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Branchen | Ukraine | Wasserstoff

Wasserstoff soll nach Europa

Die Ukraine verfügt über ein enormes Potenzial zur Erzeugung von Wasserstoff. Pilotprojekte laufen trotz des Krieges weiter. Produzenten setzen dabei auf Expertise aus Deutschland.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Berlin

Das osteuropäische Land vollzieht beim Wiederaufbau die Wende zu grüner Energie. Eine zentrale Rolle spielt dabei Wasserstoff. Vorhaben für die Produktion und den Export des farblosen Gases werden trotz des anhaltenden russischen Angriffskrieges vorangetrieben. So lauten die drei wichtigsten Botschaften aus einem Webinar des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie sowie der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer (AHK Ukraine), an dem Ende September 2023 rund 40 Unternehmer teilnahmen.

Wasserstoff soll zentrales Element der Energiewende werden

Die Ukraine will ein zuverlässiger Partner der EU bei der Produktion und Lieferung von Wasserstoff werden, heißt es in der Energiestrategie der Regierung. Das osteuropäische Land verfügt über eigene Vorkommen. "In der Region Riwne gibt es natürliche Gesteinsverbände, die den malischen ähneln, sowohl im Alter als auch in der Zusammensetzung", erklärt Alexander Ponomarenko, Akademiker und Sekretär der Abteilung für Geowissenschaften der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine. Der Vergleich zum westafrikanischen Mali sei ihm nach entscheidend - dortige Bohrlöcher produzieren "zu 98 Prozent reinen Wasserstoff".

Ferner wird jährlich auch rund 360.000 Tonnen Wasserstoff produziert: allerdings meist grauer aus Methan oder türkiser aus Atomstrom. Ferner stellt die Chemieindustrie jährlich rund 2 Millionen Tonnen Ammoniak zur Produktion von Mineraldünger her.

Perspektivisch will Kiew jedoch vor allem grünen Wasserstoff mit Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugen und diesen nach Europa exportieren. Zudem planen ukrainische Metallurgiekombinate die Produktion von grünem Stahl auf Wasserstoffbasis.

Eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung des ukrainischen Wasserstoffmarktes kommt Deutschland zu. Die im Jahr 2020 geschlossene Energiepartnerschaft beinhaltet die Zusammenarbeit bei Wasserstofflieferungen aus der Ukraine nach Deutschland.

Gaspipelines sollen Wasserstoff nach Europa transportieren

Die Ukraine will ihr Exportpotenzial bei Wasserstoff kommerzialisieren. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte und vom Fraunhofer-Institut geleitete Projekt HYPAT (Hydrogen Potential Atlas) analysiert die potenzielle Menge von Wasserstoff für den Export. Im Rahmen der EU-Wasserstoff-Initiative "Green Hydrogen Initiative 2x40 GW in 2030“ muss die Ukraine rund 10 Gigawatt Elektrolyseleistung errichten, um genug Wasserstoff für den Export in die EU zu erzeugen.

Das ukrainische Gastransportnetz ist trotz des Krieges einsatzfähig. Die Pipeline "Transgas" liefert russisches Gas aus dem Gebiet Transkarpatien rund 830 Kilometer durch die Slowakei und Tschechien bis nach Waidhaus. Experten schätzen, dass dem durchgeleiteten Methan bis zu 260 Terawattstunden Wasserstoff pro Jahr beigemischt werden können. Das Unternehmen Transmission System Operator (TSO) of Ukraine entwickelt als Mitglied der EU-Initiative "European Hydrogen Backbone" bereits Pläne für einen Exportkorridor von Wasserstoff nach Mitteleuropa.

Zudem verfügt die Ukraine mit einer Kapazität von rund 330 Terawattstunden über die größten unterirdischen Gasspeicher Europas. In diesen könnten perspektivisch auch bis zu 109 Terawattstunden Wasserstoff gespeichert und bei Bedarf nach Europa gepumpt werden.

Wasserstoffwirtschaft muss zentrale Herausforderungen lösen

Um dieses Ziel zu erreichen, muss das osteuropäische Land jedoch noch eine landesweite Wasserstoff-Strategie verabschieden. Außerdem fehlen aktuell noch gesetzliche Regelungen für die Umwandlung von Wasserstoff in Ammoniak oder andere Gase für den Export, sowie für dessen Speicherung, berichtete Oleksandr Dyachenko, Vize-Präsident des Vereins "Ukrainischer Wasserstoffrat". Auch für den Bau von Wasserstoff-Tankstellen gäbe es noch keine einheitlichen Standards und Vorschriften hinsichtlich der Qualität und Sicherheit.

Das entscheidende Kriterium bei Vorhaben zur Produktion von Wasserstoff in der Ukraine ist vor allem deren Wirtschaftlichkeit, gibt Jaroslav Kryl, Generaldirektor der Entwicklungsgesellschaft "Wasserstoff der Ukraine" (OOO Vodorod Ukrainy), zu bedenken. Aktuell sind Pilotprojekte noch nicht rentabel. Das vom Krieg gezeichnete Land kann keine großen staatlichen Anschubinvestitionen in Wasserstoffprojekte tätigen und setzt stattdessen auf das Engagement der Privatwirtschaft.

Pilotprojekte setzen auf Know-how aus Deutschland

Die Gesellschaft "Wasserstoff der Ukraine" entwickelt aktuell zwei Projekte (H2-Valley) im Gebiet Odessa und in Transkarpatien.

In der Hafenstadt Reni an der Donau im Gebiet Odessa entstehen in einer ersten Etappe 100 Megawatt Elektrolysekapazitäten. Mittelfristig soll die Kapazität auf 200 Megawatt steigen. Das deutsche Unternehmen Ludwig Bölkow Systemtechnik berät die Projektgesellschaft bei dem Vorhaben, das im Mai 2023 als erstes Wasserstoffvorhaben der Ukraine auf die Plattform Global Hydrogen Valley aufgenommen wurde.

Der Strom für die Elektrolyse kommt aus Wind- und Solarparks. Die deutsche Firma WindGuard GmbH nahm die Messung der Windstärke vor. Das Wasser für die Elektrolyse wird der Donau und deren Nebenarmen entnommen. Durch die günstige geografische Lage an der Donau soll der grüne Wasserstoff künftig per Tankschiff nach Zentraleuropa transportiert werden. Über das vorhandene Erdgasnetz soll Wasserstoff zudem in die Nachbarstaaten Rumänien und Moldawien gepumpt werden.

Das zweite Wasserstoffprojekt liegt im Gebiet Transkarpatien in der Grenzregion zur Slowakei und zu Ungarn. Auf einer Fläche von 120 Hektar werden 1,5 Gigawatt Elektrolysekapazität aufgebaut. Der Strom kommt auch hier aus Wind- und Solarkraft. Der erzeugte Wasserstoff soll perspektivisch in das Metallurgiewerk im slowakischen Kosice, das bei der Produktion von Eisenerz von Koks auf Wasserstoff umstellen will, exportiert werden. Zudem soll der Anschluss an den transeuropäischen Transportkorridor nach Deutschland hergestellt werden.

Kontaktdaten

Bezeichnung

Anmerkungen

Entwicklungsgesellschaft "Wasserstoff der Ukraine"

Kontaktperson: Jaroslav Kryl, Generaldirektor, Tel: +380 50 456 74 04; E-Mail: kryl@hydrogen.ua

Verein "Ukrainischer Wasserstoffrat"

Kontaktperson: Oleksandr Dyachenko, Vize-Präsident; Tel: +380 50 456 74 04; E-Mail: info@hydrogen.ua

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