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Ägypten setzt neben grünem auch auf blauen Wasserstoff

Die Regierung will ihre Wasserstoffstrategie bis spätestens Juni 2022 veröffentlichen. Erste Unternehmensprojekte stehen in den Startlöchern.

Von Friedrich Henle | Berlin

In Ägypten gewinnt das Thema klimafreundlicher Wasserstoff langsam an Fahrt. Vor der nächsten UN-Klimaschutzkonferenz (COP27) im November 2022 im ägyptischen Scharm El-Scheich will die Regierung eine Wasserstoffstrategie veröffentlicht haben und erste Projekte vorzeigen können. Laut Pressemeldungen soll eine internationale Beratungsfirma an der Ausarbeitung der Strategie mitwirken. Als Zielgröße steht eine Elektrolysekapazität von 1,4 Gigawatt bis 2030 im Raum. Die Kosten dürften 40 Milliarden US-Dollar (US$) betragen. Weitere Details sind im März 2022 jedoch noch nicht bekannt.

Ausländische Unternehmen kündigen Projekte an

Mehrere Unternehmen positionieren sich bereits zum Thema Wasserstoff in Ägypten. Seit Januar 2021 ist Siemens Energy in Gesprächen für ein Pilotprojekt für grünen - aus erneuerbaren Energien hergestellten - Wasserstoff, bei dem die Elektrolyseleistung 200 Megawatt betragen soll. Im August 2021 unterzeichnete das Unternehmen dazu eine Absichtserklärung mit dem staatlichen Stromkonzern Egyptian Electricity Holding Company (EEHC).

Das italienische Unternehmen Eni erstellt laut Presseberichten Machbarkeitsstudien über die Produktion von grünem und blauem Wasserstoff in Ägypten. Auch die belgische DEME-Gruppe wird im Rahmen einer Vereinbarung mit dem Öl- und dem Elektrizitätsministerium sowie der ägyptischen Marine an Forschungsaktivitäten von grünem Wasserstoff mitwirken. Das südkoreanische Unternehmen Hyundai Rotem und das italienische Energieunternehmen Snam haben das Thema ebenfalls mit ägyptischen Regierungsvertretern erörtert.

Internationales Konsortium für Anlage am Roten Meer steht

Laut Branchenexperten ist das im Oktober 2021 angekündigte Vorhaben in Ain Suchna am Roten Meer das in der Planung am weitesten fortgeschrittene, auch wenn die Finanzierung wohl noch nicht in trockenen Tüchern ist. Die Anlage soll in der ersten Phase eine installierte Elektrolyseleistung von 100 Megawatt umfassen. Der produzierte grüne Wasserstoff soll als Ausgangsmaterial für die Ammoniakproduktion dienen, die das Unternehmen Egyptian Basic Industries Corporation (EBIC) dort bereits unterhält. Pro Jahr könnten somit 90.000 Tonnen grüner Ammoniak hergestellt werden.

Hinter dem Projekt steht ein internationales Konsortium aus Scatec (Norwegen), Orascom Construction (Ägypten), Fertiglobe (Vereinigte Arabische Emirate) und dem ägyptischen Staatsfonds (The Sovereign Fund of Egypt). Als Lieferant für die Elektrolyseure hat das Konsortium das US-Unternehmen Plug Power ausgewählt. Der Strom für die Elektrolyseure soll aus dem Netz bezogen und durch Zertifikate für erneuerbare Energien unterstützt werden. Mit dem Erwerb der Grünstromzertifikate sei die Nachhaltigkeit der Bezugsquellen vom Strom sichergestellt, so ein Sprecher von Scatec gegenüber der Zeitschrift Recharge.

Erstes Waste-to-H2-Großprojekt in Planung

In noch größere Dimensionen stößt ein Wasserstoffprojekt von H2-Industries vor. Das US-Unternehmen verkündete Anfang Februar 2022, dass es mit der Behörde der Suezkanal-Wirtschaftszone eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnet habe. Bei diesem Projekt in East Port Said am Suezkanal sollen mittels Thermolyse pro Jahr aus etwa 4 Millionen Tonnen Bio- und Kunststoffabfällen rund 300.000 Tonnen Wasserstoff erzeugt werden. Die Anlage hätte eine Leistung von 1.000 Megawatt und würde rund 3 Milliarden US$ kosten. Wird das Vorhaben umgesetzt, könnte es einen nachhaltigen Beitrag zur Bewältigung des Müllproblems in Ägypten leisten.

Blauer Wasserstoff spielt übergangsweise eine Rolle

Schon jetzt ist klar, dass Ägypten in einer Übergangsphase zu einem guten Teil auch auf blauen Wasserstoff setzt. Blauer Wasserstoff wird mit Erdgas hergestellt. Das dabei entstehende Kohlendioxid wird jedoch abgeschieden und unterirdisch eingelagert oder weiter industriell genutzt (CCUS - carbon capture, storage and utilization). Aufgrund der großen Erdgasvorkommen und der vorhandenen Gasinfrastruktur im Land möchte die Regierung nicht auf diese Option verzichten. Doch es bestehen dabei auch technische Risiken sowie die Herausforderung, dass der inländische Gasverbrauch ohnehin stark ansteigt.

Erneuerbare Energien auf dem Vormarsch

Ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien wird ein noch wichtigerer Weg sein. Ägypten hat hier in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt. Dennoch entstammten laut der International Renewable Energy Agency (IRENA) im Jahr 2020 erst 10 Prozent der Stromerzeugungskapazitäten aus erneuerbaren Quellen. Die Regierung hat sich als Ausbauziel für erneuerbare Energien einen Anteil von 42 Prozent am Strommix bis zum Jahr 2035 gesetzt. Prinzipiell hat das Land hervorragende Voraussetzungen, um deutlich mehr Solar- und Windstromkapazitäten aufzubauen. Ägypten erwirtschaftet bereits jetzt Stromüberschüsse. Deshalb stellt zukünftig die Umwandlung in grünen Wasserstoff - neben der Nutzung von grünem Strom für Entsalzungsanlagen oder dem Stromexport - eine interessante Option dar.

Ägyptens Industrie verbraucht viel Wasserstoff

Um klimaschädliche Emissionen zu senken, wäre es für Ägypten auch folgerichtig, zunächst die eigene Wasserstoffproduktion klimafreundlicher zu gestalten. Das Oxford Institute for Energy Studies schätzt in einer im November 2021 veröffentlichten Studie, dass Ägyptens Industrie jedes Jahr rund 1,8 Millionen Tonnen Wasserstoff verbraucht - allein drei Viertel davon für die Produktion von Düngemitteln und Stahl.

Bei der Produktion dieses bisher ausschließlich grauen - auf Basis von Erdgas hergestellten - Wasserstoffs entstehen jährlich 16 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Diese Menge entspricht rund 6 Prozent der gesamten Kohlendioxidemissionen Ägyptens. Die Studie führt weiterhin aus, dass eine installierte Leistung von 36 Gigawatt an erneuerbaren Energien nötig wäre, um in industriellen Anwendungen komplett auf grünen Wasserstoff umzustellen. Dies würde eine Versechsfachung der aktuell installierten erneuerbaren Erzeugungsleistung von rund 6 Gigawatt bedeuten.

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