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Rechtsbericht Vereinigtes Königreich Brexit

Was beinhaltet das Windsor Framework außerhalb des Warenverkehrs?

Das Nordirland-Protokoll hat einige Unstimmigkeiten verursacht – nicht nur beim Warenhandel. Der nun vorliegende Plan würde Abhilfe schaffen.

Von Karl Martin Fischer, Nadine Bauer | Bonn

Das Nordirland-Protokoll ist Teil des Austrittsabkommens zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich (VK), das im Jahr 2020 in Kraft trat. Ziel des Protokolls ist es, eine Zollgrenze zwischen Nordirland und der Republik Irland zu vermeiden. Die nun getroffene Einigung, das sogenannte Windsor Framework, ändert und ergänzt das bestehende Protokoll.

Thema Subventionen – Wie wird ein Level Playing Field erreicht?

Bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem VK waren Subventionen ein wichtiges Thema, und zwar unter der Überschrift „Level playing field“. Die EU wollte vermeiden, dass sich das VK mit Hilfe von Subventionen unfaire Wettbewerbsvorteile verschaffen kann.

Das Thema war in Sachen Nordirland noch brisanter. Denn wettbewerbsverzerrende Subventionen in Nordirland wären Subventionen innerhalb des europäischen Binnenmarktes für Waren.  

Dementsprechend bestimmte Art. 10 des Protokolls, dass Staatsbeihilfen, die den Handel zwischen Nordirland und der EU betreffen, an den EU-Beihilferegeln gemessen werden. Das VK war besorgt über eine zu weite Anwendung des EU-Rechts, denn nach dem reinen Wortlaut hätten unter Umständen auch Fälle erfasst sein können, die einen Bezug zu Großbritannien (ohne Nordirland) haben. Hiermit hat sich der Gemeinsame Ausschuss (Joint Committee) schon im Dezember 2020 befasst und eine Klarstellung erreicht. 

Inzwischen ist im VK der neue Subsidy Control Act in Kraft getreten. In Bezug auf dieses Gesetz, so argumentierte das VK, sind aktuell keine Bedenken bekannt, was die Vereinbarkeit mit dem Anspruch des „Level playing field“ betrifft. 

Die Einigung im Windsor Framework baut auf der Klarstellung des Gemeinsamen Ausschusses auf und sieht vor, dass zusätzlich zu der Klarstellung bestimmte Kriterien erfüllt sein müssen, damit das EU-Recht Anwendung findet. So soll sichergestellt werden, dass nur Fälle mit klarem Nordirland-Bezug von den europäischen Regeln erfasst werden. Eine Änderung des Protokolls soll es hierzu aber nicht geben.

Anpassungen für Umsatzsteuer

Grundsätzlich galt und gilt: Nordirland gehört auch in Sachen Umsatzsteuer zum Vereinigten Königreich. In Art. 8 sah das Protokoll allerdings eine wichtige Ausnahme vor: für Waren gilt weiterhin das europäische Umsatzsteuerrecht. Das hängt damit zusammen, dass Nordirland, anders als Großbritannien, noch im EU-Binnenmarkt für Waren verblieben ist.

Allerdings: Durch diese Regelung ist faktisch nicht nur Nordirland, sondern das ganze VK an das Umsatzsteuerrecht der EU gebunden. Das gilt jedenfalls dann, wenn Divergenzen zwischen Großbritannien und Nordirland vermieden werden sollten. Und genau das war und ist die Absicht in London.

Zukünftig gibt es mehr Ausnahmen von dieser Regel. So soll das VK die Möglichkeit haben, für Güter, die nicht in den EU-Binnenmarkt gelangen (not at risk), den europäischen Rahmen der Umsatzsteuersätze (siehe Art. 96 ff der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie) zu verlassen. Hierzu soll es eine Liste von Produkten geben, für die dies gilt.

Ähnliches soll für Produkte gelten, die für den Gebrauch in Immobilien in Nordirland bestimmt sind. So sollen zukünftig Wärmepumpen und Sonnenkollektoren mit null Prozent Umsatzsteuer verkauft werden dürfen, wenn sie in Nordirland verbaut werden. Denn dann besteht keine Gefahr, dass sie in den EU-Binnenmarkt gelangen.

Außerdem gibt es eine Ausnahme für nordirische Unternehmen von der Anwendung der Richtlinie (EU) 2020/285 vom 18. Februar 2020 in Sachen „Sonderregelung für Kleinunternehmen“. Diese Richtlinie sieht eine Steuerbefreiung für Kleinunternehmen vor, wenn deren Umsatz unterhalb eines bestimmten Schwellenwertes liegt. Für Nordirland gäbe es in der Anwendung erhebliche Probleme, allein schon deswegen, weil der Schwellenwert für Waren und Dienstleistungen berechnet würde, während in Nordirland das EU-Umsatzsteuerecht nur für Waren gilt. 

Was ist die „Stormont Brake“?

Wenn einzelne europäische Regeln, die kraft des Protokolls in Nordirland gelten, besonders deutliche und anhaltende nachteilige Auswirkungen auf das tägliche Leben in Nordirland haben, dann soll die „Stormont Bremse“ gelten. Dabei handelt es sich um einen Mechanismus, der im Nordirischen Parlament (mit Sitz in Stormont) von 30 Mitgliedern mindestens zweier Parteien in Gang gesetzt werden kann.

Wenn die Bremse ausgelöst und die Bedingungen erfüllt sind, wird die betreffende Vorschrift in Nordirland automatisch ausgesetzt. Über das weitere Vorgehen beschließt dann der Gemeinsame Ausschuss. Bei dauerhafter Nichtanwendung einer Vorschrift kann die EU aufgrund der daraus resultierenden Divergenz der Regelungen in Nordirland und der Republik Irland geeignete Abhilfemaßnahmen ergreifen.

Weitere Details sollen im neuen Art. 13 Abs. 3a des Nordirland-Protokolls geregelt werden.

Die Rolle des EuGH

Da Nordirland weiterhin Teil des EU-Binnenmarktes bleibt, ändert sich auch nichts an der Jurisdiktion des EuGH: Dieser bleibt weiterhin die letzte richterliche Instanz. Allerdings werden bei Rechtsstreitigkeiten erst die Gerichte in Nordirland angerufen, bevor der Sachverhalt an das höchste europäische Gericht verwiesen wird.

Wie werden die Änderungen implementiert?

Die Änderungen sollen durch den Gemeinsamen Ausschuss implementiert werden. Dieser kann nach Art. 164 Abs. 5 d) des Austrittsabkommens bis Ende 2024 Änderungen des Austrittsabkommens beschließen, sofern diese notwendig sind, um Fehler zu beheben, Auslassungen oder andere Mängel zu beseitigen oder unvorhersehbare Probleme zu beseitigen. Einige Änderungen bedürfen aber gar keiner Änderung des Rechtstextes, sondern erfolgen durch eine gemeinsame Erklärung.

Eine Zustimmung durch das Parlament ist auf britischer Seite nicht erforderlich. Allerdings hat der Premierminister eine Abstimmung angekündigt und versprochen, das Votum zu respektieren. Ein Zeitpunkt steht noch nicht fest. Auf europäischer Seite müssen in Sachen Warenhandel noch einige Rechtsänderungen vorgenommen und von Rat und Parlament verabschiedet werden. Bis zum Inkrafttreten der Änderungen kann also noch etwas Zeit vergehen.

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