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Branchen | Ukraine | Metallurgie

Industrie will grünen Stahl zum Markenzeichen der Ukraine machen

Trotz immenser Schäden plant die Metallurgie bereits für die Zeit nach dem Krieg. Im Fokus steht der nachhaltige Umbau der Branche. Neuer Verkaufsschlager soll grüner Stahl werden.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Berlin

Ukrainische Eisen- und Stahlerzeuger leiden unter den Folgen des russischen Angriffskrieges. Im Jahr 2022 brach die Produktion von Roheisen und Stahl im Vergleich zum Vorjahr um rund 70 Prozent auf etwa 12,7 Millionen Tonnen ein. Die Stahexporte gingen ebenfalls um rund 70 Prozent auf etwa 6,1 Millionen Tonnen zurück. Die Werke in Mariupol wurden bei der Erstürmung der Stadt weitgehend zerstört und müssen von Grund auf neu aufgebaut werden. Hüttenwerke am Fluss Dnipro wie Kryvoryschstal mussten nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms ihre Produktion zeitweise herunterfahren. Mit dem sinkenden Pegelstand konnte der Fluss nicht mehr genug Kühlwasser liefern.

Metallurgie soll nach Kriegsende Wachstumstreiber werden

Vor Kriegsbeginn trug die Metallerzeugung rund 10 Prozent zur Entstehung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) des osteuropäischen Landes bei und war für rund ein Drittel der Anlageinvestitionen verantwortlich. Die Exportquote bei Stahl belief sich auf 80 Prozent der Inlandsproduktion.

Unter dem Motto "build back better" sollen die zerstörten Metallurgie-Kombinate nicht einfach wieder errichtet, sondern zukunftstauglich umgebaut werden. Die Industrie will auf grünen Stahl umsatteln, bei dessen Produktion statt fossiler Brennstoffe erneuerbare Energien zum Einsatz kommen. Dazu zählt die Ukraine auch Atomstrom. Daneben sollen moderne Luft- und Abwasserfilter den Schadstoffausstoß senken.

Europa mittlerweile wichtigster Absatzmarkt für ukrainischen Stahl

Die Europäische Union wird als Absatzmarkt für ukrainische Metallwaren immer wichtiger. Ging vor Kriegsbeginn rund ein Drittel der Produktion in die Mitgliedsstaaten, legte der Anteil im Jahr 2022 auf rund 60 Prozent zu – Tendenz steigend. Vor allem Metallpellets (DRI) und heiß brikettiertes Eisen (HBI) werden nach Europa exportiert.

Damit die Ukraine ihre Marktanteile halten kann, müssen sich Metallerzeuger an die Vorgaben des "Green Deal" der EU halten und ihren Schadstoffausstoß senken. Grüner Stahl soll dabei als Türöffner nach Europa dienen.

Regierung sucht Investoren für Transformation der Stahlindustrie

Das osteuropäische Land verfügt über das Potenzial, zu einem der preiswertesten Produzenten von umweltfreundlichem Stahl zu werden: "Unsere Vision ist der Aufbau einer 50 Millionen Tonnen schweren grünen Stahlindustrie in der Ukraine", gibt der stellvertretende Leiter des Präsidentenbüros Rostyslaw Schurma die Richtung vor. Zur Finanzierung des Vorhabens will die Regierung im Rahmen eines "grünen Marshall-Plans" rund 40 Milliarden US-Dollar (US$) akquirieren. 

Für die vorbereitenden Arbeiten rechnet Schurma mit bis zu eineinhalb Jahren. Realistisch ist jedoch, dass die Vorhaben erst nach einem Ende des Krieges vollständig umgesetzt werden können. 

Projekte zur nachhaltigen Produktion von Stahl in Planung

Bedeutende Metallhüttenwerke planen bereits für eine Zeit nach Kriegsende. ArcelorMittal Krywyj Rih plant, rund 10 Milliarden Euro in den Umbau des Kombinats zur Produktion von grünem Stahl zu investieren. "Da das Werk zu ArcelorMittal in Duisburg gehört, wären das deutsche Direktinvestitionen in die Ukraine", erklärt Oleh Krykavskyy, Government Relations Director des Kombinats.

Der Produzent von Eisenerzpellets Ferrexpo will in den kommenden Jahren rund 3,3 Milliarden US$ in die Dekarbonisierung seiner Produktion investieren. Die Mittel fließen in grüne Wasserstofftechnologien für den Betrieb der Granulieranlage sowie in den Bau eines Wind- und Solarparks. Bis 2050 soll der CO₂-Ausstoß um 35 Millionen Tonnen sinken. 

Der größte ukrainische Produzent von Eisenerz, Metinvest (gehört zum Firmenimperium des Oligarchen Rinat Achmetow), ist Eigentümer der Stahlwerke Azowstal und Kombinat imeni Iljitscha in Mariupol. Unter dem Slogan "Mariupol Reborn" sollen die zerstörten Stahlhütten nach der Befreiung der Stadt wiederaufgebaut und für die Produktion von direkt reduziertem Eisen (DRI) mittels grüner Energie fit gemacht werden. Bereits im Dezember 2021 unterzeichnete Metinvest mit der SMS Group und der Firma Paul Wurth eine Absichtserklärung zur Verringerung des CO₂-Ausstoßes bei der Produktion von Gusseisen und Stahl.

Staatsfonds stellt Mittel für grüne Transformation bereit

Am 3. Mai 2023 unterzeichnete Präsident Wolodymyr Selensky ein Gesetz zur Schaffung eines staatlichen Fonds zur Dekarbonisierung und energieeffizienten Transformation der Wirtschaft. Aus diesem Fonds stehen ab Januar 2024 Mittel für staatliche Programme bereit, die auf Folgendes abzielen:

  • Energieeffizienz steigern,
  • Dekarbonisierung beschleunigen,
  • alternative Energiequellen ausbauen.

Um Mittel bewerben können sich auch Eisen- und Stahlwerke.

EU unterstützt bei Dekarbonisierung der Stahlhütten

Die EU will die Ukraine, die aktuell den Status eines Beitrittskandidaten hat, beim Wiederaufbau ihrer Hüttenindustrie unterstützen. Der Staatenverbund will die Einfuhren von ukrainischen Metallprodukten weiter liberalisieren und dringt auf die Einhaltung europäischer Umweltstandards. Zudem werden nach einer Mitgliedschaft des osteuropäischen Landes in der EU weitere Handels- und Zollschranken fallen, was ukrainischem Stahl neue Absatzmärkte eröffnet.

Zum 1. Oktober 2023 tritt der CO₂-Grenzausgleich (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) in Kraft. In einer Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2025 sind Importeure lediglich verpflichtet, über Treibhausgasemissionen ihrer Produkte zu berichten. Ab 1. Januar 2026 werden Strafzahlungen fällig, wenn das Produkt einen zu hohen CO₂-Ausstoß hat. Würden die Zahlungen ab sofort fällig, würden sie ukrainische Metallhersteller jährlich rund 300 Millionen US-Dollar kosten, berechnet das Beratungsunternehmen EY.

Die Ukraine hat bereits vorgearbeitet und entsprechende Rechtsvorschriften zur Überwachung, Berichterstattung und Überprüfung von Emissionen für die CBAM-Berichterstattung erlassen. 

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