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Rechtsbericht Vereinigtes Königreich Brexit

Britische Regierung informiert zum neuen Vergaberecht

Post Brexit soll die öffentliche Auftragsvergabe einfacher werden. Dazu gab es im Dezember 2020 eine Konsultation. Jetzt hat die Regierung auf den Input der Stakeholder reagiert.

Von Karl Martin Fischer | Bonn

Aktuell beruhen die Grundlagen des britischen Vergaberechts auf den Regeln der Europäischen Union (EU). Nach dem EU-Austritt gibt es keine Bindung mehr an Vorgaben aus Brüssel. Die britische Regierung hat daher ein komplett neues Regime entworfen. Bemerkenswert: Es soll nur für England gelten, in Schottland, Wales und Nordirland müsste es, wenn gewollt, übernommen werden. In einer weiteren wichtigen Vorbemerkung wird angekündigt, dass mit einer Implementierung der neuen Regeln frühestens 2023 zu rechnen ist.

Es gibt drei wichtige Prinzipien

Künftig sollen alle Regeln drei grundsätzlichen Prinzipien dienen: a) Transparenz, b) Diskriminierungsfreiheit sowie c) faire Behandlung der Bieter. Verstöße gegen diese Prinzipien dürften voraussichtlich dazu führen, eine Vergabeentscheidung anfechtbar zu machen.

Des Weiteren gibt es einige Zielstellungen, die ursprünglich auch als Prinzipien vorgesehen, dann aber "zurückgestuft" wurden: der öffentliche Nutzen, Preis-Leistungs-Verhältnis und Integrität. Hier ist die rechtliche Einordnung dieser Ziele noch nicht vollständig klar.

Vereinfachung bleibt das wichtigste Ziel

Hauptziel der Reform ist die Vereinfachung des Rechtsrahmens für das Vergaberecht. Zukünftig soll es nur noch ein einheitliches gesetzliches Regelwerk geben. Nur bei der Vergabe von Aufträgen im Versorgungssektor (z.B. Wasser-, Energieversorgung) kann es auch künftig mehr Flexibilität geben. Dies hat die Regierung ausdrücklich konzediert.

Im Green Paper, das der Konsultation zugrunde lag, war geplant, die Zahl der zur Verfügung stehenden Verfahren von sieben auf drei zu reduzieren. Dabei soll es bleiben. Es handelt sich dabei um

  • ein flexibles, wettbewerbliches Verfahren als Ersatz für das nicht offene Verfahren, den wettbewerblichen Dialog und das Verhandlungsverfahren,
  • ein offenes Verfahren, und
  • ein beschränktes Ausschreibungsverfahren für Krisensituationen oder besonders dringliche Verfahren. 

Die Regierung hat zur Erleichterung der Umstellung umfangreiche Hilfestellungen inklusive Vorlagen angekündigt.

No more MEAT

Eine weitere, potentiell sehr wichtige Änderung, aus dem Green Paper hat die Konsultation ebenfalls überdauert: MEAT (most economically advantageous tender) wird ersetzt durch MAT (most advantageous tender). Damit haben die ausschreibenden Stellen größere Flexibilität bei der Bestimmung der Erfolgskriterien. Somit können zukünftig zum Beispiel ökologische oder soziale Erwägungen eine gewichtigere Rolle spielen als rein wirtschaftliche.

Mehr noch: Künftig soll die Regierung sogar die Möglichkeit haben, bestimmte politische Prioritäten als Zuschlagskriterien für öffentliche Aufträge zu erklären. Dies selbst dann, wenn keine Verbindung mit dem Inhalt des Vertrags besteht. Auch dies wäre eine erhebliche Änderung zum Status Quo und würde es der Regierung ermöglichen, über die Vergabe öffentlicher Aufträge ihre politische Agenda zu implementieren.

Ausschluss von Bietern soll stets für fünf Jahre gelten

Auch die Regelungen betreffend den Ausschluss von Anbietern von der Vergabe öffentlicher Aufträge soll vereinfacht werden. Ein solcher Ausschluss kann beispielsweise wegen Betrugs, Korruption oder Schlechtleistung erfolgen. Neue Ausschlussgründe sollen Bieter eliminieren, die das Vertrauen der Öffentlichkeit in den öffentlichen Vergabeprozess gefährden. Weitere mittels eines Ausschlusses zu schützende Ziele sind - wenig überraschend - der Schutz der Bevölkerung, der Umwelt und der nationalen Sicherheit.

Wenn es einen Ausschluss gibt, soll dieser künftig stets fünf Jahre andauern, egal, ob es sich um eine gebundene Entscheidung oder eine Ermessensentscheidung handelt. Weiterhin soll es ein zentrales Register ausgeschlossener Teilnehmer geben, inklusive wegen Schlechtleistung ausgeschlossener Bieter.

Mehr Transparenz und Rechtsschutz

In Sachen Transparenz geht der Entwurf deutlich über das aktuelle Recht hinaus: Bei einem Auftragswert von mehr als 2 Millionen Pfund sollen die Vergabestellen künftig verpflichtet sein, die Verträge mit dem erfolgreichen Bieter zu  veröffentlichen. Außerdem müssen sie ihre internen Auswertungsdokumente über den erfolgreichen Bieter den unterlegenen Bietern zur Verfügung stellen. Unterlegene Bieter haben außerdem Anspruch auf die Dokumente, die ihr eigenes Angebot bewerten.

Betreffend den Rechtsschutz gegen behauptete Verletzungen der Rechte eines Bieters gibt es interessante neue Entwicklungen: So wurde die im Weißbuch noch vorgeschlagene Deckelung von Schadensersatzansprüchen verworfen. Auch die angedachte Schaffung spezieller Vergabegerichte wird wohl nicht kommen. Stattdessen soll das bestehende Verfahren beschleunigt werden.

Besonders relevant in Sachen Vergaberechtsschutz ist stets die Frage, ob der mit dem erfolgreichen Bieter abgeschlossene Vertrag erfüllt werden kann, wenn ein unterlegener Bieter gegen die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers vorgeht. Normalerweise gilt hier eine automatische Suspendierung des Vertrages bis zur Klärung des Rechtsstreits. Nach der Intention der Regierung kann diese allerdings aufgehoben werden, wenn dies zu wesentlichen Konsequenzen für die verschiedenen betroffenen Interessen führen würde. Besonders relevant dürften hier mögliche Konsequenzen für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben sein. Im Ergebnis würde eine solche Regelung den Gerichten aber erheblichen Spielraum bieten.

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