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Branchen | VAE | Autonomes Fahren
Dubai positioniert sich, um beim autonomen Fahren eine Führungsrolle einzunehmen. Neue Gesetzgebung bietet klare Richtlinien für den Testbetrieb im städtischen Bereich.
06.07.2020
Von Heena Nazir | Dubai
einmIm Rahmen der Smart Dubai 2021 Strategie hat die Wüstenmetropole den Anspruch im weltweiten Vergleich eine führende Rolle im urbanen Leben einzunehmen. Teil der Initiative ist ein zukunftsfähiges öffentliches Personennahverkehrssystem (ÖPNV) und die rapide Umsetzung des autonomen Fahrens. Bis zum Jahr 2030 sollen 25 Prozent aller Fahrten autonom erfolgen. Während die aktuelle Doppelbelastung aus Covid-19 und niedrigen Ölpreisen Projekte aufgrund knapper Kassen verzögert, wird an der Strategie festgehalten.
Der Ausbau des ÖPNV wurde vor allem im Emirat Dubai (Metro, Bus, Tram) forciert. Die restlichen Emirate hängen zurück (ausschließlich Bussysteme). Schätzungen zufolge nutzten im Jahr 2019 nur 12 Prozent der Bevölkerung den ÖPNV in Dubai (ohne Taxifahrten), während 83 Prozent der Nutzung auf den Pkw entfiel. Das ist ein deutlicher Anstieg, aber noch weit entfernt von führenden internationalen Metropolen wie New York (59 Prozent), oder London (37 Prozent). In der Hauptstadt Abu Dhabi entfiel auf die Nutzung des ÖPNV sogar nur 4,9 Prozent der Fahrten.
Neben dem Ausbau des autonomen ÖPNV will Dubai auch an vorderster Front bei autonomen Fahrzeugen mitmischen. Besonders im extrem heißen Sommer kommt es auf die "erste und letzte Meile" an, so bleibt der Fokus auf dem Individualverkehr. Dubais 3,4 Millionen Einwohner und besonders die auf 0,8 Millionen geschätzten Tagespendler aus Sharjah stehen häufig im Stau. Laut des Deloitte City Mobility Index belaufen sich die täglichen Pendlerzeiten in Dubai auf mehr als 1 Stunde. Autonomer Individualverkehr soll die Lösung bieten, um Zeit einzusparen (erhöhte Effizienz) bei gleichbleibender Letzter-Meile-Anbindung (Sicherstellung der Attraktivität).
Das lokale Ökosystem für autonomes Fahren bietet eine gute Voraussetzung. Dem "Autonomous Vehicle Readiness Index 2019" der Beratungsgesellschaft KPMG zufolge nehmen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) global den neunten Platz ein. Führende Positionen werden bei der Infrastruktur (Rang 1) und bei Konsumenteninteresse (Rang 3) erreicht. Die ausgezeichneten Straßen sind für die rapide Einführung von eigenständig fahrenden Fahrzeugen vorbereitet. Spezifisch besteht bereits ein weitgehend zukunftsfähiges Markierungs- und Beschilderungssystem.
Darüber hinaus besteht eine vergleichsweise große Anzahl kaufkräftiger Interessenten für autonome Fahrzeuge. Nach der Gesetzgebung ist die Nachfrage die zweitegrößte nichttechnische Hürde für autonome Fahrzeuge.
Als weitere Voraussetzung für autonomes Fahren der Stufe 4 (vollständig autonomes Fahren nach Society of Automotive Engineers, SAE) und höher, wird auch die flächendeckende Implementierung des 5G-Mobilfunkstandards gesehen. Regional sind die VAE in diesem Bereich ebenso führend. Laut der Telecommunications Regulatory Authority ist seit Anfang 2020 bereits 80 Prozent des urbanen Raums der VAE grundlegend mit 5G ausgestattet.
Auch bietet Dubai im weltweiten Vergleich den Vorteil einer integrierten Verkehrsorganisation. Die Dubai Road and Transport Authority (RTA) ist zentraler Anlaufpunkt und ausführende Instanz. Maßnahmen können so schneller auf neue Bedürfnisse angepasst werden.
Beispielsweise wurde der "RTA Masterplan - Intelligent Traffic Systems" (ITS) bereits 2019 eingeleitet. Der Fortschritt ist bisher jedoch langsam, aktuell wird für das 150-Millionen-US-Dollar-Projekt mit einer Fertigstellung im März 2021 gerechnet. Ziel ist die Erhöhung der Abdeckung des Straßennetzes mit ITS von Dubai von derzeit 11 Prozent auf 60 Prozent.
Im Juni 2020 wurde die RTA als Mitglied in die European Road Transport Telematics Implementation Coordination Organisation (ERTICO) aufgenommen. Die Plattform bietet eine weitere Möglichkeit, Expertise im Gebiet ITS auszubauen und vor allem Teil der Entwicklung internationaler Standards zu sein.
Dubai ist bemüht seinen Standort und seine Bestrebungen im Bereich der Zukunftstechnologien international zu platzieren. Im Jahr 2018 startete die RTA einen weltweiten Wettbewerb, die "Dubai World Self-Driving Challenge". Zuletzt wurden im Oktober 2019 die Gewinner bekannt gegeben. Das Team AutoNOMOS-Labs von der Freien Universität Berlin (Dahlem Center for Machine Learning and Robotics) erreichte den ersten Platz unter den akademischen Einrichtungen. Der nächste Kongress ist für Oktober 2021 angesetzt.
Für die Förderung des autonomen Fahrens setzt Dubais Regierung auf den Ansatz des Hybridmodells. Während direkt in autonome ÖPNV-Projekte investiert wird, soll eine innovationsfreundliche Gesetzesgrundlage für den autonomen Individualverkehr internationale Unternehmen anlocken.
Im Februar 2020 wurde die nächste Hürde in Richtung autonomes Fahren genommen. Die Umsetzung des Regierungsbeschlusses "Test Runs of Autonomous Vehicles in the Emirate of Dubai" bietet internationalen Herstellern einen klaren rechtlichen Rahmen. Umfangreiche Tests können im städtischen Gebiet auf Basis eines Vertrages mit der RTA erfolgen.
Die Emirates Authority for Standardization and Metrology (ESMA) ist mit der Erstellung der Gesetzgebung beauftragt. Laut eigenen Angaben sollen die endgültigen Richtlinien noch 2020 veröffentlicht werden. Branchenbeobachter sind aber skeptisch. Tatsächlich wäre aber auch das Angebot noch begrenzt. Der Großteil der Automobilunternehmen hat auch für 2021 noch kein Stufe-3/4-Fahrzeug in der Absatzplanung (teilweise oder vollständig autonomes Fahren nach SAE).
Die neuen Rahmenbedingungen sollen nun weitere Technologieführer nach Dubai locken. Bereits Ende November 2019 absolvierte Daimler den ersten Test im Nutzfahrzeugbereich (SAE Level 2). Ebenso testete Jaguar Land Rover im Oktober 2019 zuletzt einen PKW auf SAE Level 2 in Dubai. Die neue Gesetzgebung ebnet den Weg für Tests auf Level 3 und 4 im Emirat Dubai.