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Branchen | Marokko | Bauwirtschaft

Branchenstruktur und Geschäftspraxis

Wenige große Unternehmen dominieren neben dem informellen Sektor den Markt. Die Geschäftspraxis unterscheidet sich bei öffentlichen oder privaten Projekten.

Von Michael Sauermost | Casablanca

Laut Conféderation Générale des Entreprises de Maroc (CGEM) dürfte der Anteil der Schattenwirtschaft im Baugewerbe bei etwa 30 Prozent liegen. Die Fédération Nationale Des Promoteurs Immobiliers teilt Unternehmen, die in der Bauindustrie tätig sind, in drei verschiedene Kategorien ein. Demnach gebe es ungefähr 2.000 strukturierte und organisierte Unternehmen; 10.000 Unternehmen mit lokaler, aber schwacher Struktur sowie 40.000 nicht lokalisierte Unternehmen, die in der informellen Wirtschaft tätig sind. Die Regierung ist - bislang mit wenig Erfolg - bemüht, letztere Quote zu reduzieren. Erst eine zunehmende Digitalisierung der Abläufe in dem Sektor könne dazu beitragen, erwarten Branchenvertreter. Projekt- und Zahlungsverzögerungen sind in der Bauwirtschaft nicht selten.

Die Bauwirtschaft trägt laut Haut Commissariat au Plan (HCP) regelmäßig etwa 6 Prozent zum BIP bei und bietet mit etwas unter 1 Million Beschäftigten etwa 9 Prozent der Arbeitsplätze. Informelle Beschäftigung ist weit verbreitet, an ausgebildeten Fachkräften mangelt es. Zahlreiche kleine und mittelgroße Firmen sind in der Branche aktiv. Die staatliche Al Omrane ist der wichtigste Bauträger im Wohnungsbau. Die Projektumsetzung erfolgt hier oft durch lokale Bauunternehmen. Inzwischen drängt auch der staatliche Phosphatbetrieb OCP in den Baubereich, der auch Unteraufträge an ausländische Unternehmen vergibt, wenn höhere Qualität gefragt ist.

Zu den größten privaten Bauentwicklern in Marokko zählt die Gruppe Addoha, die insbesondere im sozialen Wohnungsbau tätig ist. Die B Group (ehemals Palmeraie) gehört ebenso zu den weiteren großen marokkanischen Playern im Hochbau, vor allem im oberen Wohnsegment und der Entwicklung von Tourismusprojekten. Weitere Entwicklungsgesellschaften sind Dyar al Mansour, Saham Immobilier, Yamed, TGCC und Yasmine Immobilier.

Stark im Markt sind französische Bauunternehmen. Hier sind die Großkonzerne Alstom, Bouygues Construction, Eiffage Maroc, Vinci Construction sowie GDF Suez zu nennen. Spanische Unternehmen sind in den Bereichen der Erneuerbaren Energien und auch im Schienenbau präsent. Im Straßenbau sind auch türkische Baufirmen aktiv. Immer offensiver drängen chinesische Unternehmen in den Markt. Das betrifft bislang besonders den Hafenbau, den Energiesektor und den Straßenbau.

Ausgewählte Strukturdaten zur Bauwirtschaft in Marokko

Kategorie

2019

2020

2021

1. Halbjahr 2022

Fertiggestellte Wohnbauprojekte

316.308

256.671

256.593

111.590

  Öffentlich

177.792

143.785

142.953

k.A.

  Privat

138.516

112.886

113.640

k.A.

Begonnene Wohnbauprojekte    

365.413

240.501

225.830

97.886

    Öffentlich

203.713

147.611

130.212

k.A.

    Privat

161.700

92.890

95.618

k.A.

Anzahl der Beschäftigten im Bereich Bauwesen und Öffentlichen Arbeiten (in Millionen)

1,15

1,14

1,21

k.A.

Zementabsatz (in Millionen Tonnen)

13,6

12,3

14,0

6,5

Ausländische Direktinvestitionen in Immobilien (Nettozuflüsse in Millionen Euro)

490

399

492

355 *)

Ausländische Direktinvestitionen in den Bausektor (Nettozuflüsse in Millionen Euro)

30

31

44

77 *)

* Januar bis September.Quelle: Ministère de l’Habitat et de l’Urbanisme; Office des Changes

Bei öffentlichen Projekten ist meist ein lokaler Partner eingebunden

Für ausländische Unternehmen ist es grundsätzlich einfacher, sich an Projekten zu beteiligen, die von internationalen Geberorganisationen finanziert werden. Jedoch ist auch dies kein Selbstläufer. Auf Partner vor Ort können mittelständische Unternehmen praktisch nicht verzichten. Klar trennen müssen interessierte Baufirmen zwischen öffentlichen und privaten Projekten. Diese erfordern zwei völlig unterschiedliche geschäftspraktische Vorgehensweisen. Für einen Newcomer im Marokkogeschäft ist das Verfahren und die Lobbyarbeit für öffentliche Aufträge kaum zu stemmen. Erfahrene Partner vor Ort sind erforderlich. In vielen Segmenten verlagern sich die Branchenaktivitäten zunehmend in Richtung Privatwirtschaft, was die Beteiligungschancen ausländischer mittelständischer Unternehmen tendenziell erhöht.

Unterschätzt werden im Vorfeld bisweilen die starke Kostenorientierung im Bausektor sowie die oft bereits fixierte, an Bauherren gebundene Beschaffungspolitik. Knappe Kassen und eine schwerfällige Administration bremsen zusätzlich einige Vorhaben. Wohnsiedlungen sind wegen unzureichend umgesetzter Baustandards für deutsche Unternehmen kaum interessant. Kritisiert wird bisweilen, dass deutsche Unternehmen die gegebenen Marktchancen zu wenig wahrnehmen, beziehungsweise den großen Aufwand eines Markteinstiegs scheuen. Alternativ werden Partnerschaften, beispielsweise mit französischen oder spanischen Unternehmen, gesucht. Oder der marokkanische Markt wird über Töchterunternehmen in diesen Ländern beliefert.

Sprachliche und kulturelle Hürden sind trotz der Europaorientierung Marokkos nicht zu unterschätzen. Verhandlungen werden im Regelfall auf Französisch geführt, auch wenn Englisch an Bedeutung gewinnt. Trotz Bemühungen des Königs und der obersten Entscheidungsebenen bleibt die Bürokratie, insbesondere auf der mittleren und lokalen Ebene, schwerfällig. Die Rechtsprechung gilt als langwierig.

Aufgrund vergleichbarem technologischen Profil treten Unternehmen aus Frankreich, Italien, Spanien oder den USA gegenüber den deutschen Unternehmen bislang häufiger als etwa aus China als direkte Wettbewerber auf. Französische und auch spanische Unternehmen sind aufgrund historisch gewachsener Verbindungen, ihrer starken Präsenz und der Marktbearbeitungsintensität und wegen ihrer Stärken in verschiedenen Infrastruktursegmenten auf dem marokkanischen Markt erfolgreich. Inwieweit ausländische Akteure auf Spezifikationen von Ausschreibungen Einfluss ausüben können, bleibt unklar.



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