Ungarns Kfz-Branche ist international geprägt. Deutsche Autobauer spielen eine wichtige Rolle. Mit dem Umbau auf E-Mobilität siedeln sich vermehrt chinesische Unternehmen an.
Die Automobilindustrie ist die wichtigste Branche der ungarischen Wirtschaft und trägt entscheidend zur industriellen Wertschöpfung bei. Laut dem Branchenverband MAGE sind etwa 150.000 Menschen in dem Sektor beschäftigt. Auch außenwirtschaftlich hat die Branche Gewicht: Über ein Sechstel der Gesamtexporte entfällt auf Autos und Fahrzeugteile. Die Exportquote bei Fahrzeugen liegt bei 90,3 Prozent, bei Komponenten bei 84 Prozent.
Die Branche wird vor allem von ausländischen Konzernen dominiert, insbesondere von deutschen Herstellern und Zulieferern. Die Verflechtung mit der deutschen Autoindustrie ist besonders eng: 2024 gingen rund ein Viertel der in Ungarn gefertigten Fahrzeuge und Teile nach Deutschland, dem mit Abstand wichtigsten Handelspartner. Insgesamt verblieben etwa 80 Prozent der Ausfuhren innerhalb der EU. Auf Deutschland folgten die Slowakei (6,7 Prozent), Italien (5,0 Prozent) und Frankreich (4,7 Prozent). Die USA lagen mit 4,3 Prozent auf Rang fünf.
Drei Hersteller prägen den Standort
Drei namhafte Automobilhersteller betreiben gegenwärtig Pkw-Werke in Ungarn: Suzuki produziert seit 1992 in Esztergom. Audi eröffnete ein Jahr später ein Werk in Győr, wo sowohl Antriebe als auch Fahrzeuge gefertigt werden. Das erste osteuropäische Werk von Mercedes-Benz nahm 2012 in Kecskemét den Betrieb auf. In Kürze wird der Kreis durch zwei neue E-Auto-Fabriken von BMW und BYD erweitert. Das 1992 in Betrieb genommene Opel-Werk in Szentgotthárd produziert seit 1999 keine Autos mehr, sondern fertigt heute ausschließlich Motoren für den Mutterkonzern Stellantis.
Der multinationale japanische Konzern Suzuki ist mengenmäßig der größte Autobauer Ungarns. Im Februar 2024 lief in Esztergom das viermillionste Fahrzeug vom Band. Produziert werden in Ungarn vor allem die beliebten SUV-Modelle Vitara und S-Cross sowie Motorräder. Seit 2023 ergänzt Suzuki sein Portfolio um Vollhybride. Im Juli 2025 startete das Unternehmen ein umfassendes Modernisierungsprogramm im Wert von rund 24,5 Millionen Euro. Ziel der Investition ist die stärkere Automatisierung und Digitalisierung der Produktion.
Hohe Auslastung bei Audi in Győr
Audi Hungaria startete ursprünglich als Motorenwerk und betreibt heute in Győr die weltweit größte Motorenproduktion. Mit rund 12.000 Beschäftigten war Audi Hungaria Ende 2024 einer der wichtigsten Arbeitgeber Ungarns. In Győr liefen 2024 über 1,6 Millionen Motoren vom Band – etwas weniger als im Vorjahr. Die Auslastung der Motorenfabrik liegt laut Werksleitung bei 70 bis 80 Prozent. Mit 151.899 produzierten Elektroantrieben spielt das Werk auch eine zentrale Rolle in der Elektromobilitätsstrategie des Volkswagen-Konzerns.
Die Fahrzeugproduktion von Audi Hungaria legte 2024 sogar zu: 179.710 Einheiten wurden in Győr gefertigt, davon allein 163.047 Modelle des Audi Q3 und Q3 Sportback. Ende 2023 übernahm der Standort zusätzlich die Serienproduktion des Terramar-Modells der Schwestermarke Cupra. Damit war die Pkw-Fertigung zeitweise über 100 Prozent ausgelastet. Im August 2025 startete in Westungarn die Serienproduktion der neuen Q3-Generation.
Mercedes investiert in Kecskemét
Mercedes-Benz kam 2024 auf leicht rückläufige Produktionszahlen. Laut Geschäftsbericht liefen rund 146.000 Fahrzeuge in Kecskemét vom Band – etwa 16 Prozent weniger als im Vorjahr. Produziert wurden unter anderem Modelle der A-Klasse, verschiedene Varianten des CLA sowie deren Hybridversionen und der vollelektrische EQB.
Der Standort wird derzeit umfassend ausgebaut: Über 1 Milliarde Euro investiert das Unternehmen in die Werkserweiterung. Branchenkreisen zufolge könnten sich die jährlichen Produktionskapazitäten dadurch verdoppeln. Auch ein zusätzliches Modell ist im Gespräch – möglicherweise aus der C-Klasse.
