Einbußen durch die Covid-19-Pandemie führen auch bei Unternehmen in Iran zu erheblichen Zahlungsschwierigkeiten. Was ist bei einer Insolvenz zu beachten?
Rechtsgrundlagen des iranischen Insolvenzrechts
Das Insolvenzrecht in Iran ist im Handelsgesetzbuch des Landes, bereits aus dem Jahre 1932, geregelt. Ab Teil elf und Artikel 412 ff. des Gesetzes finden sich ausführliche Bestimmungen zur Insolvenz von Kaufleuten und Unternehmen. 1965 erfolgte die letzte nennenswerte grundlegende Reformierung des Handelsgesetzbuchs.
Ein weiterer Grundpfeiler des iranischen Wirtschaftsrechts mit Bezügen zum Insolvenzrecht, ist das iranische Zivilgesetzbuch, das bereits aus dem Jahre 1929 stammt. Dort dominiert zwar schiitisch-islamisches Recht, der Aufbau ist jedoch stark an den französischen Code Civil angelehnt.
Grundzüge des iranischen Insolvenzrechts
Innerhalb von drei Tagen, nachdem ein Kaufmann bzw. ein Unternehmen die Zahlung von Schulden oder anderer Verbindlichkeiten eingestellt haben, muss er oder es die Zahlungsunfähigkeit dem Gericht erster Instanz an dem Ort melden, wo der Kaufmann bzw. das Unternehmen seinen Sitz haben. Dem Büro des Gerichts sind die Bilanz und alle Bücher des Unternehmens auszuhändigen.
Zudem sind auch folgende Unterlagen des Schuldners erforderlich:
1. Eine detaillierte Erklärung mit Angabe des Wertes des gesamten beweglichen und unbeweglichen Vermögens.
2. Eine Erklärung über sein gesamtes Vermögen und seine Verbindlichkeiten.
3. Eine Gewinn- und Verlustrechnung und eine Aufstellung der persönlichen Ausgaben.
Ein Händler bzw. Unternehmen wird im Anschluss daran nur auf Antrag vom Gericht erster Instanz für zahlungsunfähig erklärt. Diesen Antrag können stellen:
- der Händler oder das Unternehmen selbst,
- einer oder mehrere Gläubiger,
- der Staatsanwalt des Gerichts erster Instanz.
Ab dem Zeitpunkt dieser sogenannten Insolvenzeröffnung wird dem Schuldner dann sein gesamtes Vermögen entzogen, auch jegliches Vermögen, das auf ihn übergeht, solange er sich im Zustand der Insolvenz befindet.
In der Insolvenzverfügung, oder spätestens innerhalb von fünf Tagen nach dieser Verfügung, hat das Gericht auch eine Person, die in der Eigenschaft des sogenannten „Abwicklers“ (Liquidator) tätig wird, zu ernennen.
Jeder Gläubiger, der ein Verfahren in Bezug auf bewegliches oder unbewegliches Vermögen gegen einen Schuldner erwägt, muss nach der Insolvenzerklärung diesen sogenannten „Abwickler“ (Liquidator) benachrichtigen, der eine Liste der gesamten Gläubiger mit Namen, Adressen und der jeweils exakten Forderungshöhe erstellt. Weiter veröffentlicht der „Abwickler“ dann zwei wiederkehrende Anzeigen, eine im offiziellen Gesetzblatt Irans, und eine in einer örtlichen Tageszeitung. Damit sollen die Öffentlichkeit und etwaige weitere Gläubiger, die noch keine Kenntnis des Verfahrens haben, über die Eröffnung informiert werden.
Nichtig sind weiter folgende Handlungen des Schuldners, wenn sie nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfolgen:
1. jeder freiwillige Vergleich, jede Schenkung unter Lebenden und allgemein jede Übertragung von beweglichen oder unbewegliches Vermögen, außer gegen Entgelt;
2. jede Zahlung von fälligen oder nicht fälligen Schulden;
3. jedes Geschäft, das sich auf bewegliches oder unbewegliches Vermögen bezieht und den Interessen der Gläubiger entgegensteht.
In dem Beschluss, mit dem die Insolvenz eines Händlers bzw. eines Unternehmens erklärt wird, ernennt das Gericht auch einen Insolvenzverwalter (Receiver).
Die durch Verpfändungen gesicherten Gläubiger werden in ein Verzeichnis der Gläubiger eingetragen. Der „Abwickler“ stellt dem amtlichen Insolvenzverwalter dann eine Liste der Gläubiger zur Verfügung, die durch Verpfändung gesichert sind. Der Insolvenzverwalter genehmigt, falls erforderlich, die Befriedigung solcher Gläubiger aus den ersten erhaltenen Geldern. Wird ein solches Vorrecht von anderen Gläubigern angefochten, so ist die Angelegenheit an das Gericht zur Beilegung zu verweisen.
Was tun bei Insolvenz eines iranischen Geschäftspartners?
Das meist genutzte Mittel bei Insolvenz eines Unternehmens in Iran ist ein Vergleich oder eine Vereinbarung zwischen einem Schuldner und seinen Gläubigern. Eine solche Vereinbarung muss von mindestens der Hälfte der Gläubiger plus einem (+1) akzeptiert werden.
Kein Vergleich kann allerdings abgeschlossen werden, wenn ein Händler bzw. Unternehmen wegen Insolvenzverschleppung strafrechtlich verfolgt wird oder deswegen bereits strafrechtlich verurteilt wurde.
Sobald der Vergleich bestätigt ist, ist er für die Gläubiger, die der Mehrheit angehörten oder innerhalb von zehn Jahren dem Vergleich zugestimmt haben, ab dem Tage der Bestätigung rechtsverbindlich. Die Gläubiger, die weder der Mehrheit angehörten, noch dem Vergleich zugestimmt haben, können aber trotzdem noch auf Antrag aus der Insolvenzmasse ihren Anteil erhalten.
Wenn eine Gesellschaft für insolvent erklärt wird, können die Gläubiger einem Vergleich mit dem Unternehmen selbst oder auch ausschließlich mit einem oder mehreren der persönlich haftenden Gesellschafter zustimmen. Im letzteren Fall unterliegt das Vermögen der Firma den Bestimmungen dieses Vergleichs und wird zwischen den Gläubigern geteilt; das persönliche Eigentum der Gesellschafter mit denen der Vergleich geschlossen wurde, wird von der Verteilung ausgeschlossen. Die persönlich haftenden Gesellschafter, mit denen ein privater Vergleich geschlossen wurde, verpflichten sich aber, eine Dividende nur aus ihrem persönlichen Nachlass zu zahlen. Der Gesellschafter, der Teil eines Vergleiches ist, wird von jeglicher gesamtschuldnerischen Haftung frei, falls eine solche besteht.
Falls es doch zum Rechtsstreit vor iranischen Gerichten kommt, werden ausländische Personen oder Unternehmen in Insolvenzverfahren, sowohl als Schuldner als auch als Gläubiger, wie iranische Staatsbürger bzw. Unternehmen behandelt.
Weitere Länderberichte zum Thema finden Sie unter: Welt: Coronavirus und Insolvenz.
GTAI-Themenspecial Coronavirus: Über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie auf Auslandsmärkte sowie damit verbundene rechtliche und zollrechtliche Fragestellungen berichten wir in unserem Themenspecial.
Von Jakob Kemmer
|
Bonn