Brasiliens Agrarsektor wird weiterhin stark wachsen. Besondere Herausforderungen und Chancen bietet das globale Engagement für den Klimaschutz.
Investitionen konzentrieren sich auf Großbetriebe
Brasilien fördert die Agrarwirtschaft über verschiedene Programme, darunter zahlreiche Kreditprogramme für eine zinsgünstige Finanzierung. Infolge der fiskalpolitischen Krise fallen die Finanzmittel für das Erntejahr 2021/22 jedoch mager aus. Dies trifft insbesondere die kleinen und mittleren Betriebe. Schließlich stiegen die Kosten für Vorprodukte aufgrund der Wechselkursentwicklung um über 20 Prozent an.
Große Agrarkonzerne, die für den Export produzieren, profitieren derweil von der Abwertung des brasilianischen Real und der starken Nachfrage am Weltmarkt. Besonders konstant steigen die Erntemengen von Soja und Mais. Brasiliens Hersteller von Biokraftstoffen sehen wachsende Exportchancen durch die globale Klimaschutzagenda. Zudem eröffnen die CO2-Zertifikate CBIOS zusätzliche Gewinne am Inlandsmarkt. Besonders gute Aussichten erwartet der Verband für Ethanol aus Mais. União Nacional do Etanol de Milho (Unem) zufolge soll sich die Produktion bis 2028 verdreifachen. Dahingegen kämpfen in der Zuckerrohrindustrie viele Unternehmen mit finanziellen Schwierigkeiten.
Ausgewählte Projekte in der Landwirtschaft in Brasilien (Investitionssumme in Millionen US-Dollar)
Projekt | Investitionssumme *) | Stand | Projektträger |
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Erweiterung der Schweine- und Geflügelproduktion in den Regionen West und Nord | 466 | Planungsstadium | Lar Cooperativa |
Erneuerung der Zuckerrohrfelder für die Ernte 2020/21 | 388 | in Ausführung | Raízen |
Zucker-Ethanol-Anlage inklusive Stromerzeugung über Kraftwärmekopplung in Barra (Bahia) | 97 (Anfangsphase), 388 (insgesamt) | Angekündigt im Oktober 2020 | Bevap Bioenergia |
Erweiterung von 7 Fabriken zur Fleischverarbeitung im Bundesstaat Rio Grande do Sul: Trindade do Sul, Passo Fundo, Caxias do Sul, Seberi, Nova Bassano, Bom Retiro und Santa Cruz do Sul | 330 | Inbetriebnahme 2023 | JBS |
Erweiterung der Milch-, Getreide- und Schweineproduktion und Entwicklung neuer Geschäftsbereiche | 194 | Investitionsplan bis 2025 angekündigt im März 2021 | Frísia Cooperativa Agroindustrial |
Mais-Ethanol-Anlage in Dourados (Mato Grosso do Sul) | 155 | Ankündigung im November 2020 | Inpasa |
Mais-Ethanol-Anlage integriert in die Raffinerie Boa Vista in Quirinópolis (Goiás) | 124 | Planung seit 2019; Ankündigung im Januar 2021 | São Martinho |
Anlage zur Verarbeitung von Soja in Palotina (Paraná) | 107 | Baubeginn 2021; Inbetriebnahme 2023 | C. Vale |
Mais-Ethanol-Anlage in Matupá (Mato Grosso) | 49 | Inbetriebnahme 2022 | Maracajá Bioenergia |
Erweiterung im Zuckerrohrbau und von zwei Raffinerien im Bundesstaat Bahia | 37 | Planungsstadium | Grupo São Luiz (Copersucar) |
*) umgerechnet zum durchschnittlichen Wechselkurs 2020: 1 US$ = 5,15 R$Quelle: Bradesco; Recherchen von Germany Trade & Invest
Klimaschutz wird wichtiger Teil der Agraragenda
Viele brasilianische Unternehmen sehen in der globalen Energiewende Chancen, sich im internationalen Wettbewerb besserzustellen. Im Agrarsektor treffen Klimaschutzziele jedoch zum Teil auf Widerstand. Die größte Herausforderung ist es, illegale Rodungen einzudämmen beziehungsweise ganz zu verhindern. Unter Präsident Bolsonaro verlor das Land international an Glaubwürdigkeit, wodurch brasilianische Agrarexporte trotz der rigiden Umweltschutzauflagen Brasiliens boykottiert werden könnten.
