Dieser Inhalt ist relevant für:
WeltSchiedsgerichtsbarkeit
Recht
Rechtsbericht │ Welt │ Schiedsgerichtsbarkeit
Germany Trade & Invest stellt die Ergebnisse einer Kurzumfrage zur Verwendung von Schiedsklauseln in grenzüberschreitenden Verträgen vor.
19.06.2020
Von Dmitry Marenkov | Bonn
Germany Trade & Invest, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, hat im Mai-Juni 2020 eine Kurzumfrage zur Verwendung von Schiedsklauseln in grenzüberschreitenden Verträgen durchgeführt. An der Umfrage haben sich 113 Unternehmensjuristen und Wirtschaftsanwälte, vor allem aus Deutschland, aber auch aus der Schweiz und Österreich, beteiligt. Wir danken allen, die an der Kurzumfrage teilgenommen haben.
Die Umfrageergebnisse wurden im Rahmen des GTAI-Webinars „Dos and Don‘ts bei der Gestaltung von Schiedsklauseln in internationalen Verträgen“ am 9. Juni 2020 vorgestellt.
Die Kurzumfrage enthielt eine Kombination von Multiple-Choice-Fragen, die zum Teil mehrere Antworten zuließen, sowie offenen Fragen. Die Fragen wurden von Dmitry Marenkov, Senior Manager bei Germany Trade & Invest in Bonn, und James Menz, Senior Expert Litigations, Group Global Litigation, bei der Bombardier Transportation GmbH, konzipiert.
Das Ziel der Umfrage war es, einen Überblick über die Vertragspraxis hinsichtlich Verwendung von Schiedsklauseln in Deutschland beziehungsweise im deutschsprachigen Raum zu gewinnen. Die Umfrage beinhaltet einige interessante Erkenntnisse zu den Gründen der Verwendung und den bevorzugten Inhalten von Schiedsklauseln sowie zur Bewertung des Zeit- und Kostenfaktors der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit.
Rund 59 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, dass ihr Unternehmen über interne Richtlinien oder Muster zu vertraglichen Streitbeilegungsklauseln (Dispute Resolution Policy, also standardisierte Streitbeilegungsklauseln, die sie in Ihren Verträgen regelmäßig benutzen) verfügt.
Mehr als zwei Drittel der Befragten sind der Ansicht, dass Schiedsverfahren schneller als internationale Gerichtsverfahren sind. Die häufigste Antwort lautete: „Schiedsverfahren sind schneller, aber teurer als internationale Gerichtsverfahren“ (42,5 Prozent). Weniger als 3 Prozent der Umfrageteilnehmer meinen, dass Schiedsverfahren teurer und langsamer als internationale Gerichtsverfahren sind.
Über die Hälfte der Befragten präferiert für Verträge mit Geschäftspartnern aus dem EU-Ausland einen Gerichtsstand in Deutschland. Gleichzeitig ziehen 45 Prozent der Befragten auch für Verträge mit europäischen Unternehmen eine Schiedsklausel vor. Bei Verträgen mit Parteien aus dem Nicht-EU-Ausland dominieren Schiedsklauseln: über 80 Prozent sehen die Schiedsgerichtsbarkeit als die bevorzugte Streitbeilegungsmethode.
Die meisten vereinbaren Schiedsklauseln wegen der Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen (67 Prozent) und einfacherer Konsensfähigkeit in internationalen Vertragsverhandlungen (57 Prozent). Die weiteren Gründe für die Verwendung von Schiedsklauseln umfassen die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens (rund 47 Prozent), die Möglichkeit der Wahl der Schiedsrichter (45 Prozent) und die Möglichkeit der Wahl der Verfahrenssprache (41 Prozent). Die Umfrageteilnehmer hoben auch die Flexibilität des Schiedsverfahrens (etwa die Durchführung einer Online-Verhandlung) sowie die kürzere Dauer und niedrigere Kosten im Vergleich zu grenzüberschreitenden Gerichtsverfahren hervor.
Die Umfrage hat gezeigt, dass Schiedsklauseln zu Gunsten der Internationalen Handelskammer ICC (70,6 Prozent) und der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (61,5 Prozent) am häufigsten vereinbart werden. Den dritten Rang belegte die Schiedsinstitution der Schweizer Handelskammern (SCAI, rund 23 Prozent). Auch die folgenden Schiedsinstitutionen werden regelmäßig gewählt: der London Court of International Arbitration (LCIA, rund 14 Prozent), das Singapore International Arbitration Centre (SIAC, rund 13 Prozent), das Schiedsinstitut der Handelskammer Stockholm (SCC, rund 12 Prozent) und das Vienna International Arbitral Centre (VIAC, rund 11 Prozent).
Bei der Wahl der Schiedsinstitution spielen insbesondere der Bekanntheitsgrad und das Ansehen, der Gleichlauf von Institution/Schiedsort/anwendbares Recht sowie die Besonderheiten der jeweiligen Schiedsordnung eine Rolle. Als weitere relevante Gesichtspunkte wurden der Sitz der Schiedsinstitution, persönliche positive und negative Erfahrungen aus vorherigen Schiedsverfahren, die Höhe der Gebühren und die Verfügbarkeit von qualifizierten Schiedsrichtern genannt.
Insgesamt wird die Schiedsinstitution als der wichtigere Bestandteil einer Schiedsklausel (verglichen mit dem Schiedsort) gesehen.
Als Schiedsort werden vor allem deutsche Städte (rund 65 Prozent) und Zürich/Genf (53 Prozent) am häufigsten vereinbart. Unter den Top-5 sind auch Paris, Singapur und London vertreten.
Bei der Wahl des Schiedsorts sind vor allem logistische Aspekte (51 Prozent) sowie das Schiedsrecht am Schiedsort (50 Prozent) maßgeblich. Rund 45 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass der Schiedsort dem gewählten Recht entsprechen sollte (zum Beispiel, Schiedsort in Deutschland bei Vereinbarung deutschen Rechts). Auch die Kompetenz der Gerichte am Schiedsort (40 Prozent) ist von hoher Relevanz.
Bei Konstellationen, in denen man von der Verwendung von Schiedsklauseln eher absehen beziehungsweise abraten würde, wurden zum einen Fälle mit einem geringen Streitwert genannt. Als Beispiele wurden Streitwerte von unter 100.000 Euro, 500.000 Euro und 1 Million Euro angegeben. Darüber hinaus waren einige Umfrageteilnehmer der Auffassung, dass Sachverhalte ohne Auslandsbezug („rein nationale Streitigkeiten“) sowie Mehrparteienkonstellationen vor staatlichen Gerichten besser aufgehoben seien und daher keine Schiedsklauseln vereinbart werden sollten. Des Weiteren wurden in diesem Kontext immobilienbezogene Verträge und Verbraucherverträge genannt.
Die Umfrageergebnisse sind unter dem folgenden Link abrufbar. Weitere Informationen zum Thema finden Sie im GTAI-Special zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit: www.gtai.de/schiedsgerichtsbarkeit