Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Wirtschaftsumfeld | Entwicklungsländer | Entwicklungszusammenarbeit

Weltbank und Co. setzen auf Nachhaltigkeit in der Vergabe

Nachhaltige Beschaffung gewinnt bei Projekten von Entwicklungsbanken im Zuge eines stärkeren Qualitätsfokus an Bedeutung. Dadurch verändern sich die Zuschlagskriterien.

Von Dorothea Netz | Bonn

Entwicklungsbanken wie die Weltbank und die KfW Entwicklungsbank finanzieren jährlich Vorhaben in Milliardenhöhe. Die Projekte werden von Institutionen im Zielland umgesetzt. Die nationalen Stellen sind dabei auch zuständig für den Einkauf von Dienstleistungen, Sachgütern und Bauleistungen. Für diese Prozesse machen die Banken Beschaffungsvorgaben und legen Umwelt- und Sozialstandards fest.

Seit mehr als zehn Jahren gibt es Ansätze, um vermehrt Qualitätskriterien für die Auswahl des besten Angebots heranzuziehen. Zuvor war die Selektion der Angebote rein aufgrund des Preises Standard. Zu qualitativen Auswahlkriterien gehören auch Nachhaltigkeitsaspekte, die in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen haben.

Die Weltbank zum Beispiel definiert nachhaltige Beschaffung als einen "Prozess, bei dem öffentliche Organisationen ihren Bedarf an Waren, Dienstleistungen, Bauleistungen und Versorgungsleistungen so decken, dass über den gesamten Lebenszyklus hinweg ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis erzielt wird, das nicht nur der Organisation, sondern auch der Gesellschaft und der Wirtschaft Vorteile bringt und gleichzeitig die Umweltbelastung minimiert."

Chancen für deutsche Bieter

Eine stärkere Fokussierung auf Nachhaltigkeitsaspekte in den Ausschreibungen im Rahmen von Entwicklungsprojekten kann vorteilhaft für Firmen aus Deutschland sein. Diese erfüllen oftmals geforderte Nachhaltigkeitsstandards und bringen entsprechenden Kenntnisse und technische Voraussetzungen mit. Auch dass die gesamten Lebenszykluskosten des Produkts in den Fokus rücken, und nicht nur die Anschaffungskosten, kommt ihnen zu gute. Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass die Entwicklungsbanken vermehrt auf eine frühe Kontaktaufnahme zu Unternehmen und Verbänden setzen. So wollen sie sich einen Überblick über auf dem Markt verfügbare nachhaltige Lösungen schaffen. Solche Markterkundungen bieten Chancen, um zum Beispiel innovative klimafreundliche Produkte und Dienstleistungen vorzustellen. Bei neuartigen Problemstellungen kann auch das Konzept des Value-Engineering genutzt werden, bei dem der Fokus auf der besten Lösung und nicht auf der Erfüllung technischer Anforderungen liegt.

Die Förderung der lokalen Wirtschaft ist bei vielen Banken ebenfalls ein Nachhaltigkeitskriterium. Das kann wiederum nachteilig für deutsche Unternehmen wirken, wenn sie nicht über lokale Niederlassungen verfügen. Nachhaltigkeitsanforderungen erhöhen teils auch die Komplexität der Regularien, was kleinere Unternehmen überfordern kann.

Um von Nachhaltigkeitskriterien profitieren zu können, sollten Unternehmen ihre Sozial- und Umweltbemühungen dokumentieren. Auf Unternehmensebene können das Nachweise über den CO₂-Fußabdruck oder Nachhaltigkeitszertifikate sein. Auf Produktebene sollten Nachhaltigkeitsvorteile, wie zum Beispiel Energieeffizienz oder Klimafreundlichkeit, erfasst und dokumentiert werden.

Inhaltlich ähneln die Themen und Anwendungsfälle denen im europäischen und deutschen Vergaberecht, wo das Thema nachhaltige Beschaffung in den letzten Jahren an Relevanz gewonnen hat.

Beispiele für Nachhaltigkeitsanforderungen bei EZ-Aufträgen:

Wasserinfrastruktur: Nachhaltige technische Spezifikationen (zum Beispiel energieeffiziente Pumpen), Umweltverträglichkeitsprüfung, Lebenszykluskostenanalyse

Energie: Berücksichtigung von CO₂-Einsparpotenzialen, Nachhaltige Lieferketten (zum Beispiel bei Solarmodulen), Einsatz von Smart Grids und LED-Technologien, Energieeffizienz 

Transport: Minimierung von Flächenverbrauch und Emissionen, Einsatz emissionsarmer Maschinen, Biodiversitäts- und Lärmschutzmaßnahmen

Gemeinsame Prinzipien, individuelle Regularien

Die großen multilateralen Entwicklungsbanken (MDBs) haben 2023 ein gemeinsames Statement zum Thema nachhaltige Beschaffung veröffentlicht, in dem sie ihr gemeinsames Verständnis und geplante Aktivitäten darlegen. Die MDBs möchten aktiv ökologische, soziale, wirtschaftliche und institutionelle Nachhaltigkeitsergebnisse in den Zielländern fördern, sowohl auf der Ebene des nationalen öffentlichen Beschaffungswesens als auch im Rahmen der Projektbeschaffung. Damit möchten sie einen Wandel für Umwelt und Gesellschaft und auch entsprechende Marktinnovationen fördern. 

