
Special | Europa | US-Zölle
Von Irland bis Ungarn: Wer in Europa unter Trumps Zöllen leidet
Lange haben Exporte in die USA zum Wohlstand Europas beigetragen. Die neue US-Politik erfordert jedoch ein Umdenken. GTAI-Korrespondenten haben ausgewählte Länder analysiert.
26.05.2025
Von Martin Wiekert | Bonn
In einem Punkt hat US-Präsident Trump recht: Im Warenaustausch zwischen den USA und Europa besteht ein beachtliches Ungleichgewicht. Im Jahr 2024 betrug das EU-Handelsplus gegenüber Amerika fast 200 Milliarden Euro. Es war damit mehr als doppelt so groß wie noch zehn Jahre zuvor.
Da Trump die EU deshalb für den Verlust amerikanischer Industrien verantwortlich sieht, hat er sie zu einem Hauptziel seiner aggressiven Handelspolitik auserkoren. Mit Zusatzzöllen will er EU-Firmen dazu zwingen, für den US-Markt direkt vor Ort zu fertigen. Auf diese Weise sollen die heimische Industrie gestärkt und neue Arbeitsplätze in den für ihn wichtigen Wählerregionen entstehen. Dass die USA ein großes Plus im Dienstleistungshandel mit der EU aufweisen, spielt für ihn keine Rolle.
US-Geschäftsmodelle in Gefahr
Eine Rückkehr zur alten Normalität – also zu einem florierenden und weitgehend barrierefreien Austausch von Gütern und Dienstleistungen – ist im transatlantischen Handel vermutlich vorerst nicht zu erwarten. Geschäftsmodelle europäischer Unternehmen für den US-Markt, die auf Export basieren, werden künftig nur noch eingeschränkt funktionieren. Hinzu kommt, dass die Vereinigten Staaten auch nicht mehr günstig über Werke in Mexiko oder Kanada beliefert werden können. Denn diese Länder stehen ebenso im Visier der neuen US-Handelspolitik.
Europäische Unternehmen müssen sich vorerst mit dem neuen US-Protektionismus arrangieren. Günstige Lösungen gibt es nur für Wenige. Großkonzerne haben vielleicht die Möglichkeit, europäische Produktionen in bestehende Werke in den USA zu verlagern, um den Zöllen zu entgehen. Aber auch diese müssen dafür die Lieferketten umstellen und sich vor Ort auf die schwierige Suche nach geeigneten Fachkräften begeben. Für viele kleinere europäische Exportbetriebe ist dies zu kostspielig, zeitaufwändig und angesichts der erratischen US-Politik auch risikobehaftet.
Unternehmen mit gewisser Marktmacht können neue US-Zölle zumindest in Teilen auf ihre örtlichen Abnehmer abwälzen. Dies ist in Bereichen des Maschinenbaus eine Option, wo die amerikanische Industrie noch auf Technologien aus Deutschland und Europa angewiesen ist. Viele andere Betriebe dürften jedoch spürbare Geschäftseinbußen erleiden. Ihnen bleibt erst einmal nur die Hoffnung, dass sich die US-Politik irgendwann wieder ändert. Der Handlungsdruck ist groß, sich künftig auf alternative Absatzmärkte zu fokussieren.
Bei ihrer Suche danach kann Trumps globaler Zollfeldzug sogar helfen. Auch andere Länder und Regionen wie zum Beispiel China, Südafrika und Teile Lateinamerikas müssen verloren gegangenes US-Geschäft kompensieren. Dies erleichtert Bemühungen der EU, attraktive neue Handelsvereinbarungen abzuschließen.
Von neuen Handelserleichterungen, etwa mit dem südamerikanischen Wirtschaftsraum Mercosur oder Indien, würde gerade die exportgeübte deutsche Wirtschaft stark profitieren. Zudem dürfte in manchen Regionen auch die US-Konkurrenz schwinden, da gegen die US-Zölle Vergeltungsmaßnahmen erlassen werden.
Große Exportnationen besonders betroffen
Die Auswirkungen der US-Zollpolitik treffen einzelne Länder und Branchen unterschiedlich stark. Die Korrespondentinnen und Korrespondenten von Germany Trade & Invest (GTAI) haben daher die Folgen der US-Politik in wichtigen europäischen Volkswirtschaften analysiert und die Ergebnisse in Steckbriefen zusammengefasst. Die einzelnen Ländertexte können Sie über das Dropdown-Menü auswählen.
