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Vereinigte Arabische EmirateSchiedsgerichtsbarkeit / Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen, Rechtshilfe
Recht
Rechtsbericht Vereinigte Arabische Emirate Schiedsgerichtsbarkeit
Bonn (GTAI) - In einer Absichtserklärung vom 4. April 2018 haben sich die Gerichte von Abu Dhabi und der Freihandelszone Abu Dhabi Global Market (ADGM) über die gegenseitige Vollstreckung von Urteilen in ihren Territorien verständigt. Die Vollstreckung setzt nicht voraus, dass die Sach- und Rechtslage erneut geprüft wird. Dieser vereinfachte Mechanismus könnte auch bei der Vollstreckung deutscher Urteile in Abu Dhabi eine Rolle spielen.
01.08.2018
Entgegen seiner Bezeichnung statuiert die Absichtserklärung (Memorandum of Understanding - MoU) ihrem Wortlaut zufolge ein verbindliches Verfahren für die gegenseitige Vollstreckung von Urteilen. Außerdem bedarf es für die Wirksamkeit keiner regulatorischer Zwischenschritte mehr. Vielmehr setzen die Gerichte des Emirats und der Freizone die Erklärung dadurch in Kraft, indem sie sie anwenden (Art. 19 MoU). Unterzeichner des MoU sind jeweils die Gerichtsbarkeiten, namentlich das Judicial Department Abu Dhabi und die ADGM-Courts.
Mit dem Abschluss des MoU schaffen die Parteien ein Verfahren für die gegenseitige Vollstreckung von Urteilen, Beschlüssen und Anordnungen ohne vorherige Prüfung der Sach- und Rechtslage (Révision au Fond - Art. 2 MoU).
Schiedssprüche sind ebenfalls Gegenstand des MoU. Diese sind nämlich gemäß Art. 5 MoU wie Urteile zu behandeln, wenn eines der beiden Gerichte sie zuvor anerkannt oder bestätigt hat.
Wer etwa das Urteil eines ADGM-Gerichts in Abu Dhabi vollstreckt lassen will, muss hierfür zunächst einen Antrag beim Judicial Department Abu Dhabi stellen. Das Judicial Department prüft daraufhin, ob das Urteil mit der Vollstreckbarkeitsklausel nach Art. 12 MoU versehen und ins Arabische übersetzt ist.
Diese vereinfachte Vollstreckung von Urteilen der ADGM-Gerichte könnte auch der Frage nach der Vollstreckung ausländischer Urteile im Staatsgebiet von Abu Dhabi neuen Aufwind geben. Und zwar dann, wenn die ADGM-Gerichte einer Vollstreckung in Abu Dhabi zwischengeschaltet, also als Durchlaufgerichte (Conduit Jurisdiction) benutzt würden.
So könnte eine Partei bei einem ADGM-Gericht beantragen, etwa ein deutsches Urteil anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären. Kraft des MoU könnte diese Partei nun mit ihrem anerkannten Urteil bei einem Gericht in Abu Dhabi dessen Vollstreckung beantragen.
Dieser Umweg ist notwendig, wenn der Beklagte zunächst über kein Vermögen im ADGM-Territorium verfügt, in das der Kläger vollstrecken könnte. Ebenso erfordern rechtliche Gründe diesen Umweg. Emiratische Gerichte erkennen deutsche Urteile nicht an und vollstrecken sie folglich nicht. Für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile fordert das emiratische Prozessrecht die Gegenseitigkeit. Der Kassationshofes Dubai stellt in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2001 hohe Anforderungen an das Kriterium der Gegenseitigkeit. Das Gericht verlangt hierfür, dass die Gegenseitigkeit durch einen völkerrechtlichen Vertrag verbürgt ist. Ein solcher Vertrag existiert im Verhältnis zu Deutschland aber nicht (allerdings mit Frankreich).
Ob das MoU aus den ADGM-Gerichten ein taugliches Mittel zur Vollstreckung deutscher und ausländischer Urteile in Abu Dhabi macht, ist fraglich. Der Wortlaut des Art. 2 MoU spricht für eine Eignung der ADGM-Gerichte als Conduit Jurisdiction.
Neben Urteilen zählt die Vorschrift nämlich auch Entscheidungen als taugliche Gegenstände der gegenseitigen Vollstreckung. Die Anerkennung eines ausländischen Urteils ist so eine gerichtliche Entscheidung - und zwar mit dem Inhalt, dass das anerkannte Urteil im Einklang mit den einschlägigen (Prozess-)Rechtsbestimmungen steht.
Gegen eine Verwendung der ADGM-Gerichte als Conduit-Jurisdiction ließe sich anführen, dass hierdurch das emiratische Prozessrecht umgangen würde. Namentlich die Rechtsprechung des Kassationshofes von Dubai (siehe oben).
