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Rechtsbericht Slowenien Coronavirus

Slowenien: Coronavirus und Verträge

In Slowenien werden viele staatliche Maßnahmen ergriffen, um das Coronavirus einzudämmen. Jeder Bereich ist "infiziert". Auch das Vertragsrecht?  

Von Marcelina Nowak | Bonn

Einleitung

Am 12. März 2020 hat die slowenische Regierung die sich ausbreitende COVID-19-Krankheit als Epidemie eingestuft und den Notstand ausgerufen. Es folgten Einreisebeschränkungen und viele restriktive Maßnahmen zur Verlangsamung der Coronavirus-Pandemie, die die Wirtschaft einschränken. Naturgemäß ist die reibungslose Vertragsabwicklung nicht mehr gewährleistet. Was nun?

Vertragliche Klauseln über „höhere Gewalt“

Zunächst stellt sich immer die Frage, ob in einen Vertrag eine Klausel über höhere Gewalt aufgenommen wurde. Vertragsparteien steht es frei, solche Klausel aufzunehmen, solange die allgemeinen Regeln des Schuldrechts, geregelt im slowenischen Obligationengesetzbuch (Obligacijski zakonik), eingehalten werden. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle. Der Wortlaut einer Klausel ist entscheidend und auch der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Manche Klauseln erwähnen explizit „Epidemien“ oder „Pandemien“ als mögliche Fälle höherer Gewalt. Dann sieht es relativ gut aus, da die Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 als Pandemie eingestuft wurde. Schwieriger wird es, wenn eine solche Erwähnung besteht.

Das Merkmal „höhere Gewalt“ im Obligationengesetzbuch

Es gibt durchaus Vorschriften im slowenischen Obligationengesetzbuch die den Tatbestandsmerkmal „höhere Gewalt“ beinhalten. In keiner dieser Vorschriften ist aber das Merkmal definiert. 

In den Vorschriften zum Speditionsvertrag findet sich der Begriff der „höheren Gewalt“ wieder. Im Artikel 857 Absatz 5 heißt es: "Weicht der Spediteur von den erhaltenen Anweisungen ab, so haftet er auch für Schäden höherer Gewalt, es sei denn, er weist nach, dass der Schaden eintreten würde, obwohl er die erteilten Anweisungen befolgt hätte."

Beim Frachtvertrag hat der Frachtführer keinen Anspruch auf einen Teil der Zahlung, wenn die Sendung während des Transports aufgrund höherer Gewalt vernichtet wurde (Artikel 681 Absatz 3).

Artikel 617 regelt die Zerstörung von Mietgegenständen durch höhere Gewalt. Ein Mietvertrag kann gekündigt werden oder eine Mietminderung beantragt werden, wenn das Mietobjekt durch höhere Gewalt zerstört oder nur beschädigt wird (Absatz 1 und Absatz 2).

Artikel 166 enthält eine allgemeine Regelung zur höheren Gewalt. Dort heißt es: „Wurde dem Besitzer auf unrechtmäßige Weise eine Sache entzogen, die dann durch höhere Gewalt vernichtet wurde, ist die verantwortliche Person verpflichtet, dem Besitzer eine finanzielle Entschädigung zu leisten“.

Gerichtspraxis und Lehre

Die slowenischen Gerichte legen den Begriff der „höheren Gewalt“ sehr restriktiv aus. Darunter verstehen sie "höhere Gewalt" als ein fremdes (von außen kommendes) Ereignis, dessen Eintritt nicht vorhersehbar war und dadurch die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen verhindert, vermieden oder nicht gemildert werden konnte. Dabei ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht zu vernachlässigen.

Die Vertragsparteien, die sich auf höhere Gewalt berufen, müssen die erforderlichen Beweise erbringen. Wie bei jeder Haftungsfrage, spielt der Kausalzusammenhang zwischen der Nichterfüllung durch eine Partei und der Pandemie (wozu auch die Regierungsmaßnahmen zählen) eine große Rolle. Auch dieser muss entsprechend nachgewiesen werden.

Gesetzliche Bestimmungen zum Leistungsstörungsrecht

Fehlt im Vertrag eine Klausel über „höhere Gewalt“, dann kann man auf die gesetzlichen Bestimmungen des slowenischen Obligationengesetzbuch zurückgreifen. Es betrifft vor allem die Fälle von Nichterfüllung und Unmöglichkeit der Vertragsleistung. 

Als erstes könnte man den Artikel 116 des slowenischen Obligationengesetzbuches heranziehen. Dieser regelt die Unmöglichkeit der Erfüllung, für die keine Partei verantwortlich ist. Im Absatz 1 heißt es: „Wird die Erfüllung der Verpflichtung einer Vertragspartei zu einem bilateralen Vertrag aufgrund eines Ereignisses unmöglich, für das weder die erste noch die andere Partei verantwortlich ist, erlischt auch die Verpflichtung der anderen Vertragspartei; hat diese jedoch bereits einen Teil ihrer Verpflichtung erfüllt, kann sie die Rückzahlung nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung verlangen“.

Artikel 103 bis 111 regeln die Rechte einer Partei, wenn die andere Partei ihrer Verpflichtung nicht nachkommt. Zum Beispiel eine Kündigung eines Vertrages wegen Nichterfüllung.

Artikel 240 regelt die Befreiung eines Schuldners von der Haftung. Dort heißt es: „Der Schuldner haftet nicht für Schäden, wenn er nachweist, dass er seiner Verpflichtung nicht nachkommen konnte oder seine Verpflichtungen aufgrund von Umständen nach Vertragsschluss nicht erfüllt hat, die er nicht verhindern, nicht beseitigen und sogar vermeiden konnte.“ Hier wird der Vertrag nicht beendet, sondern ein Haftungsausschluss geregelt.

Clausula rebus sic stantibus

Es bleibt immer als letzteres Mittel die Möglichkeit einen Vertrag anzupassen. Der Abschnitt IV des slowenischen Obligationengesetzbuches beinhaltet Vorschriften zur Kündigung oder Vertragsänderung aufgrund veränderter Umstände (Artikel 112 bis 115). Dabei ist der Artikel 112 hier der wichtigste. Danach kann der Vertrag entweder auf Antrag der betroffenen Partei vom Gericht aufgehoben oder auf Antrag der nicht betroffenen Partei so geändert werden, dass die eingetretenen anderen Umstände, wie zum Beispiel die Coronavirus-Pandemie berücksichtigt wird. Geänderte Umstände müssen nach der Unterzeichnung des Vertrags und vor der Nichterfüllung oder einem Vertragsbruch eintreten. Wichtig ist, dass die betroffene Partei sie nicht vorhersehen, überwinden oder vermeiden konnte. Auf Antrag der nicht betroffenen Partei kann das Gericht die betroffene Partei anweisen, den gerechten Anteil des Schadens als Entschädigung zu zahlen (Absatz 5).

Es bleibt spannend, welche Auffassung die slowenischen Gerichte vertreten werden. 

GTAI-Themenspecial Coronavirus: Über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie auf Auslandsmärkte sowie damit verbundene rechtliche und zollrechtliche Fragestellungen berichten wir in unserem Themenspecial. 

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