterialien und Gebäudeverkleidungen. Auch beschichtete Isolierglaseinheiten und Fenster mit besseren Wärmedämmwerten gewinnen an Bedeutung. Die hohen Energiekosten verstärken diesen Trend zusätzlich.
Seit Juni 2022 stehen staatlich geförderte Kredite für Wärmedämmmaßnahmen zur Verfügung. Weitere Informationen bieten die Fachverbände İZODER, EPSDER und das türkische Ministerium für Energie und natürliche Ressourcen.
Energieverbrauch verbessert sich
Der jährliche Energieverbrauch von Gebäuden in der Türkei liegt laut Emrullah Eruslu bei 120 bis 150 Kilowatt pro Quadratmeter für Heizung und Kühlung. Mit dem neuen nSEB-Konzept ab 2025 soll der Verbrauch auf 100 bis 120 Kilowatt sinken. Trotz dieser Verbesserungen bleibt der Energiebedarf türkischer Gebäude deutlich höher als in vielen Industrieländern. Dort liegt der Verbrauch laut Eruslu oft nur bei 30 bis 50 Kilowatt pro Quadratmeter – etwa drei- bis fünfmal weniger.