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Tiefbau: Marktlage und Marktentwicklung

Der Bedarf an Wasser-, Transport- und Energieinfrastruktur ist groß. Fraglich ist allerdings die Finanzierung. Nur kostendeckende Preise werden zu notwendigen Investitionen führen.

Von Sherif Rohayem | Kairo

Der Infrastructure Outlook der G20-Initiative schätzt bis zum Jahr 2040 die Kosten für Ägyptens notwendige Infrastruktur auf rund 675 Milliarden US-Dollar (US$). Diesen Betrag wird die ägyptische Regierung nicht allein aufbringen können. Den Prognosen des Infrastructure Outlook zufolge stehen dem Staat hierfür nur 445 Milliarden US$ zur Verfügung. Diese Finanzierungslücke ist angesichts des Kriegs in der Ukraine und steigender Weizen- und Energiepreise nochmals gewachsen. Schließen soll sie nach den Vorstellungen der ägyptischen Politik die Privatwirtschaft - und zwar im Wege von öffentlich-privaten Partnerschaften.

Allerdings steht die Regierung hier vor schwierigen Zielkonflikten. Damit sich für ein Privatunternehmen etwa der Betrieb einer Wasseraufbereitungsanlage oder einer Bahnstrecke lohnt, müssen die gegenwärtig noch subventionierten Nutzungsgebühren und Tarife für solche Dienstleistungen stark angehoben werden. Andernfalls wäre der Betrieb wirtschaftlich nicht profitabel.

Betrieb öffentlicher Dienste nicht kostendeckend

Nach mehreren tiefgreifenden Subventionskürzungen und weiteren Austeritätsmaßnahmen sowie einer Inflation von knapp 32 Prozent im Februar 2023 stellen zusätzliche Preiserhöhungen öffentlicher Dienstleistungen die Entscheider vor schwierige Abwägungen. Eine kostendeckende Querfinanzierung durch Steuern scheitert am geringen Aufkommen. Denn einerseits bietet das Steuerrecht zahlreiche Ausnahmen für einen wichtigen Teil der Unternehmenslandschaft, sodass wertvolle Einnahmequellen liegen gelassen werden. Auf der anderen Seite stellen kleine und mittlere Unternehmen den Großteil der Privatwirtschaft, agieren aber häufig inoffiziell und entgehen dadurch der Besteuerung.

Dennoch arbeitet die Regierung weiter an einer Finanzierung der Daseinsvorsorge, die sich stärker an Nutzergebühren orientiert. So wurden im vergangenen Jahr etwa die Fahrkartenpreise für die Kairo Metro um 66 Prozent angehoben. Ähnliches lässt sich im Wassersektor beobachten. Jedoch geht es hier um viel grundlegendere Fragen - etwa darum, den Verbrauch überhaupt zu berechnen. Sehr technisch ist in diesem Zusammenhang von sogenannten kommerziellen Wasserverlusten die Rede, wenn der Wasserverbrauch gar nicht oder nur unzureichend abgerechnet wird.

Güter sollen auf die Schiene

Der Bahnsektor ist dem Volumen nach der größte Investitionsschwerpunkt der Regierung. Wegen der Emissionseinsparungen werden mit Geberunterstützung zahlreiche Projekte umgesetzt. Schwerpunkte bildet der Personennahverkehr in den Ballungszentren Kairo und Alexandria. Ebenso gilt es, den Zugang zur neuen Verwaltungshauptstadt mit entsprechenden Bahnverbindungen zu gewährleisten.

Im Fernverkehr soll neben der existierenden Nord-Süd-Achse eine Ost-West-Verbindung entstehen. Dies ist auch deshalb wichtig, weil mit der neuen Verwaltungshauptstadt und der Wirtschaftszone am Suezkanal insgesamt eine Verlagerung nach Osten stattfindet. Außerdem kommt die neue Achse auch aus strategischen Gründen zum richtigen Zeitpunkt. Denn unter dem Eindruck der Coronakrise hat eine Diversifizierung des Gütertransportes Richtung Ostasien stattgefunden, die den Schienenverkehr stärker berücksichtigt. Diesen Trend wird auch die sechstägige Blockade des Suezkanals durch das Schiff Ever Given im April 2021 unterstützt haben.

Der Gütertransport in Ägypten verläuft hauptsächlich über die Straße. Auch hier soll eine Verlagerung auf die Schiene stattfinden. In dem Zusammenhang stehen auch die zahlreichen Trockenhäfen, die sich in der Planung und in der Umsetzung befinden. Diese sollen die Seehäfen entlasten und mit dem Schienennetz verbunden werden. Ein neues Zollgesetz flankiert diese Bemühungen.

Wiederverwertung gegen Wasserstress

Schon heute leidet Ägypten mit einem Wasserangebot von 570 Kubikmeter pro Person und Jahr unter Wasserknappheit. Mit der Auffüllung des äthiopischen Renaissance Dam, dem Bevölkerungswachstum und dem Klimawandel wird sich dieser Mangel weiter verschärfen. Zusätzlicher Druck geht von der fortschreitenden Urbarmachung der westlichen Wüste sowie der Industrialisierung des Gebiets um den Suezkanal aus.

Der längste Hebel für Wassereinsparungen liegt in der Landwirtschaft. Deren Anteil am Gesamtverbrauch beträgt 80 Prozent. Neben der Einführung effizienterer Bewässerungsmethoden setzen ägyptische Planer auf die Wiederverwertung landwirtschaftlichen Drainagewassers und effiziente Bewässerungsmethoden.

Dazu sollen mit dem Bau von Wasserentsalzungsanlagen an den ägyptischen Küsten neue Quellen erschlossen werden. Zu den Nachteilen von Wasserentsalzung zählt der sehr energieintensive Prozess. Aber auch hier gibt es Lösungen, die auf Solarenergie setzen.

Schließlich soll die Abdeckung der Haushalte in strukturschwachen Regionen mit grundlegender Infrastruktur wie Kanalisations- und Stromanschlüssen erhöht werden. Hier startete Anfang 2019 eine Initiative zur Entwicklung von 4.200 Dörfern. Bis Januar 2021 konnten bereits 1.500 Dörfer entwickelt werden.

Stromnetz stößt an Kapazitätsgrenzen

Ägypten hat mittlerweile einen Überschuss an Strom. Dennoch kommt es immer wieder zu Stromausfällen. Das liegt daran, dass die Netze die eingespeiste Menge nicht immer verarbeiten können, weil sie meist veraltet und ausbaubedürftig sind. Insofern gibt es bei dem Aufbau und der Modernisierung des Stromnetzes ein breites Betätigungsfeld mit zahlreichen Investitionen in der Pipeline.

Die Überschüsse an Strom will Ägypten über Interkonnektoren an seine Nachbarländer exportieren - unter anderem nach Saudi-Arabien zur Versorgung der neuen Superstadt NEOM am Roten Meer oder in den Irak. Dessen Abhängigkeit von iranischen Importen in Höhe von täglich 1.200 Megawatt finden viele regionale Beteiligte und die USA bedenklich. Über den geplanten EuroAfrica Interconnector soll ägyptischer Strom über Zypern auf das europäische Festland gelangen.

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