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Klimaschutz-Atlas

Zusammenfassung: Welche Erkenntnisse bietet der Klimaschutzatlas?

Der Klimaschutzatlas analysiert die Klimastrategien in 33 Ländern und zeigt, wie Unternehmen vor Ort sie einschätzen.

Von Marcus Knupp, Martin Knapp (DIHK) | Berlin

Um den Ausstoß von Treibhausgasen ausreichend zu begrenzen und die Resilienz menschlicher Gesellschaften und natürlicher Ökosysteme zu erhöhen, müssen nach Analyse des World Resources Institute zwischen 2030 und 2050 pro Jahr weltweit 5 Billionen US-Dollar investiert werden. Das wären bei einer angenommenen regelmäßigen Steigerung ab 2022 insgesamt schwindelerregende 125 Billionen US-Dollar.

Wo stehen die Regierungen, wo stehen Unternehmen angesichts dieser Herausforderung? Die Aussagen zum geplanten Investitionsvolumen sind erwartungsgemäß heterogen. Aus konkreten Förderprogrammen, offiziellen Zielsetzungen, theoretischen Bedarfsplanungen und unverbindlichen Verlautbarungen der 33 in den 2023 aktualisierten Klimaschutzatlas einbezogenen Länder lässt sich eine Summe von circa 52 Billionen US-Dollar bilden. Das ist fast doppelt so viel wie noch ein Jahr zuvor. Inhalt, Zeitrahmen und Relevanz der Zahlen sind wohlgemerkt in hohem Maße uneinheitlich. Die Wahrnehmung einer zunehmenden Dringlichkeit spiegelt sich darin jedoch deutlich wider.

Mit viel gutem Willen wären somit rund 40 Prozent des hypothetischen Bedarfs gedeckt. Das erscheint zu wenig. Auf der anderen Seite sind aber auch 52 Billionen kaum gedanklich fassbar. Wie kommt die Summe zustande? Wie konkret sind die Planungen der Länder? Und in welche Bereiche sollen Investitionen vor allem fließen? Das analysieren wir in unserem Klimaschutzatlas.

Ergänzt wird die Analyse durch Stimmungsbilder, welche die DIHK durch eine Umfrage unter mehr als 2.800 Mitgliedsfirmen der deutschen Auslandshandelskammern (AHK) im Frühjahr 2022 gewonnen hat. Dabei geht es um Fragen wie: Welchen Stellenwert hat der Klimawandel in der öffentlichen Diskussion eines Landes? Wie denkt man dort über den Wasserstoff oder über die nachhaltige Unternehmensfinanzierung? Wie sehen die Unternehmen den Sachstand im Hinblick auf die Energiewende? Wie wird sich die CO2-Bepreisung auf den bilateralen Handel mit dem jeweiligen Land voraussichtlich auswirken? Welche Geschäftschancen bieten sich vor Ort für deutsche Unternehmen im Hinblick auf den Klimawandel?

Fokus Dekarbonisierung der Industrie

Ein Schwerpunkt der für 2023 aktualisierten Fassung des Klimaschutzatlas ist der industrielle Sektor. An der gesamten Verursachung von Treibhausgasemissionen hat die industrielle Produktion nach Daten der Internationalen Energieagentur IEA einen Anteil von 24 Prozent. Ein Großteil davon entfällt auf wenige besonders energieintensive Branchen: die Eisen- und Stahlindustrie, Chemie und Petrochemie, die Herstellung von Zement, Glas und Baustoffen sowie die Papierindustrie. Eine vergleichsweise kleine Zahl von Akteuren kann hier schnell große Erfolge herbeiführen. Technische Lösungen dafür werden immer klarer erkennbar. Ihre Umsetzung erfordert allerdings enorme Investitionen.

Auffallend ist die große Spannbreite der Strategien auf dem Weg zu einer dekarbonisierten Industrie. Während einige Länder sehr detaillierte Vorgaben für einzelne Industriesparten mit konkretem Zeitplan machen, etwa China, Japan, Spanien oder das Vereinigte Königreich, setzen andere vor allem auf einen großzügigen finanziellen Rahmen wie die USA mit dem Inflation Reduction Act (IRA). Bei einer dritten Gruppe bleiben die Ziele und Vorgaben eher zurückhaltend, etwa in Indien, Italien oder Polen. Das heißt aber keineswegs automatisch, dass die Anstrengungen der Industrie hier geringer wären. Globale Standards und Handelsverflechtungen, steigende Energiepreise oder die Aussicht auf effizientere Produktionsverfahren bringen auch in diesen Ländern Unternehmen zu Innovationen wie der Direktreduktion in der Eisenverhüttung, alternativen Rohmaterialen und Energiequellen sowie der Abscheidung, Lagerung und Wiederverwendung von überschüssigem Kohlendioxyd.

