Rechtsbericht | Tunesien | Steuerrecht
Steuerrecht in Tunesien
Das tunesische Steuerrecht wurde Ende der 80er Jahre komplett überarbeitet. Rechtsgrundlage ist bis heute das Gesetz Nr. 89-114.
08.07.2022
Von Jakob Kemmer, Sherif Rohayem, Sven Klaiber, Niko Sievert
Einkommensteuer
Die Einkommensteuer wird auf die Einkünfte der Einzelperson (also natürlichen Person) erhoben (wozu im Grunde auch der Gewinnanteil einer Personengesellschaft gehört). Der Steuersatz unterliegt gemäß Artikel 44 des Gesetzes Nr. 89-114 (ErtStG) folgender progressiver Staffelung:
Einkommen (tD) | Steuersatz |
bis 5.000 | 0% |
5.001 - 20.000 | 26% |
20.001 - 30.000 | 28% |
30.001 - 50.000 | 32% |
über 50.000 | 35% |
Körperschaftsteuer und sonstige Steuern
Kapitalgesellschaften wie eine SARL oder SA unterliegen der Körperschaftsteuer; üblicherweise wird auf sie allerdings nicht das Welteinkommensprinzip angewendet, so dass sie nur in Bezug auf ihre tunesischen Gewinne besteuert werden. Das gleiche gilt für ausländische Gesellschaften, die eine Betriebsstätte in Tunesien unterhalten in Bezug auf die tunesischen Gewinne der Betriebsstätte.
Der Körperschaftsteuersatz liegt seit 2021 bei 15 Prozent (Art. 49 ErtStG). Der alte Satz von 35 Prozent gilt aber noch für einige Bereiche wie Finanzdienstleistungen, Telekommunikation oder Tätigkeiten im Hydrokarbonsektor. Ein reduzierter Steuersatz von 10 Prozent gilt für bestimmte Tätigkeiten (wie zum Beispiel Kunsthandwerk, Landwirtschaft, Fischerei).
Absetzbar sind grundsätzlich alle Kosten, die zur Führung der Geschäfte erforderlich sind. Das tunesische Steuerrecht kennt seit 2008 nur noch die lineare Abschreibungsmethode (Art. 12 ErtStG):
Wirtschaftsgut | Max. Abschreibungsrate (%) |
Gründungskosten | 100 |
Handelsmarke, Patent | 20 |
Leichte Konstruktionen | 10 |
Solide Konstruktionen | 5 |
Computer (Hardware/Software) | 33,33 |
Büromöbel | 20 |
Maschinen und Ausrüstung | 15 |
Der Verlustvortrag ist auf fünf Jahre begrenzt (Art. 8 ErtStG für die Einkommensteuer und Art. 48 Abs. IX ErtStG für die Körperschaftsteuer). Ein Verlustrücktrag ist nicht möglich.
Gegenüber ansässigen Unternehmen erhebt Tunesien keine Quellensteuer auf Dividenden; seit dem Jahr 2015 gibt es jedoch eine Quellensteuer in Höhe von 10 Prozent jährlich auf Dividenden, die an natürliche Personen und nicht-ansässige Unternehmen ausgezahlt wurden. Diese Quellensteuer fällt allerdings erst ab Auszahlungen an, die jährlich 10.000 tunesische Dinar übersteigen. Lizenzgebühren, die an Steuerausländer gezahlt wurden, unterfallen einer Quellensteuer in Höhe von 15 Prozent. Diese mindern sich jedoch aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Tunesien und Deutschland (siehe unten) auf 10 Prozent für einige Lizenzen. Zahlungen für technische Dienste an ein nicht-ansässiges Unternehmen werden mit 15 Prozent an der Quelle besteuert.
Auch eine Ausbildungssteuer wird in Tunesien erhoben. Diese beträgt 1 Prozent der gezahlten Gehälter in der produzierenden Industrie und 2 Prozent in sonstigen Branchen. Ebenfalls basierend auf der Summe der gezahlten Löhne wird eine 1 Prozentige Abgabe zur Unterstützung von Sozialbauwohnungen erhoben. Beide Abgaben sind monatlich zu entrichten.
Tunesien erhebt eine Erbschaftssteuer. Diese beträgt je nach Verwandtschaftsgrad zwischen 2,5 Prozent und 35 Prozent.
Mehrwertsteuer
Der Mehrwertsteuersatz beträgt 19 Prozent; reduzierte Sätze liegen bei 7 Prozent (zum Beispiel IT-Dienste, Hotels, Restaurants, Zubehör, Dienstleistungen von Ärzten, Zahnärzten und Hebammen, sowie seit dem 1. Januar 2020 auch die Einfuhr, Herstellung und Verkauf von persönlichen Schutzmitteln gegen COVID-19) und 13 Prozent (Umsätze von Personen, die freiberufliche Dienstleistungen erbringen, Lieferung von Strom für Haushaltszweck).
Bei Lieferungen eines deutschen Unternehmens (ohne Betriebsstätte in Tunesien) nach Tunesien oder der Dienstleistungserbringung eines deutschen Unternehmens (ohne Betriebsstätte in Tunesien) für ein tunesisches Unternehmen ist das Reverse-Charge-Verfahren anwendbar. Das bedeutet, dass der tunesische Empfänger die Umsatzsteuer an das tunesische Finanzamt abzuführen hat. Dies gilt unabhängig davon, ob das deutsche Unternehmen eine tunesische Umsatzsteuer in der Rechnung ausweist oder nicht. Ein ausdrücklicher Hinweis in der Rechnung bietet sich in beiden Fällen für das leistende/liefernde deutsche Unternehmen an.
Doppelbesteuerungsabkommen
Mit der Bundesrepublik Deutschland hat Tunesien am 16. Dezember 2019 ein neues Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung abgeschlossen (DBA). Das DBA sieht aus deutscher Sicht die Anwendung der Freistellungsmethode unter Progressionsvorbehalt auf die meisten Arten von Einkommen vor. Das alte DBA aus dem Jahr 1975 wurde dadurch ersetzt.
Ebenso hat Tunesien 2018 das Multilaterale Abkommen der OECD zur Bekämpfung aggressiver Steuergestaltung unterzeichnet, die Ratifizierung steht allerdings noch aus.