Ägypten will zu einem Produktionszentrum für Märkte in Afrika und Nahost aufsteigen. Bisher dominiert die Montage von Fahrzeugen für den lokalen Markt.
Nach Angaben der Weltbank hatte der Bereich Maschinen und Transportausrüstungen 2020 nur einen Anteil von 3,48 Prozent an der industriellen Wertschöpfung in Ägypten. Im gesamtwirtschaftlichen Kontext spielt die Kfz-Industrie demnach keine wichtige Rolle. Im Rahmen der ägyptischen Entwicklungsstrategie, die die lokale Produktion in Sparten wie der Nahrungsmittelerzeugung, der Textilindustrie und eben auch dem Fahrzeugbau erhöhen will, erscheint die Branche jedoch deutlich prägnanter.
Erste Schritte sind zum einen die Erhöhung des Anteils lokal produzierter Komponenten und zum anderen die Steigerung der Exporte von Kfz. Eine umfassendere Planung enthält das Automotive Industry Development Program (AIDP) mit dem Ziel, bis 2030 Ägypten in einen regionalen Hub für die Automobilindustrie auszubauen. Die Ansiedlung von Produktionsbetrieben der Automobilhersteller und der Kfz-Zulieferindustrie soll Ägypten zu einem zentralen Player der Branche für Afrika und den Nahen Osten machen.
Viele Montagewerke mit kleinen Stückzahlen
Die Gegenwart sieht noch anders aus. Zwar bauen lokale Unternehmen schon seit den 1960er Jahren Autos aus Teilesätzen zusammen. Die staatlichen ägyptischen Autowerke, später in El Nasr Automotive Manufacturing Company umbenannt, hatten 1962 mit dem Bau des Modells Ramses begonnen, das technisch auf dem deutschen Kleinwagen NSU Prinz basierte. In den 1970er Jahren startete El Nasr die langjährige Kooperation mit dem italienischen Fiat-Konzern. Weitere Marken kamen in den folgenden Jahrzehnten hinzu.
Diese Grundstruktur bestimmt die Landschaft der ägyptischen Automobilindustrie noch heute. Allerdings sind zahlreiche private Unternehmen hinzugekommen, die Fahrzeuge diverser Marken für den ägyptischen Markt montieren. Lokal aus Teilen montierte Fahrzeuge haben aktuell einen Anteil von circa 60 Prozent an den verkauften Einheiten. Im Jahr 2024 waren über 15 Hersteller auf diese Weise auf dem ägyptischen Markt präsent. Gemäß Ankündigungen in der Presse über vereinbarte MoU (Memorandum of Understanding) könnten in naher Zukunft bis zu zehn weitere dazu kommen.
Die Stückzahlen dieser Montagewerke bleiben bisher allerdings bescheiden. Meist bewegen sie sich im einstelligen Tausenderbereich. Die Gesamtzahl lokal montierter Fahrzeuge lag 2024 bei rund 60.000. Der Trend geht zwar nach oben, aber selbst der Marktführer 2024, Nissan, bleibt auch nach den Erweiterungen seines Werks 2025 bei einer Kapazität von etwas über 30.000 Fahrzeugen im Jahr. Im internationalen Kontext sind das immer noch kleine Stückzahlen. Die 2022 formulierte nationale Strategie zur Entwicklung der Automobilindustrie sieht vor, den Ausstoß bis 2030 auf 400.000 bis 500.000 zu steigern. Davon sollen 25 Prozent in den Export gehen.
Steigendes Engagement chinesischer Hersteller
Seit der Entspannung der Devisenversorgung im Frühjahr 2024 hat sich das Geschehen deutlich belebt. Praktisch monatlich gehen Ankündigungen weiterer Montagewerke durch die Presse. Vor allem chinesische Anbieter wollen auf diese Weise ihre Präsenz auf dem ägyptischen Markt erhöhen. Mittelfristig haben sie dabei den regionalen Markt im Blick, denn mit der Greater Arab Free Trade Area (Gafta) und der im Aufbau befindlichen African Continental Free Trade Area (AfCFTA) ermöglicht der Standort Ägypten den Zugang zu vielen weiteren Märkten.
Auch das staatliche Unternehmen El Nasr hat nach 15 Jahren die Produktion wieder aufgenommen und produziert nun neben Lastwagen auch Busse der chinesischen Marke Yutong. Über die Montage von Pkw ist El Nasr Pressemeldungen zufolge mit Dongfeng im Gespräch. Das Traditionsunternehmen hat dazu mit der Al Safy Gruppe das Joint-Venture SN Automotive gegründet. Die Fabrik von Egyptian German Automotive in Sixth of October City montiert inzwischen zusätzlich zu circa 1.200 Mercedes-Fahrzeugen auch rund 3.000 Pkw der chinesischen Marke Exeed, einer Marke des Chery-Konzerns.