Zulieferbetriebe geraten unter Druck
Während die großen Fahrzeughersteller ihre Werke ausbauen und modernisieren, ist die Lage bei den Zulieferbetrieben deutlich angespannter. Die ungarische Zulieferindustrie ist breit aufgestellt, wobei internationale Konzerne eine zentrale Rolle spielen. Rund 60 große Tier-1-Hersteller produzieren in Ungarn – allen voran deutsche Unternehmen wie Bosch, ZF, Continental, Thyssenkrupp und Schaeffler. Auch Firmen aus den USA, Kanada, Japan und Frankreich sind stark vertreten. Dazu kommen an die 750 kleinere und mittelgroße Teileproduzenten.
Die schwache Nachfrage auf dem wichtigsten Exportmarkt Deutschland belastet die ungarischen Zulieferbetriebe zunehmend. Und die Auswirkungen der US-Zölle verschärfen die Lage zusätzlich. Laut Csaba Kilián, Chef des Automobilverbands MAGE, kam es dennoch nicht zu Massenentlassungen. Die Firmen bauen allerdings verdeckt Stellen ab, indem Vakanzen nicht wiederbesetzt oder Stunden reduziert werden. Branchenkenner berichten auch, dass sich viele Zulieferer um neue Kunden jenseits der Kfz-Industrie bemühen.
Einfuhr ausgewählter Kfz-Teile nach Ungarnin Millionen Euro, Veränderung in Prozent | 2024 | Veränderung 2024/2023 | aus Deutschland |
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SITC 778.3 Kfz-Elektrik | 982 | -4,8 | 242 |
SITC 784 Karosserien, Stoßstangen etc. | 6.842 | -11,4 | 3.056 |
SITC 773.13 Zündkabelsätze | 1.278 | 21,9 | 46 |
SITC 713.2 Motoren | 641 | -36 | 472 |
Quelle: Eurostat 2025
Chinesische Hersteller gewinnen an Einfluss
Chinesische Unternehmen weiten ihre Präsenz in Ungarn seit einigen Jahren deutlich aus. Zum zweiten Mal in Folge floss 2024 der größte Teil der chinesischen Direktinvestitionen innerhalb der EU in das Land. Nach einer Studie von MERICS und der Rhodium Group konzentrieren sich die Mittel vor allem auf Projekte der Elektromobilität, darunter Batterie- und Komponentenwerke. Charakteristisch ist, dass chinesische Investoren zahlreiche Zulieferer mitbringen. Für ungarische Unternehmen bestehen daher wenig Chancen, in die lokalen Lieferketten eingebunden zu werden.
BYD selbst plant, sein Engagement in Ungarn weiter auszubauen. Konzernchef Wang kündigte im Mai an, den europäischen Hauptsitz nach Budapest zu verlegen. Geplant ist auch ein Forschungs- und Entwicklungszentrum für intelligente und elektrifizierte Fahrzeugtechnologien. Insgesamt könnten rund 2.000 neue Arbeitsplätze in der Metropolregion entstehen. Im Juni wurde schließlich bekannt, dass BYD ein neues Werk für Elektrobusse in Komaróm baut: Die Kapazitäten sollen damit verdreifacht und vor Ort ein neues F&E-Testlabor eingerichtet werden.
Wichtige Investitionsprojekte in der Kfz-Industrie in Ungarnin Millionen EuroVorhaben | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
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BYD Werk in Szeged | keine offiziellen Angaben | Fertigstellung bis 2026/2027 | Zu Beginn 150.000, später 300.000 Stk. Pkw pro Jahr |
CATL Werk in Debrecen | 7.340 | Drei Phasen, Fertigstellung der ersten Phase bis Ende 2025 | Akkumulatorenwerk mit 100 GWh Kapazität |
Sunwoda Electronic in Nyíregyháza | 1.560 | Fertigstellung bis 2027 | Akkumulatorenwerk |
BMW Werk in Debrecen | > 1.000 | Fertigstellung bis Ende 2025 | Vollelektrische Pkw, 150.000 Stk. pro Jahr |
Eve Power Hungary in Debrecen | 1.270 | Fertigstellung bis 2027 | Akkumulatoren für BMW eDrive Technologie (6. Generation) |
Halms in Miskolc | 200 | Drei Phasen, Fertigstellung der ersten Phase bis 2027 | Kfz-Teile, 1-2 Mio. Stk. pro Jahr (Guss und Sandbestrahlung) Europäische Zentrale |
Stellantis in Szentgotthárd | 103 | Werkerweiterung, Fertigstellung bis Ende 2026 | Werkserweiterung für die Umstellung auf Elektrofahrzeuge und Erweiterung von F&E beim bereits gekauften ungarischen Start-up für selbstfahrende Technologien |
BYD Bus- und Lkw-Werk in Komárom | 75,7 | k.A. | Zusätzliches Werk, bestehende Produktion wird verdreifacht, Anfertigung von jährlich 1.250 Elektrobussen und Lkws geplant |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2025
Von Kirsten Grieß
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Budapest