Die europäischen Länder, bei denen die USA-Geschäfte einen hohen Anteil der Wirtschaftsleistung ausmachen, sind von der neuen US-Handelspolitik am stärksten betroffen. Dies ist besonders in Irland der Fall, dessen Exporte 2024 zu rund einem Drittel nach Amerika gingen. Viele US-Konzerne haben auf der grünen Insel Produktionsbasen errichtet, um von diesen aus internationale Märkte zu bedienen.
Dies betrifft vor allem die amerikanische Pharmabranche, die in Irland mit Größen wie Pfizer, Merck und Johnson & Johnson vertreten ist. "Der Protektionismus könnte Multinationals dazu bewegen, zurück in die USA zu gehen", befürchtet Paul Egan, Research Officer am irischen ESRI-Institut. Schwere Einbrüche wären dadurch nicht nur in der irischen Wirtschaft, sondern auch bei den Steuereinnahmen die Folge.
Neben dem Sonderfall Irland sind es in Europa vor allem die größeren Volkswirtschaften, die umfangreich in die USA exportieren. Außer in Deutschland, das 2024 für mehr als die Hälfte des EU-US-Handelsüberschusses verantwortlich war, bestehen auch in Italien vielfältige Abhängigkeiten vom US-Markt. "Die exportabhängige italienische Industrie ist stark auf den US-Markt fokussiert", sagt Torsten Pauly, GTAI-Korrespondent in Mailand. "In vielen Branchen des verarbeitenden Gewerbes zählen die USA zu den drei wichtigsten Auslandmärkten."
Frankreich weist zwar einen relativ ausgeglichenen Handel mit den USA auf. In vielen Schlüsselsektoren sind die USA aber ebenso ein sehr wichtiger Exportmarkt. "In der Luft- und Raumfahrtindustrie, in der Chemie oder auch bei den Herstellern von Luxuskonsumgütern und Kosmetika hat der US-Markt eine hervorgehobene Bedeutung", meint Frauke Schmitz-Bauerdick, GTAI-Repräsentantin in Paris. Dies gelte auch für den Nahrungsmittelbereich, insbesondere bei den Wein- und Spirituosenherstellern.
Für das Vereinigte Königreich sind die USA nach der EU das wichtigste Exportziel. Britische Unternehmen liefern vor allem Autos, Pharmazeutika und Maschinen dorthin. Im neuen US-Zollregime erhält das Land mit dem avisierten britisch-amerikanischen Handelsabkommen eine bevorzugte Behandlung. "Wenn die neuen US-Zölle niedriger ausfallen als für die Konkurrenz aus anderen Ländern, könnte das Vereinigte Königreich im Spannungsfeld EU - USA sogar profitieren", analysiert Marc Lehnfeld vom GTAI-Büro in London.
Hohe USA-Abhängigkeit in der Pharma- und Automobilindustrie
Neben den genannten Staaten liegen bei den Ausfuhren nach Amerika auch die Niederlande, das mit seinem Hafen in Rotterdam als Transitland fungiert, sowie Belgien weit vorne. Laut Olivier Joris, Direktor beim belgischen Unternehmensverband FEB, exportiert Belgien viele Halbfertigprodukte, die weiterverarbeitet über Frankreich, Deutschland oder die Niederlande in die USA gelangen: "Wir könnten daher doppelt betroffen sein." Neben Irland, der Schweiz und Deutschland ist Belgien eines der Länder, das unter dauerhaften Restriktionen im Pharmahandel besonders zu leiden hätte.
Die Region Mittel- und Osteuropa bekommt die neuen Trump-Zölle besonders in der Autoindustrie zu spüren. GTAI-Korrespondent Gerit Schulze sieht hier vor allem für den Top-Produzenten Slowakei dunkle Wolken aufziehen: "Laut dem Industrieverband APZD lieferte die Slowakei zuletzt jährlich rund 100.000 Pkw in die USA. Dabei handelte es sich hauptsächlich um SUV und Geländewagen, die besonders margenträchtig sind."
Auch für Ungarn und seine Automobilindustrie mit zahlreichen Zulieferbetrieben ist die Lage bedrohlich. "Hier ist das Who-is-Who der deutschen Kfz-Branche versammelt", sagt Kirsten Grieß von GTAI Budapest. "Autos aus ungarischer Produktion werden zum Teil direkt in die USA geliefert, Motoren und Komponenten gelangen aber auch über Werke in Drittländern in die USA."
Die integrierten europäischen Wertschöpfungsketten ziehen aber auch noch viele andere Wirtschaftsbereiche der Region in Mitleidenschaft. Dies gilt etwa für die örtliche Metallindustrie oder die Hersteller elektronischer Komponenten. "Diese Unternehmen werden weniger Aufträge aus deutschen, französischen und italienischen Firmenzentralen erhalten", erklärt Dominik Vorhölter vom GTAI-Büro in Rumänien.