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Welche Einsichten liefert die Analyse der Klimastrategien in 34 Ländern? Wie werden sie von Unternehmen vor Ort eingeschätzt?
17.07.2022
Von Marcus Knupp, Martin Knapp (DIHK) | Berlin
Es muss etwas geschehen, um den globalen Klimawandel zu verlangsamen. Darüber sind sich die Regierungen rund um den Globus heute weitgehend einig. Immer wichtiger wird es zudem, sich an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen oder auf das vorzubereiten, was noch kommt. Diese Erkenntnis gewinnt langsam an Boden.
Beides erfordert gewaltige Anstrengungen. Um die Emissionen von Treibhausgasen ausreichend zu begrenzen und die Resilienz menschlicher Gesellschaften und natürlicher Ökosysteme gegenüber dem sich wandelnden Klima zu erhöhen, müssen nach Analyse des World Resources Institute zwischen 2030 und 2050 pro Jahr 5 Billionen US-Dollar investiert werden. Das wären bei einer angenommenen regelmäßigen Steigerung ab 2022 insgesamt schwindelerregende 125 Billionen US-Dollar.
Wo stehen die Regierungen, wo stehen Unternehmen angesichts dieser Herausforderung? Die Aussagen zum geplanten Investitionsvolumen sind erwartungsgemäß heterogen. Aus konkreten Förderprogrammen, offiziellen Zielsetzungen, theoretischen Bedarfsplanungen und unverbindlichen Verlautbarungen der 34 in den Klimaschutzatlas einbezogenen Länder lässt sich eine Summe von circa 26 Billionen US-Dollar bilden. Inhalt, Zeitrahmen und Relevanz der Zahlen sind wohlgemerkt in hohem Maße uneinheitlich.
Mit viel gutem Willen wären somit rund 20 Prozent des hypothetischen Bedarfs gedeckt. Das erscheint wenig. Auf der anderen Seite sind aber auch 26 Billionen kaum gedanklich fassbar. Wie kommt die Summe zustande? Wie konkret sind die Planungen der Länder? Und in welche Bereiche sollen Investitionen vor allem fließen? Das analysieren wir in unserem Klimaschutzatlas.
Ergänzt wird die Analyse durch Stimmungsbilder, die der DIHK durch eine Umfrage unter mehr als 2.800 Mitgliedsfirmen der deutschen Auslandshandelskammern (AHK) gewonnen hat. Dabei geht es um Fragen wie: Welchen Stellenwert hat der Klimawandel in der öffentlichen Diskussion eines Landes? Wie denkt man dort über den Wasserstoff oder über die nachhaltige Unternehmensfinanzierung? Wie sehen die Unternehmen den Sachstand im Hinblick auf die Energiewende? Wie wird sich die CO2-Bepreisung auf den bilateralen Handel mit dem jeweiligen Land voraussichtlich auswirken? Welche Geschäftschancen bieten sich vor Ort für deutsche Unternehmen im Hinblick auf den Klimawandel?
Engagierten Zielsetzungen wie "Neutralität der Treibhausgasemissionen bis 2050" stehen in vielen Fällen nur wenige konkrete Maßnahmen zu ihrer Erreichung gegenüber.
Beispiel: Der Erdölproduzent Saudi-Arabien strebt bis 2060 Klimaneutralität an, hat bisher aber nicht dargelegt, wie das Ziel erreicht werden soll. Thailand will das Net-Zero-Ziel bis 2065 verwirklichen, lässt de facto aber einen weiteren Anstieg der Treibhausgasemissionen zu.
Konkrete und abrufbare Förderprogramme haben in der Regel ein kleineres Volumen als globale Planungen für die Zukunft. Unternehmen können aber vor allem von konkreten Programmen profitieren.
Beispiel: Länder wie Indien oder Polen halten sich mit festen Reduktionszielen zurück und verweisen auf den Schutz ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. Gleichzeitig legen sie verschiedene gezielte Förderprogramme auf, etwa im Bereich erneuerbare Energien.
Viele Länder haben selbst nicht die finanziellen Mittel, um ihre Ziele im Klimaschutz zu erreichen. Sie fordern zum Teil offen die Unterstützung internationaler Geber ein.
Beispiel: Pakistan will seine Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber einem Basisszenario um 50 Prozent senken – ohne internationale Hilfe allerdings nur um 15 Prozent. Ähnliche Aussagen haben auch Algerien, Irak, Kasachstan oder Nigeria getroffen.
Die größten Anstrengungen gelten der Reduzierung von Treibhausgasemissionen, also dem Versuch, die globale Erwärmung zu begrenzen. Die Adaptation, also eine Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels, steht dagegen bisher weniger im Fokus.
Beispiel: Auch im Inselstaat Indonesien, dessen Hauptstadt Jakarta akut von Überflutungen betroffen ist, konzentriert sich die Klimapolitik auf den CO2-Ausstoß, Emissionshandel oder Pläne für mehr Elektromobilität. Trotz Planung einer neuen Hauptstadt stehen Veränderungen der Siedlungsstruktur selbst hier wie weltweit noch kaum im Fokus.
Erneuerbare Energien, alternative Antriebe, effiziente Produktionsprozesse, Smart Cities und Passivhäuser – technische Lösungen bieten konkrete Geschäftschancen. Weniger greifbar sind Strategien zur Landnutzung, zum Umgang mit steigendem Meeresspiegel und Hitzewellen, klimabedingter Migration und dem Erhalt der Biodiversität.
Beispiel: Einschneidende Ereignisse wie Dürren zwingen Länder wie Südafrika oder Australien, den Blick auf größere Zusammenhänge zu richten. Wenn die Wasserversorgung oder der Erhalt von Lebensräumen auf dem Spiel steht, reicht es nicht, Windräder und Elektroautos zu fördern.
Weltweit zunehmende Geschäftsvolumina in Bereichen wie erneuerbaren Energien, Energieeffizienz in Gebäuden und Industrie oder emissionsarmen Transportlösungen. Aber auch noch viel Bedarf für Beratung und Planung, auf welchen Wegen Klimaziele erreicht werden können. Und vor allem ein immenser Spielraum – und Notwendigkeit – für Innovationen auf allen Ebenen.
Die Befragung von über 2.800 Mitgliedsunternehmen der deutschen Auslandshandelskammern (AHK) spiegelt zum Teil die Analyse, bringt aber auch einige überraschende Ergebnisse zutage. Vorauszuschicken ist, dass die Antworten in den einzelnen Ländern oft stark streuen, was in den Mittelwerten nicht immer erkennbar ist. Das bestätigt den in den Analysen gewonnenen Eindruck der Heterogenität der nationalen Klimastrategien.
Auffallend ist, dass das Thema Klimawandel generell praktisch weltweit einen ähnlich hohen Stellenwert besitzt. Es wird also keineswegs als "Luxusproblem" der Industrieländer wahrgenommen. Auch in vielen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas steht es weit oben auf der Agenda. Fast ebenso weltumspannend ist die Einschätzung, dass nur sehr wenige Länder eine überzeugende Strategie für die Energiewende hin zu Erneuerbaren haben.
In diesem Bereich sehen die befragten Unternehmen nichtsdestotrotz in den meisten Ländern die größten Geschäftschancen, gefolgt von Technologien der Energieeffizienz in Industrie und Gebäuden. Die Nutzung von Wasserstoff wird dagegen nicht überall als Patentlösung für Energiefragen gesehen.
Eine Gesamtauswertung der Befragung finden Sie hier.