Südafrika ist wirtschaftlich besonders von der Coronakrise betroffen. Welche Perspektiven gibt es für eine zügige Erholung? (Stand: 09.10.2020)
Seit dem 26. März gelten in Südafrika Restriktionen zur Bekämpfung des Corona-Virus. Nach einer nur langsamen, stufenweisen Aufhebung der meisten Einschränkungen ist seit dem 21. September Lockdown-Stufe 1 in Kraft. Unter Wahrung von Hygiene- und weiteren Schutzauflagen sind bei Stufe 1 fast alle gesellschaftlichen Aktivitäten erlaubt. Der Lockdown war nach internationalen Maßstäben strikt und lang.
Die Frage ist nun, wie schnell sich die südafrikanische Wirtschaft erholen wird. Erste positive Anzeichen sind da, denen stehen aber genügend Faktoren gegenüber, die für einen nur sehr langsamen Aufschwung sprechen. Dabei befindet sich Südafrika vor einem Wendepunkt. Chancen, jetzt das Land - nach rund zehn Jahren Missmanagement - endlich wieder auf produktivere Beine zu stellen, schwinden. Die Notwendigkeit für Reformen dürfte nie so groß gewesen sein.
Historischer Schock
Nach schwachen Vorjahren, in denen die Wirtschaft seit 2016 ein geringeres Wachstum aufwies als das der Bevölkerung, ist das Kapland in eine Rezession gestürzt, die historisch lediglich mit den 1930er-Jahren vergleichbar ist. Die Wachstumsprognose der Economist Intelligence Unit (EIU) für 2020 liegt bei einem Minus von 8 Prozent. Für die folgenden Jahre rechnet EIU mit einer sehr moderaten realen Steigerungsrate von 1,5 Prozent 2021 und 2,0 Prozent 2022.
Die Corona-Pandemie und die strikten Maßnahmen, die sich als Schock sowohl bei der Nachfrage als auch im Angebot niedergeschlagen haben, hat Gewinne und Investitionen erodieren lassen, den Konsum nachhaltig geschwächt und die Arbeitslosigkeit nach oben getrieben. Der private Konsum ging im 2. Quartal 2020 gegenüber dem Vorjahr um 15,7 Prozent zurück und die Investitionen um 39,3 Prozent. Bei der Industrie lag der Einbruch bei 31,3 Prozent, beim Dienstleistungssektor war ein Minus von 11,8 Prozent zu verzeichnen. Dank günstiger Regenfälle konnte die Landwirtschaft 8,9 Prozent zulegen.
Positive Signale, wenn auch noch zu schwach
Nach einem robusten Anstieg im August 2020 hat der Absa Purchasing Managers' Index im September mit 58,3 Indexpunkten nochmals eine deutliche Verbesserung angezeigt. Bei der Erhebung fallen auch Umfragen zum in 6 Monaten erwarteten Geschäftsklima positiv aus - mit 64,4 Punkten im September gegenüber 27,3 Punkten im April. Der auf einer Managerbefragung fußende Index gilt gemeinhin als zuverlässiger Frühindikator für den Privatsektor. Alle Indexpunkte oberhalb der 50 spiegeln eine Verbesserung wider.
Weiter positiv anzuführen sind Verhaftungen im Zusammenhang mit Fällen von Staatskorruption. Dies gibt dem bei Reformen und in der Korruptionsbekämpfung weiterhin als zu zögerlich geltenden Staatschef Cyril Ramaphosa Pluspunkte. Auch einige lancierte Pläne können als positive Signale gewertet werden: Dazu gehören der angekündigte Verkauf von brachliegendem Farmland, die Umsetzung der lange verschleppten Versteigerung neuer Internet-Frequenzen, ein Infrastrukturplan zur Beteiligung privater Akteure sowie die anstehende Ausschreibung von Großprojekten bei den erneuerbaren Energien.
Nicht zuletzt zieht der Bergbausektor wegen auf dem Weltmarkt gestiegener Platin- und Goldpreise deutlich an, während das starke Wachstum in der Landwirtschaft ebenso zu einem sich bildenden Silberstreif am Horizont beiträgt.
Noch ein weiter Weg
Mit den positiven Anzeichen ist das Jammertal, in dem sich die südafrikanische Wirtschaft nach dem großen Absturz befindet, noch nicht überwunden. Den erfreulichen Ansätzen stehen notwendige Reformen, eine überbordende Verwaltung und ein deutlich gestiegenes Überschuldungsrisiko gegenüber. Auch sitzt weiterhin die Skepsis tief, dass die politische Klasse Patronagenetzwerke und persönliche Eigeninteressen abbauen wird.
Die Liste dringender Reformen ist lang. Erforderlich wäre, dass zumindest ein Teil davon zügig angegangen wird. Schwer auf der Wirtschaft lasten überschuldete und hoch ineffiziente Staatsunternehmen in den Bereichen Energie, Schienenverkehr, Wasser und Telekommunikation. Stromausfälle haben sich nochmals als erhebliches Risiko für die industrielle Produktion herausgestellt.
Das Geschäftsklima müsste verbessert werden. Wenn auch häufig mit übertriebenen Befürchtungen belegt, sind hier Themen belastend wie die hohe Kriminalität, das Vorhaben, in stärkerem Maße als bisher, ohne Kompensation Land enteignen zu können, die Umsetzung des Black Economic Empowerment, eine Politik zur Stärkung der im Apartheid-Regime diskriminierten Gruppen, oder ein mangelhaftes Bergbaubaugesetz.
Auch müsste das in Afrika am weitesten industrialisierte Land mehr vom einem noch zu bildenden afrikanischen Binnenmarkt profitieren. Kaum mehr ist außerdem die Rede davon, dass Lebenshaltungskosten vor allem für die niedrigsten Einkommensgruppen durch bessere und günstigere Transportmöglichkeiten und Wohnraum gesenkt werden sollten.
Globale Eintrübungen
Es sind aber nicht alle Probleme, die eine zügige Erholung erschweren, hausgemacht; so wenig wie der wirtschaftliche Absturz 2020 selbst. Denn während die Weltmarktpreise für Mineralien anziehen, droht vonseiten der globalen Wirtschaft gleichzeitig Ungemach. Unsicherheiten über den Ausgang der US-Wahlen im November 2020 und eine sich auf der nördlichen Erdhalbkugel - zumindest in der Wahrnehmung - anbahnende zweite Infektionswelle trüben die Aussichten ein.
Gute Voraussetzungen, aber ...
Südafrika verfügt über gute Grundvoraussetzungen für eine positive wirtschaftliche Entwicklung. So ist die Kap-Republik nicht von Nahrungsmittelimporten abhängig. Die südafrikanischen Rohstoffexporte sorgen weiterhin für Einnahmen. Für den eigenständigen Ausbau der Industrie gibt es Kompetenzen. Um die gegebenen Chancen zu nutzen, müsste Südafrika allerdings endlich aus seinem Dornröschenschlaf, oder sollte es mittlerweile Coronaschlaf heißen, aufwachen und - im Rahmen einer pragmatisch ausgerichteten Coronapolitik - endlich kämpfen.
Von Fausi Najjar
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Johannesburg