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Special | EU | Konnektivität

Infrastruktur zwischen Ostsee, Adria und Schwarzem Meer

Zwölf Staaten in Mittel- und Osteuropa wollen die länderübergreifende Infrastruktur in den Bereichen Verkehr, Energieversorgung und digitale Kommunikation verbessern. (Stand: 19. August 2021)

Von Fabian Möpert | Berlin

Die Drei-Meere-Initiative (Three Seas Initiative; 3SI) ist ein informeller Zusammenschluss von Ländern in Ostmittel- und Südosteuropa, die alle auch Mitglieder der Europäischen Union (EU) sind. Zusammen arbeiten sie daran, Infrastrukturvorhaben voranzubringen und politisch zu flankieren.

An dem losen Format zur zwischenstaatlichen Kooperation auf Regierungsebene beteiligen sich Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn. Sie versprechen sich von der Initiative wichtige Impulse für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung ihrer Region. Besonderes Augenmerk gilt dabei Verkehrswegen und Energieleitungen zwischen Norden und Süden.

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Die USA sowie Deutschland haben die Rolle von Partnerländern inne. Während die USA aber finanziell am Investitionsfonds der 3SI beteiligt sind, beschränkt sich Deutschlands Mitwirken bisher auf die Teilnahme an 3SI-Gipfeln als Beobachter. Auch Spitzenvertreter von EU-Institutionen nahmen so an den Treffen der 3SI teil. Den Mitgliedsländern zufolge soll die 3SI keinesfalls in Konkurrenz zur EU treten, sondern lediglich die Förderinstrumente und Koordinierungsmechanismen der EU im Bereich Infrastruktur punktuell ergänzen. Gleichwohl sehen einige Beteiligte in der 3SI auch ein Forum, um die transatlantischen Beziehungen zu den USA zu intensivieren.

Jährliche Gipfeltreffen und ein Business Forum

Entstanden ist die Initiative auf maßgebliches Betreiben Polens und Kroatiens. Seit 2016 gibt es jährliche Gipfeltreffen, an denen Staatspräsidenten oder hochrangige Vertreter der Außen- und Wirtschaftsministerien teilnehmen. Der erste 3SI-Gipfel fand im August 2016 im kroatischen Dubrovnik statt. Im Jahresabstand folgten Gipfel in Polen, Rumänien und Slowenien. Zuletzt wurde ein 3SI-Gipfel im Oktober 2020 durch Estland von Tallinn aus organisiert, pandemiebedingt als digitales Format. Das nächste Gipfeltreffen wird im Juni 2021 in Bulgariens Hauptstadt Sofia ausgetragen.

Seit 2018 findet parallel zu den Gipfeltreffen ein 3SI Business Forum zur Kontaktpflege zwischen Politik und Wirtschaft statt. Es dient dem Austausch zwischen Unternehmen, relevanten Planungsbehörden und Akteuren wie internationalen Entwicklungsbanken und soll Geschäfts- und Investitionsmöglichkeiten aufzeigen. Ferner vernetzen sich im Rahmen der Initiative die Handelskammern der beteiligten Länder.

Außer über ein technisches Sekretariat verfügt die 3SI bislang über keinen institutionellen Unterbau, auch wenn einzelne Länder wie Ungarn die Einrichtung eines ständigen Generalsekretariats angeregt haben. Weiter im Gespräch bleibt auch die Schaffung ständiger Arbeitsgruppen. Letztere könnten helfen, grenzüberschreitende Projekte besser zu koordinieren.

Mittelosteuropa im Aufholprozess

Mit Ausnahme Österreichs handelt es sich bei den Mitgliedern der 3SI um Länder im wirtschaftlichen Aufholprozess. Das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf in der 3SI-Region liegt bei etwa 78 Prozent des EU-Durchschnitts. Zugleich wuchs die Wirtschaft bei der Mehrheit der 3SI-Länder in den vergangenen Jahren bis zur Coronakrise wesentlich dynamischer als in den anderen EU-Staaten. Die Region ist mittlerweile eng eingebunden in die Wertschöpfungsketten Westeuropas und insbesondere Deutschlands. So steht der Ausbau der Infrastruktur in der Region mit der wirtschaftlichen Dynamik in vielfältigen Wechselwirkungen.

Viele Investitionen flossen bisher primär in Transportrouten, die von Ost nach West verlaufen und Mittelosteuropa insbesondere seit der EU-Osterweiterung mit den wirtschaftlichen Zentren Westeuropas verbinden. Grenzüberschreitende Fernstraßen und Bahntrassen zwischen Norden und Süden, die die 3SI-Länder untereinander besser integrieren würden, standen dagegen eher zurück. Die mehrheitlich aus Osten in die 3SI-Region führenden Trassen zur Energieversorgung sind ein Relikt aus den Zeiten des sowjetisch dominierten Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe. Die 3SI soll nun den politischen Willen der beteiligten Länder bündeln, mehr Nord-Süd-Verbindungen zu schaffen.

Hoher Bedarf für Nord-Süd-Achsen

Das polnische Zentrum für wirtschaftliche Analysen SpotData beziffert den Investitionsbedarf der 3SI-Länder bis zum Jahr 2030 für Infrastruktur im weitesten Sinne (inklusive Bildung, Gesundheit, öffentliche Daseinsvorsorge) auf rund 1,1 Billionen Euro. Speziell für Verkehrswege, Energie- und Telekommunikationsnetze sowie deren Ausrüstung mit digitaler Technik veranschlagen die Analysten einen Bedarf in Höhe von 530 Milliarden Euro. Über die Hälfte dieses Volumens (270 Milliarden Euro) sei für Verkehrswege, Energietrassen und Telekommunikationsausrüstung von grenzüberschreitender Relevanz nötig.

EU-Gelder für Infrastrukturbau unverzichtbar

Mittel aus den europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESIF) sowie Darlehen der Europäischen Investitionsbank (EIB) sind für die 3SI-Länder von zentraler Bedeutung. Viele laufende Infrastrukturprojekte in der Region werden aus EU-Instrumenten kofinanziert. Dazu gehören auch zahlreiche Vorhaben, die als 3SI-Prioritäten deklariert sind.

In der Förderperiode 2014-2020 haben die 3SI-Länder laut Daten der Europäischen Kommission aus europäischen Fördertöpfen etwa 47 Milliarden Euro allein für Netzwerkinfrastruktur im Bereich Transport und Energie erhalten. Speziell der Kohäsionsfonds unterstützt dabei Verkehrsinfrastruktur mit europäischem Mehrwert, unter anderem im Rahmen der Connecting Europe Facility (CEF). Weitere Schwerpunkte der CEF sind Energie und Telekommunikation.

Die Bedeutung europäischer Fördergelder für die Infrastrukturvorhaben in der 3SI-Region wird kaum nachlassen. Im mehrjährigen Finanzrahmen der EU für 2021 bis 2027 sind laut vorläufiger Mittelzuordnung aus dem Kohäsionsfonds für die 3SI-Länder zusammengerechnet 34,6 Milliarden Euro vorgesehen (Preise von 2018). Von diesen Kohäsionsmitteln sollen 8,2 Milliarden Euro im Rahmen der CEF übertragen werden.

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