Exportorientierte Konzerne reagieren auf den politischen Druck aus den wichtigen Abnehmermärkten China, USA und Europa. Immer mehr Tradings und Großkonzerne der Fleischverarbeitung veröffentlichen Klimaschutzstrategien mit festen Zielen für die eigene Lieferkette und investieren in die Rückverfolgung.
In der Politik treiben die Bundesstaaten den Wandel voran. Die neun Bundesstaaten der Amazonas-Region haben sich zu einem Konsortium zur Nachhaltigen Entwicklung zusammengeschlossen. Pará gehört zu den Bundesstaaten, die am stärksten von illegalen Rodungen betroffen sind. Zukünftig wird die Viehzucht auf den etwa 257.000 Ländereien über den Abgleich offizieller Register mit Satellitenbildern überwacht und entsprechend gekennzeichnet. Dadurch sollen die rund 8 Prozent der Liegenschaften, die für 80 Prozent der illegalen Rodungen in Pará verantwortlich sind, von der wirtschaftlichen Nutzung ausgeschlossen werden.
Dem Plano Agricultura de Baixa Emissão de Carbono kommt eine wachsende Bedeutung zu. Über sieben Teilprogramme stimuliert der Plano ABC bereits seit 2010 die CO2-arme Agrarproduktion. Beispielsweise fördert Embrapa durch Weiterbildung, technische Unterstützung und das Netzwerk ILPF integrierte Agrar-Forst-Systeme, die im Erntejahr 2015/16 erst auf etwa 5,5 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche umgesetzt wurden. In der aktuellen Neuauflage Programa ABC+ werden strengere Zielvorgaben gesetzt. Außerdem kommen zwei neue Teilprogramme hinzu.
Agrarzulieferer konkurrieren um den Wachstumsmarkt
Brasilien ist einer der größten Märkte für Landtechnik weltweit. Multinationale Anbieter aus allen Bereichen sind im Land vertreten. Claas, Stihl, Bosch/BASF und viele andere betreiben eigene Forschungs- und Kompetenzzentren vor Ort. Deutsche Anbieter von Landmaschinen, Agrarchemikalien, digitalen Anwendungen, Bewässerungsanlagen, Zuchtvieh und Saatgut treffen auf einen intensiven Wettbewerb. Um sich zu behaupten, muss das Geschäftsmodell auf den Markt zugeschnitten sein. Das tropische bis subtropische Klima erfordert einen intensiven Pflanzenschutz sowie eine aufwendige Bodenpflege und Düngung, ermöglicht dafür zwei bis drei Ernten im Jahr. Neben der Anpassungen der Technologie, auch als Tropikalisierung bekannt, sollten möglichst auch Logistik, Vertrieb, Kundendienst, Finanzierung und weitere Aspekte auf die Abnehmer abgestimmt werden. Im Januar 2021 kündigte DVA Agro Investitionen von 100 Millionen US-Dollar an. Nach einer fünfjährigen Pause steigt die deutsche DVA Gruppe erneut in den brasilianischen Markt ein. Zur Agrarchemie bietet die aktuelle Branche kompakt Chemie einen Überblick.
Hohes Interesse an Smart Farming
Bei der staatlichen Förderung der digitalen Transformation ist der Agrarsektor für Brasilien eines der vier wichtigsten Anwendungsgebiete. Die Regierung fördert die Digitalisierung über die Programme Agro 4.0 und Ater Digital. Viele Betriebe nutzen bereits digitale Technologien. Großkonzerne betreiben Pilot- und Forschungsprojekte in Partnerschaft mit Technologieanbietern und Telekomkonzernen. Kleine und mittlere Betriebe haben jedoch noch einen begrenzten Zugang. Es mangelt an Bildungsgrundlagen und an der Finanzierung. Auch die Internetverbindung auf dem Land stellt oft noch eine Hürde dar. Einer Studie von Technologieanbieter Ericsson zufolge wird die Einführung von 5G den Agrarsektor in den kommenden fünf Jahren revolutionieren. Die Pandemie stimuliert die Investitionsvorhaben. 45 Prozent der Landwirte planen laut Umfrage der Boston Consulting Group Investitionen. 36 Prozent investieren bereits regelmäßig.
Die vertikale Landwirtschaft rentiert sich unter anderem aufgrund relativ hoher Stromkosten nur in wenigen Metropolregionen und für Marktnischen.
Von Gloria Rose
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São Paulo