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Special Vietnam Digitale Wirtschaft
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens steht auf der Agenda der Regierung weit oben. Bei Finanzierung und Know-how aber gibt es noch offene Fragen.
18.05.2020
Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Hanoi
Vietnam will sein Gesundheitswesen digitalisieren. Erste Programme zur Einführung medizinischer Krankenakten und elektronischer Patientenkarten wurden 2019 gestartet. Telemedizin und eine elektronisch stärkere Anbindung von regionalen Satellitenkrankenhäusern sollen die Gesundheitsversorgung auf dem Land verbessern und den Strom von Patienten aus ländlichen Regionen in die städtischen Krankenhäuser eindämmen. Die Fernüberwachung von Patienten (Remote Patient Monitoring RPM) könnte die dezentrale Versorgung ausweiten und qualitativ verbessern.
Elektronische Krankenhausmanagementsysteme sollen dazu beitragen, stationäre und ambulante Patientenbehandlungen effizienter und damit zeit- und nervenschonender für alle Beteiligten durchzuführen. Erste Krankenhäuser wenden künstliche Intelligenz (KI) gerade im Bereich von Krebserkrankungen an und auch Robotik hat Einzug in zumindest einige wenige Operationssäle gefunden.
Technologisch dürfte das Land trotz seines Status als „lower middle income country“ für digitale Gesundheitsreformen gut aufgestellt sein. Die Durchdringung des Landes mit Internet ist so gut wie vollständig, 5G wird 2020 in den Zentren des Landes eingeführt werden und soll spätestens 2030 landesweit verfügbar sein. Smartphones sind allgegenwärtig und auch in den entlegensten Regionen des Landes sind Mobiltelefone verbreitet.
Die überwiegend junge Bevölkerung des Landes ist internetaffin und hat wenig technische Berührungsängste. Das Bewusstsein für den Schutz persönlicher Daten ist zwar in Ansätzen vorhanden, führt aber noch nicht dazu zu, sich digitalen Neuerungen zu verweigern.
Indikator | 2018 |
---|---|
Bevölkerungsgröße (in Mio.) | 94,6 |
Anzahl Ärzte pro 1.000 Einwohner | 0,86 |
Anzahl Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohner | 2,7 |
Gesundheitsausgaben pro Kopf (in US$) | 149,4 |
Anteil der Haushalte mit Internetzugang (in %) | 47,1 |
Internetnutzer/100 Einwohner | 70,3 |
Das Gesundheitsministerium hat im Oktober 2019 eine Strategie zur Entwicklung und Anwendung digitaler Gesundheitstechnologien verabschiedet.
Das „Scheme for Application and Development of Smart Healthcare Information Technology for the 2019 – 2025 Period“ sieht für 2020 und 2021 insbesondere die Einführung elektronischer Patientenakten und elektronischer Versichertenkarten vor. Bis 2025 sollen die Krankenakten von 95 Prozent der Patienten im Land elektronisch geführt sein.
Daneben steht die Entwicklung übergreifender Normen und Standards für die digitale Gesundheitswirtschaft im Fokus. Auch die Einführung digitaler Krankenhausmanagementsysteme und der Einsatz künstlicher Intelligenz bei Prävention und Behandlung soll bis 2025 auf den Weg gebracht werden. Federführend bei der Umsetzung ist die 2012 gegründete Electronic Health Administration.
Die Einführung eines national übergreifenden digitalen Gesundheitsnetzes dürfte noch ein steiniger Weg werden. Zwar sind laut dem Gesundheitsministerium 99,5 Prozent aller Gesundheitseinrichtungen an das Internet angebunden und mit dem vietnamesischen Sozialversicherungsträger des Landes vernetzt. Erste Krankenhäuser arbeiten auch bereits mit mehr oder weniger umfassenden elektronischen Krankenakten und integrieren elektronische Verfahren ihrer Arbeits- und Verwaltungsabläufe. Der rechtliche Rahmen für die Entwicklung digitaler Gesundheitsanwendungen hingegen ist noch lückenhaft.
Bei Patientenakten und Krankenhausverwaltungssystemen sind Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen zumindest im Hinblick auf Standards und Vorgaben weitestgehend auf sich allein gestellt. Die zuständige Electronic Health Administration muss verbindliche Standards erst erarbeiten.
Auch der Datenschutz hinkt der technischen Entwicklung des Landes hinterher. Das bislang bestehende medizindatenschutzrechtliche "Gerüst" ist fragmentiert und wenig systematisch. Das Problem ist aber erkannt. Drei verschiedene Datenschutzrichtlinien sind in Arbeit und sollen noch 2020 erlassen werden.
Das Cyber Security Law, Anfang 2019 in Kraft getreten, birgt weitere Unsicherheiten. Grundsätzlich sieht das Gesetz die Lokalisierung von Daten und damit die verpflichtende Nutzung von Servern und Datenbanken in Vietnam vor. Allerdings wurden noch keine Umsetzungsrichtlinien erlassen. Gerade im Cloud-Bereich, der auch in Vietnam bislang von ausländischen Anbietern wie Amazon, Microsoft Azure oder SAP beherrscht wird, ist die letztendliche Ausgestaltung des Gesetzes von erheblicher Bedeutung. So werden die Umsetzungsvorgaben darüber entscheiden, ob und welche Daten im Land selbst gespeichert werden müssen.
Auch wenn die Digitalisierung von Verwaltungs-, Untersuchungs- und Laborabläufen in Krankenhäusern auf der Agenda der Regierung ganz oben steht, dürfte die Umsetzung dieser Pläne sowohl im Hinblick auf das Know How der beteiligten Personen als auch in Bezug auf die Finanzierung schwierig werden. Denn im Wesentlichen beginnt die Digitalisierungsarbeit gerade in öffentlichen Einrichtungen bei Null. Noch sind Papier und Stempel die wichtigsten Utensilien der staatlichen Krankenhaus- und Patientenverwaltung.
Die zuständigen Entscheidungsträger haben bislang wenig Bewusstsein dafür, dass es allein mit dem Kauf eines neuen IT-Systems für ein Krankenhaus noch nicht getan ist, so Branchenexperten. Damit komplexe Systeme auf Dauer funktionsfähig bleiben können, müsse bereits bei Anschaffung und Installation eines Systems für Folgejahre mitgeplant werden. Mitarbeiter mit hinreichenden Planungs- und Managementfähigkeiten finden sich in Krankenhäusern und Aufsichtsbehörden aber noch selten.
Zudem sind Aufbau und insbesondere die Pflege von Datenbanken und IT-Systemen kostenintensiv. Bereits beim Kauf sollten nach Meinung von Experten jährlich rund 20 Prozent der Anschaffungskosten für den Betrieb der Systeme einberechnet werden. Diese Folgekosten werden von Entscheidungsträgern noch zu selten berücksichtigt.
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