Die wichtigsten Erkenntnisse der Länderanalysen

Das Ziel allein ist noch nicht der Weg

Engagierten Zielsetzungen wie "Neutralität der Treibhausgasemissionen bis 2050" stehen in vielen Fällen nur wenige konkrete Maßnahmen zu ihrer Erreichung gegenüber.

Beispiel: Der Erdölproduzent Saudi-Arabien strebt bis 2060 Klimaneutralität an, hat bisher aber nicht dargelegt, wie das Ziel erreicht werden soll. Thailand will das Net-Zero-Ziel bis 2065 verwirklichen, lässt de facto aber zunächst einen weiteren Anstieg der Treibhausgasemissionen zu und will spätere Emissionen durch Aufforstungen kompensieren.

Weniger ist manchmal mehr

Konkrete und abrufbare Förderprogramme haben in der Regel ein kleineres Volumen als globale Planungen für die Zukunft. Unternehmen können aber vor allem von konkreten Programmen profitieren.

Beispiel: Länder wie Indien oder Polen halten sich mit festen Reduktionszielen zurück und verweisen auf den Schutz ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. Gleichzeitig legen sie verschiedene gezielte Förderprogramme auf, etwa im Bereich erneuerbare Energien.

Internationale Zusammenarbeit ist notwendig

Viele Länder haben selbst nicht die finanziellen Mittel, um ihre Ziele im Klimaschutz zu erreichen. Sie fordern zum Teil offen die Unterstützung internationaler Geber ein.

Beispiel: Pakistan will seine Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber einem Basisszenario um 50 Prozent senken – ohne internationale Hilfe allerdings nur um 15 Prozent. Ähnliche Aussagen haben auch Algerien, Irak, Kasachstan, Nigeria oder Vietnam getroffen.

Bremsen statt Flucht nach vorne

Die größten Anstrengungen gelten der Reduzierung von Treibhausgasemissionen, also dem Versuch, die globale Erwärmung zu begrenzen. Die Adaptation, also eine Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels, steht dagegen bisher weniger im Fokus.

Beispiel: Auch im Inselstaat Indonesien, dessen Hauptstadt Jakarta akut von Überflutungen betroffen ist, konzentriert sich die Klimapolitik auf den CO2-Ausstoß, Emissionshandel oder Pläne für mehr Elektromobilität. Trotz Planung einer neuen Hauptstadt stehen Veränderungen der Siedlungsstruktur selbst hier wie weltweit noch kaum im Fokus.

Neue Technologien in bewährten Bereichen

Erneuerbare Energien, alternative Antriebe, effiziente Produktionsprozesse, Smart Cities und Passivhäuser – technische Lösungen bieten konkrete Geschäftschancen. Weniger greifbar sind Strategien zur Landnutzung, zum Umgang mit steigendem Meeresspiegel und Hitzewellen, klimabedingter Migration und dem Erhalt der Biodiversität.

Beispiel: Einschneidende Ereignisse wie Dürren zwingen Länder wie Südafrika oder Australien, den Blick auf größere Zusammenhänge zu richten. Wenn die Wasserversorgung oder der Erhalt von Lebensräumen auf dem Spiel steht, reicht es nicht, Windräder und Elektroautos zu fördern.

Daraus folgt für Unternehmen:

Weltweit zunehmende Geschäftsvolumina in Bereichen wie erneuerbaren Energien, Energieeffizienz in Gebäuden und Industrie oder emissionsarmen Transportlösungen. Aber auch noch viel Bedarf für Beratung und Planung, auf welchen Wegen Klimaziele erreicht werden können. Und vor allem ein immenser Spielraum – und Notwendigkeit – für Innovationen auf allen Ebenen.

Was denkt die Wirtschaft?

Die Befragung von über 2.800 Mitgliedsunternehmen der deutschen Auslandshandelskammern (AHK) im Frühjahr 2022 spiegelt zum Teil die Analyse, bringt aber auch einige überraschende Ergebnisse zutage. Vorauszuschicken ist, dass die Antworten in den einzelnen Ländern oft stark streuen, was in den Mittelwerten nicht immer erkennbar ist. Das bestätigt den in den Analysen gewonnenen Eindruck der Heterogenität der nationalen Klimastrategien.

Auffallend ist, dass das Thema Klimawandel generell praktisch weltweit einen ähnlich hohen Stellenwert besitzt. Es wird also keineswegs als "Luxusproblem" der Industrieländer wahrgenommen. Auch in vielen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas steht es weit oben auf der Agenda. Fast ebenso weltumspannend ist die Einschätzung, dass nur sehr wenige Länder eine überzeugende Strategie für die Energiewende hin zu Erneuerbaren haben.

In diesem Bereich sehen die befragten Unternehmen nichtsdestotrotz in den meisten Ländern die größten Geschäftschancen, gefolgt von Technologien der Energieeffizienz in Industrie und Gebäuden. Die Nutzung von Wasserstoff wird dagegen nicht überall als Patentlösung für Energiefragen gesehen.

Eine Gesamtauswertung der Befragung finden Sie hier.

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