Rechtsbericht | Venezuela | Investitionsrecht
Venezuela will Sonderwirtschaftszonen einrichten
Die venezolanische Nationalversammlung hat einen Gesetzesentwurf zur Schaffung einer Reihe von Förderungen für Investoren für bis zu zehn Jahre verabschiedet.
08.07.2022
Von Dr. Julio Pereira | Bonn
Am 30. Juni 2022 hat die Nationalversammlung Venezuelas (Asamblea Nacional - AN) in endgültiger Sitzung ein Gesetz (Ley Orgánica de Zonas Económicas Especiales - LOZEE) verabschiedet, das die Einrichtung der sogenannten Sonderwirtschaftszonen (ZEE) regelt. Die ZEE umfassen verschiedene Wirtschaftszweige und beruhen auf einem breiten Steuervergünstigungssystem, das sich auch an ausländische Unternehmen richtet. Am 06. Juli 2022 wurde das Gesetz vom Obersten Gerichtshof Venezuelas (Tribunal Supremo de Justicia - TSJ) für verfassungsgemäß erklärt. Die Exekutive hat nun bis zu 180 Tage Zeit, um das Gesetz vor seiner Veröffentlichung im Amtsblatt zu prüfen.
Die wichtigsten Punkte sind nachstehend zusammengefasst.
Zweck des Gesetzes
Ziel des Gesetzes ist es, die Einrichtung, Organisation und Verwaltung von Sonderwirtschaftszonen (Zonas Económicas Especiales - ZEE) in Venezuela zu regeln (Art.1 LOZEE). Die Schaffung von ZEE zielt darauf ab, in- und ausländische Investitionen anzuziehen, die sich unter anderem auf die Industrialisierung des Landes, die Exportdiversifizierung, die selektive Importsubstitution, das Entstehen neuer Produktionsketten und die Schaffung neuer Arbeitsplätze konzentrieren. Das LOZEE sieht ausdrücklich den Übergang vom gegenwärtigen Wirtschaftsmodell zu einer diversifizierten Wirtschaft vor und hebt als Leitprinzipien die internationale finanzielle Integration des Landes und die ökologische Nachhaltigkeit der Produktionsprozesse hervor (Art. 3 und 6 LOZEE).
Rechtssubjekte und Steuerbegünstigte
Das Gesetz gilt vor allem für juristische Personen (öffentliche, private und gemischte) aus dem In- und Ausland, die an den Produktionsketten in den ZEE beteiligt sind. Zu den Begünstigten der geplanten Steuervergünstigungen gehören ausschließlich juristische Personen, die in den ZEE tätig sind (Art. 2 und 23 LOZEE).
Prioritäre Sektoren
Die in den ZEE Venezuelas zu fördernden Wirtschaftszweige umfassen vier Sektoren:
- Primärsektor: Forstwirtschaft, Landwirtschaft und Fischerei (Art. 13 I a und d LOZEE);
- Sekundärer Sektor: Agrarindustrie, verarbeitendes Gewerbe, Energieerzeugung, einschließlich Kohlenwasserstoffe und ihre Derivate, und Erzeugung erneuerbarer Energie (Art. 13 I a und b, III und IV LOZEE);
- Tertiärer Sektor: Tourismus, Freizeit und E-Commerce (Art. 13 I c und V LOZEE);
- Quartärer Sektor: Hochtechnologie (Art. 5 c und 13 II LOZEE).
Was den tertiären Sektor betrifft, so wird die Stärkung der kleinen, mittleren und kleinsten Unternehmen in Venezuela im Gesetz ausdrücklich erwähnt. Für den quartären Sektor sieht das Gesetz die spezielle Einrichtung von ZEE vor, die auf High-Tech-Investitionen ausgerichtet sind.
Ausländische Unternehmen im Fokus
Die geoökonomische Lage der ZEE in Venezuela wird nach den im Gesetz vorgesehenen Merkmalen bestimmt. Unter anderem müssen die Bedingungen Produktionsprozesse begünstigen, die von ausländischen Unternehmen durchgeführt werden (Art. 8 III LOZEE). Außerdem müssen sich die ZEE in strategischen Gebieten befinden, die eine „Anbindung an die internationalen Märkte“ auf dem See-, Fluss-, Land- und Luftweg gewährleisten (Art. 8 I LOZEE). Auch Industrieparks und das Vorhandensein von Infrastrukturen und Dienstleistungen, die den Betrieb von Produktionsketten innerhalb der ZEE erleichtern, müssen berücksichtigt werden. Ebenso ist die „erhebliche Konzentration natürlicher Ressourcen“ (Art. 8 II LOZEE) ein Kriterium für die Ausweisung von ZEE, die industrielle Prozesse erleichtern.
Steuerliche Förderungen
Alle Investoren, ob in- oder ausländisch, die in den ZEE tätig werden dürfen, müssen einen Investitionsvertrag (Convenio de Inversión) mit dem Internationalen Zentrum für Investitionen (CIIP) unterzeichnen (Art. 18 und 23 LOZEE). Dieses Rechtsinstrument legt die verschiedenen steuerlichen und finanziellen Förderungen fest, die für die zu entwickelnde Wirtschaftstätigkeit gelten. Unternehmen, die sich in ZEE niederlassen, können von der automatischen Rückzahlung (devolución automática), ganz oder teilweise, verschiedener Bundessteuern profitieren (Art. 4 XI LOZEE). Der Vorteil kann sich je nach Art der Wirtschaftstätigkeit auf einen Zeitraum von bis zu 10 Jahren erstrecken.
Die Steuervergünstigungen umfassen: Körperschaftsteuer (ISLR), Umsatzsteuer (IVA) und Einfuhrsteuer (II). Die Unternehmen können auch von anderen Steuererhebungen in Bezug auf Rohstoffe und Kapitalgüter befreit werden. Darüber hinaus können per Präsidentendekret zusätzliche Anreize gewährt werden (Art. 19 LOZEE).
„Grünes Regime“
Im Zusammenhang mit Umweltfragen ist ein spezieller Steuervorteil mit der Bezeichnung „Grünes Regime“ vorgesehen (Art. 26 LOZEE). Dieser Förderung zufolge erhalten Unternehmen, die ihre Aktivitäten in den ZEE unter Berücksichtigung von Aspekten der Energiewende und des Klimaschutzes (mitigación del cambio climático) entwickeln, einen zusätzlichen Einkommensteuerabzug (ISLR).
Kontextualisierung der Sonderwirtschaftszonen in Venezuela
Nach der Verabschiedung des Gesetzes über die Regionalisierung von 2014 wurden die sogenannten strategischen Entwicklungszonen (Zonas de Desarollo Estratégico Nacional) geschaffen, die Freihäfen, Industrieparks und Freihandelszonen umfassen. Diese Zonen, die durch das Planwirtschaftsmodell gekennzeichnet sind, dienten ursprünglich der regionalen Entwicklung. Ihr Schwerpunkt lag auf branchenspezifischen Tätigkeiten für den inländischen Verbrauch mit einem geringen Internationalisierungsgrad. Alle diese alten Zonen sollen an die neuen Normen angepasst oder vollständig durch die Sonderwirtschaftszonen (Art. 7 und DT LOZEE) ersetzt werden. Da die Schaffung von ZEE in die ausschließliche Zuständigkeit des Präsidenten der Republik fällt, wird sie per Dekret erfolgen.
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