Bei Investitionen greifen die ukrainischen Mobilfunkfirmen häufig auf chinesische Technik zurück. Der Fokus liegt aktuell auf 4G, der Aufbau von 5G-Netzen könnte 2023 beginnen.
Die Ukraine hinkt beim Ausbau der Mobilfunknetze noch hinterher, konnte in den vergangenen Jahren aber gute Fortschritte erzielen. Der 3G-Mobilfunkstandard wurde in der Schwarzmeer-Republik erst 2015 eingeführt. Laut der Zeitung Kyiv Post war die Ukraine damit das letzte Land in Europa. Aktuell liegt der Fokus der Telekomunternehmen auf dem Ausbau der 4G-Netze (LTE) im 900-Megahertz-Frequenzband. Im ländlichen Raum bestehen immer noch deutliche Netzlücken.
Ein im September 2019 geschlossenes Abkommen der Regierung mit den führenden Mobilfunkanbietern Kyivstar, Vodafone Ukraine, lifecell und Intertelecom sieht den Ausbau der landesweiten 4G-Netzabdeckung auf 90 Prozent bis 2022 vor. Der flächendeckende Zugang zum Internet ist eine wichtige Grundlage für die Bestrebungen der Regierung zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Hierzu wurde im Sommer 2019 eigens das Ministerium für digitale Transformation gegründet.
Mobilfunkanbieter investieren in Ausbau der 4G-Netze
Die Telekomunternehmen investieren viel in den Netzausbau. Wie das Nachrichtenportal UBN berichtet, gibt Ukrtelecom bis Ende 2022 rund 110 Millionen US-Dollar (US$) für den Ausbau des Breitbandnetzes aus. Insgesamt 50.000 Kilometer Glasfaserkabel sollen verlegt und 2,6 Millionen Menschen im ländlichen Raum Zugang zum schnellen Internet erhalten. Kyivstar hat Investitionen in Höhe von 180 Millionen US$ angekündigt, damit bis Ende 2022 insgesamt 90 Prozent der Bevölkerung Anschluss an das 4G-Netz erhalten. Auch Vodafone investiert in den Ausbau der 4G-Netze. Dabei sollen bis 2024 alle Fernverkehrsstraßen mit schnellen Mobilfunknetzen abgedeckt sein.
Chinesische Telekomausrüster gut im Geschäft
Beim Aufbau der Netze greifen die Anbieter auf die Technik aller großen Ausstatter zurück. Laut Branchenkennern entfällt dabei der größte Teil aus Kostengründen auf Technik des chinesischen Anbieters Huawei. Sicherheitsaspekte spielen bislang eine untergeordnete Rolle.
Um den Absatz zu steigern, stellten chinesische Anbieter in den vergangenen Jahren Finanzierungspakete bereit. So eröffnete ZTE im Juni 2018 Ukrtelecom eine Kreditlinie über 10 Millionen US$ für Investitionen in die Netzinfrastruktur. Im Jahr 2016 hatten die China Development Bank und Huawei Ukrtelecom bereits eine Kreditlinie über 50 Millionen US$ eingeräumt.
Einen Anhaltspunkt für die starke Stellung Chinas im Bereich der Telekommunikationstechnik bietet auch die Tatsache, dass China wichtigstes Lieferland der Ukraine für Nachrichtentechnik ist.
Importe der Ukraine von Geräten für die Nachrichtentechnik/Radio/TV (SITC-Warengruppe 76; Angaben in Millionen US-Dollar)
| 2017 | 2018 |
Insgesamt, darunter aus | 1.367,7 | 1.522,0 |
China | 774,2 | 791,9 |
Vietnam | 211,6 | 215,7 |
Russland | 82,2 | 102,2 |
USA | 89,0 | 98,5 |
Hongkong, SVR | 10,8 | 72,8 |
Quelle: UN Comtrade
Huawei-Technik für 4G-Netz in Kiewer U-Bahn
Einen großen Einzelauftrag konnte Huawei im Sommer 2019 gewinnen: Die Mobilfunkanbieter Kyivstar, Vodafone und lifecell haben dem chinesischen Unternehmen den Auftrag zur Einrichtung eines 4G-Netzes in der Kiewer U-Bahn erteilt. Huawei hatte dort in der Vergangenheit bereits ein 2G-Netz aufgebaut. Bis Ende 2020 sollen die Arbeiten an allen 46 unterirdischen Stationen abgeschlossen sein. Aktuell fehlt nur noch die Station Teremky.