Entscheidend wird hier die Praxis des Judicial Department Abu Dhabi und der ADGM-Gerichte sein.
Für eine vollstreckungsfreundliche Handhabung des MoU sprechen zudem rechtspolitische Gründe. Als Freihandelszone auf dem Territorium des Emirats Abu Dhabi ist der ADGM mit seiner Ausrichtung auf Finanzdienstleister gewissermaßen das "Konkurrenzprodukt" zum Dubai International Financial Centre (DIFC). Wie das DIFC verfügt der ADGM über eine eigene Gerichtsbarkeit und einer eigenen Rechtsordnung, die sich am englischen Common Law orientiert. Es ist nicht zu übersehen, dass sich das im Jahr 2013 gegründete ADGM das DIFC (gegründet im Jahr 2004) zum Vorbild genommen hat.
So gibt es auch mit Art. 7 Judicial Authority Law (Gesetz Nr. 12/2004) eine Rechtsgrundlage für die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen zwischen den Gerichten des DIFC und den Gerichten in Dubai. Gemäß Art. 7 Abs. 3 lit c Gesetz Nr. 12/2004 vollstrecken Gerichte in Dubai Urteile der DIFC-Gerichte ohne eigene Prüfung der Sach- und Rechtslage. Ebenso wenig prüfen die Vollstreckungsgerichte in Dubai, ob ein DIFC-Urteil gegen fundamentale Rechtsgrundsätze (Ordre Public) verstößt. Ausweislich des MoU findet auch im Verhältnis zu den Gerichten in Abu Dhabi und den ADGM-Gerichten keine Prüfung des Ordre Public statt.
Umstritten ist die Frage der Vollstreckbarkeit eines ausländische Urteils in Dubai, das ein DIFC-Gericht zwar anerkannt hat, das aber nach dem Prozessrecht der VAE nicht anerkennungsfähig ist. So sind unter Beachtung der Rechtsprechung des Kassationshofes auch englische Urteile nicht vollstreckungsfähig. Dennoch entschied das DIFC-Appelationsgericht im Februar 2016, ein englisches Zahlungsurteil anzuerkennen und zur Vollstreckung in Dubai zuzulassen.
Nach dieser Entscheidung sah es zunächst so aus, als ob die DIFC-Gerichtsbarkeit zu einem tauglichen Vehikel für die Vollstreckung ausländischer Urteile in Dubai avancieren könnte.
Allerdings betrat mit dem Judicial Tribunal for the Dubai-Courts and the DIFC-Courts (JT) kurz darauf ein neuer Akteur die Arena. Das Nebeneinader der DIFC-Gerichte und der Gerichte in Dubai führte häufig zu Konflikten der Zuständigkeit, wenn beide Rechtsstreitigkeiten vor beide Gerichtsbarkeiten landeten. Um in solchen Fällen eine verbindliche Klärung zu erreichen, gründete die Regierung von Dubai im Juni 2016 das JT.
Zuständigkeitskonflikte löste das JT bisher zugunsten der Gerichte in Dubai. Sogar dann, wenn der Fall als erstes vor einem DIFC-Gericht anhängig war und der Beklagte sich später an ein Gericht in Dubai wandte. In einem Fall beantragte der Kläger bei einem DIFC-Gericht, sein englisches Urteil anzuerkennen und zur Vollstreckung zuzulassen. Daraufhin hat der Vollstreckungsschuldner bei einem Gericht in Dubai beantragt, die Anerkennung und Vollstreckung des englischen Urteils zu versagen. Aufgrund der korrespondierenden Entscheidung des JT, gelang es dem Vollstreckungsschuldner, das Verfahren vom anerkennungsfreundlichen DIFC-Gericht auf das anerkennungsfeindliche Gericht in Dubai zu verlagern.
Für das JT spielte es ausdrücklich keine Rolle, dass der Rechtsstreit zuerst bei einem DIFC-Gericht anhängig war. Mit seiner Entscheidung setzte das JT die Rechtslage auf den Stand vor Februar 2016 zurück. DIFC-Gerichte werden künftig nicht als Conduit-Jurisdiction eingesetzt, weil deren Zuständigkeit ohne weiteres ausgehebelt werden kann.
Diese Lücke bei der Vollstreckung ausländischer Titel könnten bald Abu Dhabi und die ADGM-Gerichte schließen.
Bezeichnung | Internetadresse |
MoU vom 4. April 2018 in englischer und arabischer Sprache | https://www.adgm.com/media/256642/executed-mou-for-reciprocal-enforcement-between-adjd-and-adgm-courts-11022018.pdf |
Internetseite der DIFC-Gerichtsbarkeit in englischer Sprache | https://www.difccourts.ae |