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Life-Science-Unternehmen treffen auf ein erschwertes Marktumfeld

Steigende Kosten, neue Behandlungskonzepte und Technologietrends setzen die Branche unter Digitalisierungsdruck. Die Anziehungskraft des US-Kapitalmarkts scheint ungebrochen.

Von Heiko Steinacher | San Francisco

Digitales Marketing wird für Life-Science-Firmen immer wichtiger. Denn Digitalkanäle wie Portale und Apps halten zunehmend im Gesundheitswesen Einzug. Rund ein Drittel der Führungskräfte in der Life-Science-Branche plant, mehr als die Hälfte ihres Marketingbudgets für digitales Marketing auszugeben. Das zeigen Umfragen des Beratungsunternehmens McKinsey und des US-Verbands der Versicherungen und Krankenkassen (AHIP).

Die Kommunikationsagenturen CG Life und MC Service aus Chicago und München haben daher eine Serviceplattform für Biotechnologie- und Pharmaunternehmen entwickelt. Von ihrer im Januar 2023 gestarteten strategischen Partnerschaft erhoffen sie sich einen besseren Marktzugang auf der jeweils anderen Seite des Atlantiks.

Unternehmen entwickeln KI für Biowissenschaften

Die fortschreitende Digitalisierung beflügelt auch einen weiteren Trend in der Biowissenschaftsbranche: den Einsatz KI-basierter Verfahren (Künstliche Intelligenz). Das Start-up Absci in Vancouver, Washington, versucht zum Beispiel, mithilfe von KI biologische Wirkstoffkandidaten zu identifizieren. Apriori Bio aus Cambridge, Massachusetts, setzt KI ein, um vorauszusagen, wie sich das Coronavirus weiterentwickelt.

"Es ist eine spannende Zeit für KI in den Biowissenschaften", sagt Hedi Razavi vom AI Competence Center von German Entrepreneurship. Das Marktpotenzial ist riesig: "Die US-Regulierungsbehörde FDA hat bereits über 500 KI-gestützte Medizinprodukte zugelassen", erklärt die KI-Expertin. "Deshalb unterstützen wir deutsche Jungfirmen auf ihrem Weg in den US-Markt. Unsere Kompetenzzentren für KI und Life Science arbeiten dabei eng zusammen."

Die Analyse riesiger Datenmengen mittels KI bildet auch die Grundlage für eine personalisierte Medizin. Wie die Marktforschenden von Forrester ermittelt haben, fielen 25 bis 40 Prozent der zwischen 2015 und 2022 von der FDA zugelassenen Therapeutika in diesen Bereich. Mitte Februar 2022 bestätigte der Wagniskapitalarm von Accenture eine strategische Investition in Ocean Genomics: Das Technologie- und KI-Unternehmen aus Pittsburgh entwickelt Software zur Modellierung und zum Verständnis von Veränderungen und Varianten der mRNA (Boten-Ribonukleinsäure). Damit lässt sich besser vorhersagen, wie ein Patient auf ein Medikament reagieren könnte. Biopharmaunternehmen nutzen die Technologie, um effektivere Diagnostika und Therapeutika zu entwickeln.

Smarte Lösungen für die Lieferkette sind gefragt

Mithilfe neuer Technologien will die Life-Science-Industrie Ergebnisse entlang der gesamten Wertschöpfungskette verbessern. Insbesondere gilt es, künftig Unterbrechungen in den Lieferketten zu vermeiden, um Kosten zu senken. Die International Data Corporation (IDC) geht davon aus, dass drei Viertel der Branchenfirmen in den USA bis Ende 2023 in „intelligente“ Lösungen für die Lieferkette wie KI-gestützte Beschaffungsplattformen investieren werden.

Das Marktumfeld birgt deutlich mehr Herausforderungen als vor der Pandemie, nicht nur im Hinblick auf die Digitalisierung. Wegen der Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed zur Eindämmung der Inflation haben Vermögensverwalter das Geld ihrer Anleger verstärkt auf weniger riskante Investitionen umgeleitet. Tech- und Life-Science-Start-ups zieht es aber weiter an den US-Kapitalmarkt. Trotz des hohen Bewertungsabschlags für europäische Aktien halten viele Analysten US-Titel im Hinblick auf künftige Investments für aussichtsreicher.

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US-Investoren zeigen mehr Bereitschaft zum Risiko

Amerikanische Investoren sind generell risikobereiter als europäische. Sie investieren enorme Summen in Unternehmen, die Produkte entwickeln, die ihrer Meinung nach Erfolg versprechen, auch ohne Aussicht auf eine schnelle Zulassung und kurzfristige Rentabilität. Ein Blick auf neuartige Zelltherapien zeigt, warum: Nachdem die FDA in dem Bereich in den letzten Jahren einige Produkte neu zugelassen hatte, stiegen die Umsätze in dem Segment von 2,1 Milliarden US$ (2017) auf rund 7,7 Milliarden US$ (2022). Für 2028 sagt IBISWorld ein anhaltendes, wenn auch etwas geringeres Wachstum auf 9,2 Milliarden US$ voraus.

Davon wollen auch deutsche Jungfirmen profitieren. Um ihre Marktchancen dort zu verbessern, benennen viele deutsche Biotech-Start-ups einen CFO (Chief Financial Officer) mit Sitz in den USA, berichtet die Kapitalmarktplattform GoingPublic. Denn in Jungunternehmen gilt der CFO als Schlüsselperson beim Fundraising und somit für die Kommunikation gegenüber Investoren. Neben analytischen Fähigkeiten und Zahlenverständnis muss ein CFO daher in der Regel auch über langjährige Marktkenntnis und ein breites Netzwerk verfügen.

Standorte jenseits der Hochburgen werden interessant

Durch den anhaltenden Druck zu Kostensenkungen rücken auch neue Regionen stärker in den Blickpunkt. Zwar konzentrieren sich Life-Science-Unternehmen in den USA weiter auf die großen Cluster Boston/Cambridge, San Francisco/Bay Area und San Diego. Eine Reihe kleinerer, flexiblerer Biotechfirmen hat sich in den letzten Jahren aber zum Beispiel auch in New Jersey angesiedelt. Dort haben globale Pharmariesen wie Bristol-Myers Squibb, Johnson & Johnson und Merck ihren Hauptsitz. Und Laborflächen sowie Flächen für Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen sind dort günstiger als in New York, Massachusetts oder Kalifornien. Der Biopharmakonzern Intercept Pharmaceuticals hat daher 2022 seine globale Zentrale von New York City nach Morristown verlegt. Im Jahr 2024 will der Bundesstaat im Nordosten der USA "The Cove" eröffnen, ein globales Zentrum für Biowissenschaften, Technologie und Medizin in Jersey City.

Der Anpassungsdruck offenbart sich auch in der gestiegenen Anzahl der Übernahmen, zumindest in den ersten beiden Pandemiejahren. Im Jahr 2022 haben sich Fusionen und Übernahmen deutlich verlangsamt. Im letzten Oktober haben der US-Anbieter LabVantage Solutions und der bayerische Softwareentwickler Biomax Informatics beschlossen, zu fusionieren, um digitale Innovationen in der Life-Science-Branche voranzutreiben.

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