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"Der schreckliche Krieg hat auch Auswirkungen auf unsere Arbeit"

Die Sowjetunion baute riesige Wasserkraftwerke. Für deren Modernisierung setzen Nachfolgestaaten wie die Ukraine zunehmend auf westliche Unternehmen.

Von Lukas Latz | Berlin

ANDRITZ Hydro produziert Turbinen und elektromechanische Ausrüstung für Wasserkraftwerke. Am Standort Ravensburg arbeiten 450 Beschäftigte. Seit 2006 gehört der Standort zur österreichischen ANDRITZ-Gruppe, einem Industriekonzern mit weltweit mehr als 27.000 Beschäftigten. Mario Ledic, der Leiter des Bereichs Governmental Affairs bei ANDRITZ Hydro, spricht im Interview über die Märkte des postsowjetischen Raumes.

Lukas Latz: Herr Ledic, wie haben Sie den Schritt auf den ukrainischen Markt gemacht?

Mario Ledic: Wir haben seit mehr als dreißig Jahren ein lokales Büro in Kiew, aus dem wir die Entwicklung des Energiesektors und speziell der Wasserkraft im Land verfolgen. So fällt uns die strategische Entscheidung leichter, an welchen Ausschreibungen wir teilnehmen können oder nicht. Wir haben vor Ort eine lokale Organisation, die den Markt und die Entwicklungen sehr gut einschätzen kann und unser Bindeglied zum Kunden ist.

Sie haben dort seit dreißig Jahren ein Büro, aber erst seit sechs Jahren einen Großauftrag? Also haben Sie mit dem Büro ganz lange kein Geld verdient?

Natürlich haben wir mit Unterstützung unseres lokalen Büros auch schon mehrere kleinere Aufträge in der Vergangenheit generiert. Unseren Großauftrag – die Modernisierung des Kraftwerks Dnipro 1 – haben wir natürlich nicht über Nacht gewonnen, sondern sind durch unsere lokale Organisation im Vorfeld der Ausschreibung tatkräftig unterstützt worden. Der Aufwand und die Erfahrung aus den vorherigen Ausschreibungen haben sich am Ende ausgezahlt. Wir haben als erstes westeuropäisches Unternehmen in der Ukraine einen Großauftrag für die Modernisierung eines Kraftwerks mit einem Gesamtwert von circa 60 Millionen Euro gewonnen. Die Abwicklung des Projekts wird insgesamt fünf Jahre dauern. In dieser Zeit sind wir auch vor Ort, wickeln das Projekt ab und bereiten uns auf weitere Projekte vor.

Was hat sich am Markt geändert, dass Sie plötzlich einen Großauftrag bekommen haben?

Ein Grund ist sicher die Annäherung der Ukraine an Europa in den vergangenen Jahren und die damit verbundene Öffnung des eigenen Marktes. Wenn internationale Entwicklungsbanken die Finanzierung für Großprojekte bereitstellen, steigen auch die Chancen für internationale Unternehmen.

Seit dem 24. Februar herrscht in der Ukraine Krieg. Wie geht es ihren Monteuren vor Ort? Wie geht es ihren Geschäftspartnern beim ukrainischen Stromversorger?

Der schreckliche Krieg in der Ukraine hat natürlich auch Auswirkungen auf unsere Arbeiten am Kraftwerk Dnipro 1. Mit der Teilreisewarnung des Auswärtigen Amtes vom 12. Februar haben wir in Absprache mit dem Kunden die Ausreise unserer Monteure vorbereitet. Auch unser Büroleiter hat Kiew aus Sicherheitsgründen in der Zwischenzeit vorübergehend verlassen. Nach Angaben unseres Kunden Ukrhydroenergo arbeiten derzeit alle Wasserkraftwerke nach Plan, hierzu veröffentlicht Ukrhydroenergo täglich auf seiner Internetseite einen Bericht.

Spielt der russische Markt eine Rolle für Sie?

Die Hydrosparte der ANDRITZ hat dort im Jahr 2010 eine Niederlassung eröffnet. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung unserer wichtigsten Kunden und weil Energieversorger bevorzugt russischen Unternehmen Aufträge zur Modernisierung von Wasserkraftwerken erteilen, wurde die Filiale aber wieder geschlossen. Aktuell sind wir in Russland nicht sehr aktiv, verfolgen aber die Marktentwicklung. In der Vergangenheit war Russland aber ein wichtiger Markt. Es wurden mehrere Modernisierungsprojekte von Wasserkraftwerken wie zum Beispiel Tsimljanskaja (50 Megawatt) und Iowskaja (96 Megawatt) erfolgreich abgewickelt. Der letzte Auftrag beim Kleinwasserkraftwerk Lykovskaja wurde im Jahr 2015 abgeschlossen. Wir hoffen auf Besserung und wieder mehr Geschäft in der Zukunft.

In Kasachstan arbeiten Sie seit 2006. Die Wasserkraft existiert in dem Land jedoch bereits deutlich länger. Was hat sich damals im Land verändert, dass Sie plötzlich eine Chance auf diesem Markt hatten?

Kasachstan hat vor einigen Jahren damit begonnen, erneuerbare Energien auszubauen. Das aktuelle Potenzial der Wasserkraft wird auf 62.000 Gigawattstunden geschätzt, wobei bis heute lediglich 13 Prozent des Potenzials entwickelt wurden. Wir sind seit mehr als 15 Jahren in Kasachstan aktiv und konnten mit unserer Erfahrung sowohl in der Lieferung von Neuanlagen als auch in der Modernisierung von Wasserkraftwerken punkten.

In den Ländern Zentralasiens gibt es eine Vielzahl von Anlagen aus Sowjetzeiten, die durch eine Modernisierung einen entscheidenden Beitrag zur Steigerung des Anteils an erneuerbaren Energien bieten. Unsere Referenzen sind bis dato die großen Wasserkraftwerke Mojnak sowie Schardarinskaja. Beim Kraftwerk Schardarinskaja konnten wir mit der Modernisierung eine Leistungssteigerung von 20 Prozent erreichen. Aber auch die Kleinwasserkraft ist in Zentralasien interessant.

In Usbekistan gab es 2016 einen Regierungswechsel. Der neue Präsident sorgte für eine Öffnung des Marktes. Haben Sie davon etwas gemerkt?

Die neue Politik des Präsidenten war für uns besonders durch die verstärkte regionale Kooperation mit den Nachbarländern deutlich spürbar. Wir konnten im Jahr 2016 einen Auftrag im Bereich Kleinwasserkraft generieren. Für das Kraftwerk Kamolot mit einer Gesamtleistung von 8,5 Megawatt haben wir die elektromechanische Ausrüstung geliefert. Usbekistan plant, in den kommenden Jahren weiterhin massiv in den Ausbau der Wasserkraft zu investieren. Insgesamt stehen mehr als 23 Vorhaben in der Diskussion – wir verfolgen die Entwicklungen genau.

Ist Russisch noch die wichtigste Geschäftssprache im Land? Oder legen Partner eher Wert auf Englisch, Kasachisch oder Usbekisch?

Die Amt- und Landessprache in Usbekistan ist natürlich Usbekisch, wobei auch nach der Wende Russisch als Geschäftssprache genutzt werden kann. Jüngeren Nachwuchskräfte und politische Entscheidungsträger:innen nutzen aber auch immer mehr Englisch und sind sich der Bedeutung von Fremdsprachen im Umgang mit internationalen Unternehmen bewusst.

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