Auch wenn die Grundlagen für nachhaltige Beschaffung bei allen Banken ähnlich sind, hat jede Organisation ihre eigenen Richtlinien. Dabei legen sie meist Umwelt- und Sozialstandards und Richtlinien zur nachhaltigen Beschaffung fest. Die erstgenannten Standards sind verpflichtend und betreffen nicht nur das Beschaffungswesen. Sie geben der meist staatlichen Durchführungsorganisation verbindliche Standards für das Umwelt- und Sozialrisikomanagement bei der Projektumsetzung vor. Bei der Weltbank sind diese Vorgaben zu Sicherheit, Arbeitnehmerrechten, der Vermeidung von Kinder- und Zwangsarbeit, Geschlechtergerechtigkeit und Umweltauflagen im Environmental and Social Framework aufgeführt. 

Über diese Standards hinaus haben viele Entwicklungsbanken Hinweise und Vorgaben zur Nachhaltigkeit direkt in ihre übergreifenden Beschaffungsrichtlinien integriert. Oftmals ist bei der Planung des Beschaffungsverfahrens ein Nachhaltigkeitscheck verpflichtend. Einige Banken haben zusätzlich auch ausführliche Guidelines für nachhaltige Beschaffung, die Optionen für verschiedene Anwendungsfälle beinhalten. Ein Beispiel ist die Toolbox zur nachhaltigen Beschaffung der KfW Entwicklungsbank. Auch Asiatische Entwicklungsbank (ADB), Weltbank und Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) haben Nachhaltigkeits-Leitlinien für die Projektbeschaffung entwickelt.

Ansatzpunkte von der Projektplanung bis zum Vertrag

In den Beschaffungsrichtlinien und Handreichungen wird beschrieben, wie Nachhaltigkeitsaspekte an verschiedenen Stellen des Planungs- und Vergabeprozesses integriert werden können. Viele Entwicklungsbanken nutzen gemeinsam mit Kreditnehmern schon in der Konzeptionsphase Stellschrauben für nachhaltige Beschaffung in der Projektumsetzung. Oftmals variieren die verbindlichen Nachhaltigkeitskriterien je nach Größe des Vorhabens nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Zum einen gibt es Mindest-Vorgaben mit Nachhaltigkeitsbezug, die für eine Berücksichtigung des Angebots erfüllt sein müssen. Nachhaltigkeitsaspekte können aber auch als qualitative Selektionskriterien bei der Angebotsauswahl genutzt werden. Bei den Kostenberechnung können Methoden zugrunde gelegt werden, die Nachhaltigkeits-Gemeinkosten getrennt von anderen Vertragsergebnissen betrachten.

Nachhaltigkeitsstellschrauben im VergabeprozessBei Aufträgen im Projektgeschäft internationaler Entwicklungsbanken
PhaseMaßnahme
Vor ProjektbeginnIntegration von Nachhaltigkeitsvorgaben und -optionen in Beschaffungsregularien
 Durchführen von Branchendialogen zu Nachhaltigkeitsthemen
 Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsthemen im Beschaffungsplan eines Entwicklungsprojekts
AuftragsplanungMarkterkundung, zum Beispiel Sondierung verfügbarer Technologien und geeigneter Anbieter
 Beschaffungsdiagnosen zur Identifikation ökologischer und sozialer Risiken in der Lieferkette
Ausschreibung und BewertungskriterienTechnische Spezifikationen: Aufnahme von Nachhaltigkeitsanforderungen und geeigneten Technologien
 Forderung des Nachweises von Standards und Zertifizierungen und der Erfüllung von Energieeffizienzvorgaben
 Forderung von Angaben zu Ansätzen und Maßnahmen zur Minderung von Nachhaltigkeitsrisiken
 Definition nachhaltigkeitsbezogener qualitativer Bewertungskriterien, zum Beispiel Lebenszykluskostenanalyse, Bonus für innovative grüne Lösungen
Vertrag  und DurchführungAufnahme der Möglichkeit von Value Engineering
 Aufnahmen von KPIs für Nachhaltigkeit, erfolgsabhängige Bezahlung
 Aufnahme von Verhaltenskodizes, Schulungsmaßnahmen, Vorgaben zur CO₂-Messung

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.