Die Al Mansour Gruppe will zusammen mit dem Autokonzern SAIC (Shanghai Automotive Industry Corporation) benzingetriebene und elektrische Fahrzeuge der Marke MG in Ägypten montieren und dazu 135 Millionen US-Dollar (US$) investieren. Bereits angelaufen ist zum Jahresbeginn 2025 die Montage des Modells Saga des malaysischen Herstellers Proton durch das Joint-Venture Ezz Alsewedy der Ezz Al Arab-Gruppe und dem Mischkonzern El Sewedy. Die jährliche Produktion ist hier mit 40.000 Einheiten angesetzt. Abou Ghaly Motors will 26 Millionen US$ in die Montage des in den VAE entwickelten Pickups Sandstorm S24 investieren.
Wichtige Investitionsprojekte in der Kfz-Industrie in Ägyptenin Millionen US$Vorhaben | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
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GAC Motor-Werk | 300 | Planung | Fahrzeugproduktion für lokalen Markt und Export durch GAC (China); Kooperation bisher mit Auto Jameel (MoU über Montage von 10.000-15.000 Einheiten im Jahr) |
Kasrawy Automontage | 123 | Planung | Montage von Autos der Marken Jetour und Jac (China) |
Arab Organization for Industrialization (AOI, staatlich) und Stellantis | 116 | Planung | Produktionsstart des Modells Citroën C4X (7.000 Einheiten pro Jahr) im Juni 2025; weitere Modelle geplant |
Ezz Elsewedy Ausbau Montagewerk | 100 | Planung | Verdoppelung der Produktion von 40.000 auf 80.000 Einheiten; Gespräche mit weiteren Herstellern |
Auto Mobility Geely Montage | 100 | Produktion | Montage von 10.000 Geely-Fahrzeugen im Jahr; JV aus Ali Alghanim (Kuwait), Mohamed Jusuf Naghi Group (Saudi Arabien) und Al Safi Group (Ägypten) |
Produktionsausweitung Nissan | 45 | Umsetzung | Erweiterung der Kapazität von 25.000 auf 30.000 Einheiten im Jahr |
Jinbei Royal Egypt | k.A. | Umsetzung | Montage von 3.000 leichten Nutzfahrzeugen der Marke Jinbei im Jahr, darunter auch solche mit elektrischem Antrieb |
Quelle: Pressemeldungen, Recherchen von Germany Trade & Invest
Kfz-Teile stammen vor allem aus Asien
Ein wesentlicher Kostenfaktor für die lokale Produktion ist der Import von Teilen und Komponenten aus dem Ausland. Insbesondere die Devisenknappheit in den vergangenen Jahren und Abwertungen des Ägyptischen Pfundes haben die Hersteller in der jüngsten Vergangenheit vor Herausforderungen gestellt. Ägypten ist daher sehr daran interessiert, den lokal gefertigten Anteil der montierten Fahrzeuge zu erhöhen.
Das AIDP sah als Minimum zunächst einen Anteil von 45 Prozent vor. Diese Maßgabe hat das Industrieministerium ab Juli 2025 auf nur noch 20 Prozent reduziert. Beobachter sehen als möglichen Grund, dass der schnellen Ansiedlung weiterer Montagebetriebe aktuell Vorrang gegeben wird. Einige Montagebetriebe nennen aber bereits heute lokale Anteile von 50 Prozent und mehr.
Mit der Zunahme der produzierten Modelle und der Stückzahlen erhöht sich der Bedarf an Zulieferungen entsprechend. Die Einfuhren von Kfz-Teile wuchsen 2024 gegenüber dem Vorjahr um 30 Prozent. Bereits in Ägypten aktive Zulieferer planen, die Produktion auszuweiten. Neue Akteure kommen hinzu. Zu den jüngsten Investitionsvorhaben zählt eine von dem chinesischen Unternehmen China National Tire and Rubber Company geplante Reifenfabrik. Die Firma Mobica will die Fertigung von Autositzen verdoppeln, um die Montagewerke von Exeed und Geely-Fahrzeugen zu beliefern.
Einfuhr ausgewählter Kfz-Teile nach Ägypten in Millionen US-Dollar, Veränderung in Prozent | 2024 | Veränderung 2024/2023 | aus Deutschland |
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Kfz-Elektrik (HS 8511,8512) | 100,6 | 15,4 | 3,0 |
Karosserien, Stoßstangen etc. (HS 8706, 8707,8708) | 832,0 | 35,1 | 33,2 |
Zündkabelsätze (HS 8544.30) | 17,2 | 143,4 | 0,2 |
Motoren (HS 8407.31-34, 8408.20) | 99,1 | 2,8 | 12,4 |
Summe | 1.048,8 | 30,1 | 48,8 |
Quelle: ITC 2025
Von Marcus Knupp
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Berlin