Wirtschaftsumfeld | Zypern | Krieg in der Ukraine
"Umsatzeinbußen für zyprische Unternehmen"
Wie der Ukrainekrieg und die Energiekrise aktuell die Lage in Zypern beeinflussen, erklärt der deutsche Unternehmer Stefan Nolte.
03.05.2022
Von Michaela Balis | Nikosia
Im Interview mit Germany Trade & Invest (GTAI) spricht der deutsche Unternehmer, Stefan Nolte, über die Herausforderungen für Zypern aufgrund des Ukrainekriegs und die Wege, diese zu überwinden. Stefan Nolte, lebt seit 2008 in Nikosia, ist Gründer und geschäftsführender Vorstand der Shanda Consult, einer international tätigen Beratungsgesellschaft. Zeitgleich ist er Präsident der Cyprus Germany Business Association.
Herr Nolte, Zypern steht durch den Ukrainekrieg und die hohen Energiepreise vor neuen Herausforderungen. Wie resistent ist das Land gegenüber einer neuen Krise?
Nach der Finanzkrise von 2013 kam im Jahr 2020 die Coronakrise. Und nun der Ukrainekrieg. Trotz der Verflechtung mit Russland, wird die gesamte Wirtschaft voraussichtlich nur moderat unter dem Ukrainekrieg leiden. Die Europäische Kommission prognostizierte für Zypern, vor Kriegsausbruch, für das Jahr 2022 ein Wirtschaftswachstum von rund 4,1 Prozent. Ich schätze, dass es nun rund 0,5 Prozentpunkte geringer ausfallen wird.
Die Strompreise steigen auf Zypern auch aufgrund der hohen Abhängigkeit der Insel von Erdölimporten für die Energieerzeugung. Der Inselstaat verfügt jedoch über keine energieintensive Industrie: Das verarbeitende Gewerbe ist von geringer Größe und konzentriert sich auf die Pharma- und die Lebensmittelbranche.
"Der Tourismus und Dienstleistungen sind besonders betroffen."
Welche Wirtschaftssektoren berührt die aktuelle Situation besonders?
Probleme ergeben sich für Unternehmen, die mit Russland Geschäfte machten, wie beispielsweise im Dienstleistungssektor. Einer Umfrage des zyprischen Industrie- und Arbeitgeberverbands OEB zufolge, bieten rund 45 Prozent der befragten Unternehmen ihre Dienstleistungen auf dem russischen Markt an oder nehmen russische Dienste in Anspruch.
Die Tourismusbranche leidet besonders: Im Jahr 2019 stammte ein Drittel der ausländischen Gäste aus Russland. Aufgrund der Sanktionen gegen Russland ist nach zwei Jahren Coronapandemie auch dieses Jahr ein Einbruch im Tourismus zu erwarten.
Die Einbußen in der Immobilienbranche halten sich in Grenzen, da sich die russische Bevölkerung nach Abschaffung des Investitionsprogramms für den Erwerb der zyprischen Staatsangehörigkeit im Jahr 2020 weniger kauffreudig zeigte. Die zyprischen Banken sind nach der Finanzkrise von 2013 von dem Russlandgeschäft nur bedingt abhängig.
Welchen Problemen sind die Unternehmen ausgesetzt?
Wenn ich mich auf die OEB-Umfrage beziehe, dann rechnen rund 75 Prozent der Firmen mit einem Umsatzrückgang und höheren Rohstoffpreisen. Für ein Drittel der Unternehmen ergeben sich Probleme bei der Beschaffung von Rohstoffen und anderen Produkten. Hinzu kommen brüchige Lieferketten, die rund 40 Prozent der zyprischen Betriebe beeinflussen.
"Die Diversifizierung der Wirtschaft ist gefragt."
Welche Wege führen aus der Krise?
Zypern hat die Finanzkrise von 2013 auf hervorragende Art bewältigt, aber leider nur wenige Lehren daraus gezogen. Die Wirtschaft bleibt zu stark auf Dienstleistungen konzentriert, die rund 80 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beitragen. Allerdings hat die Coronakrise die zyprische Regierung dazu gezwungen umzudenken. Die Diversifizierung der Wirtschaft ist gefragt. Mit der Hilfe der Fördermittel aus dem Aufbaufonds der Europäischen Union ist unter anderem geplant, das verarbeitende Gewerbe und den Energiesektor auszubauen und zu modernisieren. Ein weiterer Ausweg wäre, dass sich der Inselstaat intensiver auf die Produktion hochpreisiger Waren mit einem geringen Transportkostenanteil, wie beispielsweise Produkte der Elektronik- und IKT-Branche, konzentriert.
Herr Nolte, der Ausbau des IKT-Sektors bedarf spezialisierter Arbeitskräfte. Wie gut ist Zypern aufgestellt?
Unternehmen, die in Zypern tätig sind, müssen sich nicht nur auf zyprisches Personal beschränken. Auch wenn sie es könnten, da es gut ausgebildet ist und über ausgezeichnete Fremdsprachenkenntnisse verfügt. Auf Zypern sind nicht nur Arbeitnehmer aus der Europäischen Union, sondern auch aus Drittstaaten willkommen. Neue Regularien für die Beschäftigung von Arbeitnehmern aus Drittländern, die Anfang 2022 in Kraft getreten sind, führen zu einer Neuansiedlung von ausländischen Firmen. Von den neuen Regelungen haben bereits 20 bis 25 Unternehmen Gebrauch gemacht.
Vor Ausbruch des Ukrainekriegs war Zypern aufgrund vorteilhafter Regelungen für Investoren und Arbeitnehmer aus Drittstaaten ein attraktiver Ort für die Ansiedlung russischer Bürger. Auch Urlauber kamen gerne dorthin. Acht von zehn zyprischen Unternehmen gaben im April 2022 in einer Umfrage des zyprischen Industrie- und Arbeitgeberverbands OEB an, Geschäftsbeziehungen zu Russland zu unterhalten. Der Ukrainekrieg und die Sanktionen beeinflussen rund 90 Prozent der zyprischen Firmen, so die OEB-Umfrage. |
SITC | Warenbezeichnung | Einfuhr | Anteil |
---|---|---|---|
792 | Luftfahrzeuge und zugehörige Ausrüstungen; Teile davon | 33,3 | 13,9 |
081 | Tierfutter | 7,2 | 4,5 |
044 | Mais | 6,8 | 9,8 |
32 | Kohle | 6,6 | 69,1 |
793 | Wasserfahrzeuge | 6,3 | 0,7 |
041 | Weizen | 4,7 | 21,9 |
33 | Erdöl, Erdölprodukte | 4,6 | 0,3 |