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Rechtsbericht Welt Coronavirus

Welt: Coronavirus und die Haftungsbefreiung nach Art. 79 UN-Kaufrecht

Auf viele grenzüberschreitende Kaufverträge findet das UN-Kaufrecht Anwendung. Dieser Artikel behandelt die Haftungsentlastung nach Artikel 79 UN-Kaufrecht.

Von Dmitry Marenkov | Bonn

Einleitung

In Zeiten der Corona-Pandemie kann es vermehrt zu Störungen von Vertragsbeziehungen (Spät- oder Nichtlieferung, Zahlungsausfälle oder -verzögerungen) kommen. Es stellt sich die Frage, wer für dadurch entstandene Schäden einzustehen hat und ob sich eine Vertragspartei, die ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllt hat, durch eine Berufung auf außerhalb ihres Einflussbereichs liegenden Hinderungsgrund von der Haftung befreien kann. 

Auf eine Vielzahl von internationalen Kaufverträgen findet das UN-Kaufrechtsübereinkommen (UN-Kaufrecht, CISG) Anwendung. Dem UN-Kaufrecht liegt das Konzept der verschuldensunabhängigen Haftung zugrunde. Artikel 79 UN-Kaufrecht bildet eine wichtige Ausnahme und schützt Schuldner vor unüberschaubarem Haftungsrisiko, wenn die Vertragsverletzung auf Gründe außerhalb ihrer Einflusssphäre zurückzuführen ist.

Weiter Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts

Das UN-Kaufrechtsübereinkommen ist auf Kaufverträge über Waren zwischen Parteien anzuwenden, die ihre Niederlassung in verschiedenen Vertragsstaaten haben, oder wenn die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaats führen (Art. 1).

Dem UN-Kaufrecht sind bislang 94 Staaten beigetreten. Von den 27 EU-Mitgliedstaaten sind bislang nur Irland und Malta dem UN-Kaufrecht nicht beigetreten. 37 der 50 wichtigsten Handelspartner der Bundesrepublik Deutschland gehören dem UN-Kaufrecht an. Das UN-Kaufrecht ist somit für nahezu jeden deutschen Warenexport und für die Mehrzahl der Warenimporte relevant.

Das UN-Kaufrecht gilt nicht für Verträge hinsichtlich Wertpapiere, See- und Binnenschiffe oder Luftfahrzeuge sowie elektrische Energie. Ferner sind Konsumentenkäufe, sofern (ausschließlich) persönlicher Gebrauch für den Verkäufer erkennbar war, aus dem Anwendungsbereich ausgenommen (Art. 2).

Das UN-Kaufrecht ist Bestandteil des deutschen Rechts und geht als Spezialgesetz für den internationalen Warenkauf dem deutschen Schuldrecht (BGB, HGB) vor. Den Vertragsparteien steht es frei, die Geltung des UN-Kaufrechts auszuschließen. Zu beachten ist jedoch, dass eine Rechtswahlklausel zu Gunsten „deutschen Rechts“ oder des „schweizerischen Rechts“ nach ständiger Rechtsprechung die Anwendung des UN-Kaufrechts nicht ausschließt, da es ein integraler Bestandteil der jeweiligen Rechtsordnung ist.

Haftungsbefreiung nach Artikel 79 UN-Kaufrecht

Voraussetzungen

Gemäß Art. 79 UN-Kaufrecht hat eine Partei für die Nichterfüllung einer ihrer Pflichten nicht einzustehen, wenn sie beweist, dass die Nichterfüllung auf einem außerhalb ihres Einflussbereichs liegenden Hinderungsgrund beruht und dass von ihr vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund bei Vertragsabschluss in Betracht zu ziehen oder den Hinderungsgrund oder seine Folgen zu vermeiden oder zu überwinden.

Die Gerichte stellen strenge Anforderungen an die genannten Voraussetzungen, sodass die Berufung auf Art. 79 UN-Kaufrecht in den meisten Fällen ohne Erfolg bleibt. Das Vorbringen, dass die säumige Partei kein Verschulden trifft, reicht für eine Befreiung nicht aus.

Als Hinderungsgrund außerhalb des Einflussbereichs der vertragsbrüchigen Vertragspartei kommen vor allem Fälle höherer Gewalt wie Naturereignisse und -katastrophen (Erdbeben, Überschwemmung, Dürre) oder von Menschen geprägte Ereignisse wie Krieg, Aufstände oder Terroranschläge in Betracht. Auch Epidemien und die gegenwärtige Corona-Pandemie fallen grundsätzlich darunter. Darüber hinaus gehören staatliche Maßnahmen wie ein Ausfuhr- oder Einfuhrverbot, Devisenbeschränkungen, Embargos etc. zu dieser Kategorie.

Störungen bei der Organisation des Betriebes, finanzielle Schwierigkeiten, eine unerwartete Änderung der Marktlage, Insolvenz, Erkrankung von Teilen der Belegschaft, Störung der Energiezufuhr, Ausfall von Maschinen erfüllen dagegen in der Regel diese Tatbestandsvoraussetzung nicht.

Die Unvorhersehbarkeit hängt unter anderem mit dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses zusammen. Das Hindernis oder seine Konsequenzen müssen unvermeidbar und unüberwindbar sein. Dabei kommt es auf die vertraglich festgelegte Risikoverteilung an. Der Verkäufer trägt selbst unter komplizierten Bedingungen das Beschaffungsrisiko und ist auch dann zu erheblichen Mehraufwendungen verpflichtet, wenn die Leistungserbringung deutlich teurer wird und zu signifikanten Verlusten führt.

Die vertragliche Force-Majeure-Klausel kann die Hinderungsgründe und ihre Folgen präzisieren und die Regelung des Art. 79 UN-Kaufrecht ersetzen.

Mitteilungspflicht

Die Vertragspartei, die ihre vertragliche Pflicht nicht erfüllt, hat den Hinderungsgrund und seine Auswirkung auf ihre Fähigkeit zu erfüllen der anderen Partei innerhalb einer angemessenen Frist (meist unverzüglich) mitzuteilen.

Art der Haftungsbefreiung

Die Haftungsbefreiung tritt nur für die konkrete Pflicht ein, die der Schuldner nicht erfüllen kann, und nicht für den gesamten Vertrag.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Haftungsbefreiung nach Art. 79 Abs. 3 UN-Kaufrecht nur für die Zeit gilt, während der der Hinderungsgrund besteht.

Wichtig ist auch, dass Art. 79 Abs. 5 UN-Kaufrecht den Schuldner nur von Schadensersatzansprüchen befreit. Sonstige Rechtsbehelfe wie Erfüllungsanspruch (bei temporären Leistungshindernissen), Vertragsaufhebung, Minderung oder Zinsansprüche bleiben dagegen bestehen.

Artikel 79 UN-Kaufrecht regelt die Haftungsbefreiung abschließend. Ein Rückgriff auf die nationale Gesetzgebung findet nicht statt.

Vertragsgestaltung: Force-Majeure-Klausel

Für die Vertragsgestaltung empfiehlt sich eine detaillierte Force-Majeure-Klausel. Darin können die Vertragsparteien die Leistungshindernisse und die Folgen für die Vertragsabwicklung genau festlegen. Aufgrund des dispositiven Charakters des Art. 79 UN-Kaufrechts, treten solche Force-Majeure-Klauseln an die Stelle der hier behandelten Vorschrift. Die Internationale Handelskammer (ICC) hat Mitte 2020 die Muster-Force-Majeure-Klausel aktualisiert, die in die Verträge aufgenommen werden kann.

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