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SchwedenCoronavirus
Wirtschaftsumfeld
Special Schweden Coronavirus
Die Wirtschaftsprognosen werden besser: Eine Rezession bleibt zwar unvermeidlich, ihr Ausmaß wird jedoch nicht so groß, wie zunächst befürchtet. (Stand: 18. Dezember 2020)
Von Michał Woźniak | Stockholm
Schweden könnte wirtschaftlich weit besser durch die Coronakrise kommen, als noch im Frühjahr 2020 befürchtet. Die Europäische Kommission bescheinigt dem Königreich in ihrer Herbstprognose den drittniedrigsten Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) 2020 in der gesamten Europäischen Union: -3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In ihrer neuesten Wirtschaftsanalyse von Mitte Dezember geht die dortige Regierung sogar von weniger als 3 Prozent aus.
Sehr viel optimistischer sind Experten vor allem in Bezug auf die Investitionstätigkeit der Unternehmen. Um etwa ein Drittel abgeschwächt wurden auch die Negativprognosen bezüglich des Außenhandels. Und aus schwedischer Sicht besonders wichtig: Die Exporte sollen weniger nachlassen als die Importe.
Die günstigere Entwicklung der Unternehmen sollte auch den Einbruch auf dem Arbeitsmarkt abmildern. Die Arbeitslosenquote wird zwar um mehr als 2 Prozentpunkte gegenüber 2019 zulegen und auch 2021 bei etwa 9 Prozent verharren. Bisher wurde jedoch ein niedriger, zweistelliger Wert nicht ausgeschlossen. Den Rückgang beim Privatkonsum wird dies allerdings nur geringfügig verlangsamen.
Die Erholung wird allerdings einige Zeit in Anspruch nehmen. Das BIP könnte im Laufe des Jahres 2022 auf sein Vorkrisenniveau zurückkehren, ebenso wie der Privatkonsum. Die Regierung ist überzeugt, mit ihren angekündigten Maßnahmen für eine dynamischere Entwicklung sorgen und die bis vor kurzem prognostizierte, langfristige Investitionsschwäche überwinden zu können. Zu den geplanten Maßnahmen gehören Vergünstigungen für Maschinenkäufe, die Förderung von Forschung und Entwicklung, "grüne" Staatsinvestitionen und zahlreiche Stützen für den Arbeitsmarkt, Jobeinsteiger und das Wachstum von Kleinstfirmen. Die Bruttoanlageinvestitionen sollen 2020 lediglich um 1,5 Prozent unter dem Vorjahreswert liegen. Zudem soll der Rückgang bereits 2021 mehr als wettgemacht werden und die beiden Folgejahre ein 3- bis 4-prozentiges Wachstum bringen.
Dass der Optimismus nicht gänzlich unbegründet ist, scheint die Entwicklung des von der Swedbank erhobenen Purchasing Manager Indexes (PMI) im verarbeitenden Gewerbe zu bestätigen. Nach einem Einbruch im Frühjahr 2020, wächst dieser seit Mai wieder kontinuierlich und lag im November weit über dem Vorjahreswert. Dasselbe gilt für die Unterindizes für Auftragseingang und -bestand sowie die Produktion. In allen drei Fällen wurden im November zwei- bis dreijährige Höchststände gemessen. "Das schwedische verarbeitende Gewerbe verzeichnet weiterhin ein robustes Wachstum. Die Produktionspläne werden trotz einer Zunahme von Covid-19-Fällen und strengeren Beschränkungen erweitert", unterstreicht auch Jörgen Kennemar, der für die Analyse des PMI bei der Swedbank verantwortlich ist. Seiner Meinung nach ist diese Entwicklung nicht zuletzt der steigenden Auslandsnachfrage zu verdanken. Lediglich die wieder zunehmenden Wartezeiten auf Zulieferungen könnten Sorgen bereiten.
Insgesamt scheint sich aber das Risiko einer Konkurswelle abzuschwächen. Innerhalb der ersten elf Monate 2020 wurden laut dem staatlichen Unternehmensanalysebüro Tillväxtanalysetwa etwa 3 Prozent weniger Bankrotte verzeichnet als im gleichen Vorjahreszeitraum. Die Anzahl der durch sie verloren gegangenen Jobs stieg derweil um 10 Prozent. Vor allem im Einzelhandel mussten einige größere Arbeitgeber aufgeben. In den meisten Fällen befanden sich die Unternehmen aber bereits vor der Coronakrise in Schieflage. Auch im Großhandel, dem Hotelwesen und der Gastronomie nahm die Zahl der insolventen Firmen zu.
Lesen Sie die aktuelle Einschätzung der schwedischen Wirtschaftslage von Professor Hubert Fromlet, Senior Berater der Deutsch-Schwedischen Handelskammer.
Dank der EU-weiten Koordination sollte die erste Impfstofflieferung Ende Dezember 2020 in Schweden eintreffen. „Der Impfstoff wird zunächst in sehr kleinen Mengen ankommen”, sagt Richard Bergström, Impfstoffkoordinator des Landes. Laut EU-Verträgen hat das Königreich Anspruch auf 2 Prozent der Allokation - etwa 4 Millionen Dosen. Jeder Patient muss zwei Impfungen erhalten.
Eine Priorisierung ist unumgänglich. „Oberste Priorität haben ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen. Im zweiten Schritt folgen Mitarbeiter im Gesundheitswesen und in der Pflege. Erst danach wird die Impfung anderer Bürger relevant“, skizziert Bergström den Impfplan.
Doch selbst wenn mit der zweiten Impfstoffrunde im April 2021 der Wirkungsradius ausgedehnt werden kann, wird der Weg zur Normalität noch lang sein. „Ich glaube, dass diese Krankheit immer das Potenzial haben wird, Ausbrüche in Umgebungen zu verursachen, in denen sich viele Menschen versammeln“, erklärt Staatsepidemiologe Anders Tegnell im Gespräch mit dem Tagesblatt Aftonbladet. Die Möglichkeiten einer effektiven Vorbeugung sieht er eher pessimistisch: „Es ist sehr schwer vorherzusagen, was die großen Probleme sein werden. Wir neigen dazu, uns auf das vorzubereiten, was bereits geschehen ist. Aber normalerweise passiert dasselbe nicht noch einmal.“ An eine Normalisierung bis zum Sommer 2021 glaubt Tegnell nicht.
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