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Special USA Seidenstraße
Die Anzahl der Deals ist seit 2018 deutlich zurückgegangen. Und die US-Regierung erhöht den Druck weiter: Sie will Huawei den Zugang zu Chips aus internationaler Produktion kappen.
08.12.2020
Von Heiko Steinacher | San Francisco
An der Technologiebörse Nasdaq und der New York Stock Exchange waren Mitte 2020 rund 230 chinesische Unternehmen gelistet, mit einem Börsenwert von insgesamt 1,8 Billionen US-Dollar (US$). In den letzten beiden Jahren sind aber kaum noch neue hinzugekommen.
Dasselbe gilt in Bezug auf den Wert chinesischer Investitionen in den USA: Waren es im Jahr 2017 noch 23 Milliarden US$, so gab es im 1. Quartal 2020 gerade einmal elf Deals im Gesamtwert von 400 Millionen US$. Im 1. Quartal 2019 waren es immerhin noch 18 für 1,8 Milliarden US$. Und von 2005 bis 2019 sogar 180 Milliarden US$, das entspricht einem Quartalsmittel von 3 Milliarden US$. Die Zahlen stammen vom American Enterprise Institute und der Technologieberatung GP Bullhound.
In sieben verschiedene US-Branchen flossen in diesem Zeitraum (2005 bis 2019) jeweils mehr als 15 Milliarden US$ chinesisches Kapital: das meiste in den Immobiliensektor, aber auch der Finanz-, Transport- und Technologiesektor zogen hohe Summen an. Eine oder wenige klare Schwerpunktbranchen des produzierenden Gewerbes, die besonders im chinesischen Interesse stehen, zeichnen sich aus diesen Zahlen jedoch nicht ab.
Branche | Investor | Unternehmen, an dem Anteile erworben wurden | Investitionsvolumen | Jahr |
Technologie | HNA | Ingram Micro | 6.000 | 2016 |
Zhuhai Seine Technology, Legend | Lexmark | 3.400 | 2016 | |
Lenovo | Motorola Mobility | 2.910 | 2014 | |
Transport | HNA | CIT Group | 10.380 | 2017 |
Tencent | Tesla | 1.780 | 2017 | |
Didi Chuxing | Uber Global | 1.000 | 2016 | |
Immobilien | Shanghai Greenland | Forest City Ratner | 2.580 | 2014 |
Shanghai Greenland | California State Teachers‘ Retirement System | 1.260 | 2013 | |
CIC | Invesco | 1.030 | 2016 |
Wagniskapitalgeber wie Sequoia Capital China und Qiming Venture Partners sorgten dafür, dass viele dieser Firmen wachsen konnten. Auch Chinas Tech-Giganten Baidu, Alibaba und Tencent, die ihr ursprüngliches Such-, E-Commerce- und Glücksspielgeschäft längst auf andere Wirtschaftsbereiche wie das Gesundheitswesen und die Finanzwirtschaft ausgeweitet haben, finanzieren viele chinesische sowie auch US-Start-ups. So steckte Alibaba ab 2013 beträchtliche Summen unter anderem in den Fahrdienst-Vermittler Lyft und den Social-Media-Dienst Snap. Auch in US-Unternehmen mit Bezug zu „sensiblen“ Technologien haben sich chinesische Investoren eingekauft, darunter in das 2019 vom Chipkonzern Intel übernommene Netzwerk-Start-up Barefoot Networks, den Roboterautoentwickler Zoox und das Spracherkennungs-Start-up AISense.
Das Marktforschungsunternehmen Rhodium schätzt, dass gut ein Fünftel der chinesischen Risikokapitalinvestitionen in den USA von 2000 bis 2017 aus staatlichen Fonds stammte, die zumindest teilweise von der Regierung in Peking kontrolliert werden. Und dass dieser Anteil bezogen auf 2018 etwa doppelt so hoch war. Doch damit verbundene Spionageängste waren nur einer der Gründe dafür, dass sich das Klima zwischen den beiden Nationen seit 2018 merklich abkühlte: Denn die Sonderzölle, die Washington neben neuen Importabgaben sukzessive auf immer mehr Waren erhob und die sich zwar nicht nur, aber vor allem gegen das Land der Mitte richteten, sind auch vor dem Hintergrund des Handelsbilanzdefizits der USA, dem Streit um den Schutz geistigen Eigentums und erzwungener Technologietransfers in China zu sehen.
Außerdem landete das chinesische Unternehmen Huawei im Mai 2019 auf einer Entity List der US-Regierung: Seitdem unterliegen dessen sowie inzwischen auch die Geschäftsbeziehungen von mehr als 180 anderen chinesischen Unternehmen zu US-Partnern strengen Kontrollen. Im August 2020 ließ Washington dann die Ausnahmeregelung auslaufen, die Huawei weiterhin Geschäfte mit US-Unternehmen ermöglicht hatte, sodass der chinesische Netzwerkausrüster für seine Android-Geräte nur noch die Open-Source-Fassung des Smartphone-Betriebssystems von Google nutzen kann, die keinen Play Store mehr bietet.
Seither dürfen an Huawei grundsätzlich keine Chips mehr geliefert werden, wenn sie mithilfe US-amerikanischer Software entworfen oder mit US-amerikanischer Technik gefertigt wurden. Betroffen sind davon quasi sämtliche Chips aus internationaler Produktion. Zahlreiche Huawei-Tochtergesellschaften sind durch diese Zusatzverschärfung neu auf die Entity List gekommen, darunter auch Huawei Technologies Düsseldorf, Huawei Cloud Berlin und Huawei OpenLab München.
Auch ist es seit Mai 2019 in den USA verboten, Ausrüstungen ausländischer Firmen einzusetzen, die als „Bedrohung für die nationale Sicherheit“ gelten. Laut einer Verfügung von März 2020 sollen kleineren Anbietern die Kosten dafür erstattet werden, verbotene Ausrüstungen und Dienste aus US-Netzwerken zu entfernen und sie durch „sicherere“ Lösungen zu ersetzen.
Mit dieser Begründung („Bedrohung für die nationale Sicherheit“) verbot US-Präsident Donald Trump im August 2020 per Dekret US-Unternehmen dann auch Geschäfte mit WeChat (Eigner: Tencent) und anderen chinesischen App-Anbietern. Laut einer weiteren Verfügung nur wenige Tage später muss sich ByteDance, der chinesische Mutterkonzern von TikTok, binnen drei Monaten von allen Daten von Nutzern in den USA trennen. Beobachter konstatieren, dass sich die Video-App in den USA zunehmend zu einer Plattform für politische Debatten und Kampagnen entwickelt habe.
2018 kamen noch über 30 chinesische Unternehmen neu an die Nasdaq, darunter das Video-Streaming-Spin-off iQiyi des Suchmaschinenbetreibers Baidu, die E-Commerce-Plattform Pinduoduo und der Elektroautohersteller Nio. Zu den wenigen, die den Schritt derzeit wagen wollen, zählt das chinesische Start-up XPeng Motors.
Nun will die US-Regierung gegen an US-Börsen notierte chinesische Unternehmen vorgehen, die sich nicht an die dort gängigen Bilanzprüfungen halten. Medienberichten zufolge erwägen daraufhin bereits einige chinesische Firmen, sich von US-Aktienmärkten zurückzuziehen.
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