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Wirtschaftsumfeld | Moldau | EU-Finanzhilfen

Neue Regierung in Moldau: „Justizreform hat oberste Priorität“

Das neue Kabinett kündigt Reformen an, die den Standards der Europäischen Union (EU) entsprechen. Im Gegenzug stellt die EU 600 Millionen Euro an Finanzhilfen bereit.

Von Christian Overhoff | Bonn

In der Republik Moldau ist eine pro-europäische Regierung dabei, die tiefe, endemische Korruption in dem Land aufzubrechen. „Die oberste Priorität der Republik Moldau und des Parlaments, der Regierung und von mir als Justizminister ist die Reform des Justizsystems. In den nächsten vier Jahren wollen wir, dass sich die Situation radikal gegenüber der jetzigen Situation ändert“, sagte Justizminister Sergiu Litvinenco Ende August gegenüber dem Recherchenetzwerk BIRN.

Justizreform und Konjunkturprogramm sollen Wachstum beschleunigen

„Das Land ist zurück auf dem Reformweg, insbesondere im Justizbereich und der Korruptionsbekämpfung“, attestierte Michael Siebert, Managing Director für Russland, die Östliche Partnerschaft, Zentralasien, Regionale Kooperation und OSZE des Europäischen Außendienstes, Mitte September bei einem offiziellen Besuch in Chisinau.

Die Europäische Kommission hat im Juni ein Konjunkturprogramm für die Republik Moldau angekündigt, mit dem bis zu 600 Millionen Euro an Mikrofinanzhilfen, Zuschüssen und Investitionen mobilisiert werden sollen. Diese werden durch Mischfinanzierungen und Finanzgarantien ergänzt. Die Mittel werden in den nächsten drei Jahren bereitgestellt, um Investitionen zu fördern, die eine nachhaltige Erholung von der Covid-19-Krise im Land unterstützen.

Das Programm ist in fünf Abschnitte untergliedert: Verwaltung der öffentlichen Finanzen und wirtschaftspolitische Steuerung; wettbewerbsfähige Wirtschaft, Handel und KMU; Infrastruktur; Bildung und Beschäftigungsfähigkeit; Rechtsstaatlichkeit und Reform des Justizwesens.

Moldau muss für Konjunkturhilfen strenge Auflagen erfüllen

Voraussetzung für die finanzielle Unterstützung sind Fortschritte bei den Strukturreformen, insbesondere im Bereich Justiz und Korruptionsbekämpfung. Die Chancen stehen gut: In Moldau sind die prowestlichen Reformkräfte so stark wie noch nie.

Nachdem bereits im November 2020 die ehemalige Weltbankmitarbeiterin Maia Sandu zur Staatspräsidentin gewählt worden war, gewann ihre Partei PAS (Partei der Aktion und Solidarität) im Juli 2021 auch die Parlamentswahl mit 63 von 101 Sitzen überragend. Sie verfügt damit über eine ausreichende Mehrheit, um die nächsten vier Jahre allein zu regieren.

Am 6. August 2021 wurde die Harvard-Absolventin und ehemalige Finanzministerin Natalia Gavrilita als neue Regierungschefin vereidigt. Damit sind erstmals weder oligarchisch geprägte Parteien noch die prorussischen Sozialisten in der Staatsführung vertreten.

Weiterführende Informationen: 

Wirtschaftsausblick Moldau

SWOT-Analyse Moldau

Branchencheck Moldau

Die Erwartungen sind deshalb hoch, bewertet auch das German Economic Team (GET) die Situation. Die Beratergruppe unterstützt im Auftrag der deutschen Bundesregierung einige der Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Das neue Kabinett wurde von 9 auf 13 Ministerien erweitert. Ein Highlight war die Ernennung eines stellvertretenden Premierministers für Digitalisierung - ein Thema, das während der Pandemie in der vorherigen Legislaturperiode eher ignoriert worden war.

Absetzung des Generalstaatsanwaltes entscheidend

Ende August kündigte der Justizminister an, dass alle hohen Richter und Staatsanwälte überprüft werden sollen. Moldau gilt als eines der korruptesten Länder Europas. Dennoch gab es in den letzten Jahren keine einzige Verurteilung in einem hochkarätigen Korruptionsfall.

Weder der „Grand Theft“, der Diebstahl von mindestens 1 Milliarde US-Dollar im Jahr 2015 aus dem moldauischen Bankensystem, noch der sogenannte „Russian Laundromat“, unter dem Milliarden US-Dollar über moldauische Banken gewaschen wurden, sind aufgeklärt. Ein Hauptziel der Regierung ist deshalb die Absetzung des im November 2019 gewählten Generalstaatsanwalts Aleksandr Stoianoglo.

Der Generalstaatsanwalt wird mit dem flüchtigen Oligarchen Veaceslav Platon in Verbindung gebracht, der Staatspräsidentin Sandu zufolge in die beiden größten Korruptionsfälle verwickelt war. Platon wurde am 15. Juni 2020 aus der Haft entlassen, nachdem Stoianoglo einige Anklagen gegen ihn fallen gelassen hatte. Platon floh kurz nach den Parlamentswahlen im Juli 2021 nach London. Zudem kündigte der Justizminister an, einen besseren rechtlichen Rahmen für die Beschlagnahme illegaler Vermögen zu schaffen.

EU-Assoziierung: Republik Moldau passt Zollkodex an

Auch im Bereich Zoll geht die Regierung auf die EU zu: Am 24. August beschloss das Parlament in letzter Lesung den Gesetzentwurf zum neuen Zollkodex. Damit werden noch ausstehende Anpassungen im Rahmen des Assoziierungsabkommens zwischen der Republik Moldau und der Europäischen Union umgesetzt.

Mit den neuen Regelungen soll die Zollgesetzgebung systematisiert werden, die den derzeitigen Zollkodex, das Gesetz über den Zolltarif und das Gesetz über die Einführung und Entnahme von Vermögenswerten durch Privatpersonen aus der Republik Moldau umfasst. Die neuen Regelungen treten laut Agentur Moldpres zum 1. Januar 2023 in Kraft.

Warenverkehr mit Russland: Hoffnung auf Normalisierung

Trotz der neuen, jetzt eindeutig westlich orientierten Regierung suchen weder die PAS und Staatspräsidentin Sandu noch Russland bisher die Konfrontation. Sandu und ihr Team haben immer betont, dass geopolitische Fragen keine Priorität hätten. Im Vordergrund stünden rechtsstaatliche Reformen und der Kampf gegen die Korruption.

Moskau stellt der neuen Regierung die Aufhebung der Einfuhrhürden für moldauische Agrarprodukte in Aussicht. Im Gegenzug fordert die russische Regierung wieder einen freien Zugang für russische Waren nach Moldau. Russland war vor Errichtung der Zollschranken durch Präsident Wladimir Putin im Jahr 2019 ein Hauptabsatzmarkt für moldauische Agrarprodukte.

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