Aufbau von 5G-Netzen möglicherweise erst ab 2023
Beim Ausbau des 5G-Netzes hinkt die Ukraine noch hinterher. Nach Einschätzung Oleksandr Komarows dürften die ersten Auktionen für 5G-Mobilfunklizenzen erst 2022 stattfinden. Dies sagte der Chef von Kyivstar im Juni 2020 gegenüber dem Nachrichtenportal ain.ua. Die Arbeiten am Aufbau der Netze könnten 2023 beginnen. Gleichzeitig glaube er aber nicht an einen schnellen, umfangreichen Ausbau von 5G-Netzen in der Ukraine. Ein Grund hierfür sei die geringe Kaufkraft der Bevölkerung. Hinzu komme die Tatsache, dass die Mobilfunkkosten in der Ukraine zu den niedrigsten weltweit gehören, was Investitionen erschwere. Außerdem decke der LTE-Standard 99 Prozent der aktuellen Bedürfnisse der Kunden ab.
5G-Pilotprojekte und Kooperationsabkommen mit westlichen Firmen
Der Ausbau des 5G-Netzes ist damit bislang weitgehend Zukunftsmusik. Vereinzelt gibt es aber bereits Pilotprojekte. Partner der öffentlichen Hand sind dabei westliche Firmen. So hat der frühere Infrastrukturminister Wolodymyr Omeljan im April 2019 das Vorhaben "Internet of Things on Roads" verkündet. Projektpartner ist Nokia. Im Februar 2020 hat das Ministerium für digitale Transformation ein Abkommen mit Ericsson zur Zusammenarbeit beim Aufbau von 5G-Netzen geschlossen. Auch der Operator lifecell kooperiert mit Ericsson.
Eine öffentliche Debatte über die Beteiligung chinesischer Firmen am Aufbau der 5G-Netze gibt es bislang nicht. Doch ist sich die Ukraine, die im Konflikt mit Russland auf die Unterstützung des Westens angewiesen ist, der Problematik bewusst. Laut Presseberichten hat das ukrainische Außenministerium die Sicherheitsdienste des Landes im Sommer 2019 gebeten, die Zusammenarbeit ukrainischer Firmen mit Huawei zu überprüfen.
Kontroversen um Abkommen zwischen Huawei und ukrainischem Sicherheitsdienst
Dass das Thema heikel ist, zeigt auch folgende Entwicklung: Am 15. Oktober 2020 veröffentlichte der State Service of Special Communication and Information Protection of Ukraine (CIP) auf seiner Internetseite eine Meldung, wonach CIP ein Memorandum mit Huawei geschlossen habe. Ziele des Abkommens seien eine Zusammenarbeit in den Bereichen Cybersicherheit und Telekommunikation.
Am 16. Oktober 2020 hat der CIP die Information über das Abkommen von seiner Internetseite und aus Einträgen in sozialen Medien entfernt. Nach Meldungen der Zeitung Evropeiska Pravda erfolgte dieser Schritt nach Protesten westlicher Partner. Am 28. Oktober 2020 erklärte Außenminister Dmytro Kuleba, dass das Abkommen zwischen CIP und Huawei gesetzwidrig sei.
Besonders die USA sehen das Engagement Chinas in der Ukraine mit Sorge. Dies gilt vor allem für den Rüstungssektor. Die USA stemmen sich gegen einen Einstieg chinesischer Firmen bei Motor Sich, einem Hersteller von Motoren für Flugzeuge und Hubschrauber.
Aktive chinesische Firmen
Firmenname | Tätigkeitsfeld |
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Huawei | Telekommunikationsausrüster und Hardwarehersteller |
ZTE | Telekommunikationsausrüster |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest
Von Fabian Nemitz
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Kiew