Wirtschaftsumfeld | Afrika | Handel und Vertrieb
Türkische Unternehmen trumpfen in Afrika auf
Die Türkei hat sich im Ringen um Geschäftschancen in Afrika eine vorteilhafte Position verschafft. Nicht nur im Baugewerbe sehen deutsche Firmen einen erfolgreichen Wettbewerber.
24.05.2023
Von Tobias Schill | Bonn
Türkische Unternehmen punkten in Afrika gegenüber der internationalen Konkurrenz mit einer Kombination aus guter Technik und moderaten Preisen - so die Einschätzung von Mark E. Wild, Sales Manager Africa bei der deutschen The Packaging Group (TPG), im Interview mit Germany Trade & Invest (GTAI). Stefano Bordogna, Verkaufschef beim italienischen Bekleidungsmaschinenhersteller Macpi, verdeutlicht im Gespräch mit GTAI, dass Exporteure aus der Türkei "seit der massiven Abwertung der Lira besonders günstig anbieten können". Europäische Hersteller von Maschinen und Anlagen der oberen Preisklasse täten sich schwer gegenüber der billigeren Konkurrenz aus Anatolien.
Doch nicht nur Preisvorteile und Geschäftssinn prägen die Wettbewerbsfähigkeit türkischer Unternehmen in Afrika. Der Erfolg ist auch das Ergebnis einer langjährigen strategischen Afrikapolitik der Regierung Erdoğan.
Gewachsene Wirtschaftsbeziehungen
Seitdem die Türkei 2005 das "Jahr Afrikas“ ausgerufen hat, baut sie ihre Präsenz auf dem Kontinent kontinuierlich aus. In den vergangenen 15 Jahren wurden zahlreiche türkische Auslandsvertretungen auf dem Kontinent neu eröffnet; heute zählt das türkische Außenministerium 44 Botschaften. Mit 45 afrikanischen Ländern werden zudem gemeinsame "Business Councils“ zur Förderung der Wirtschaftsbeziehungen unterhalten.
Nach Angaben des International Trade Center lag das Handelsvolumen 2022 bei 33,5 Milliarden US-Dollar (US$) und hat sich damit in den letzten 20 Jahren mehr als verelffacht. Das erklärte Ziel der Regierung in Ankara ist es, den bilateralen Handel bis 2025 auf ein Volumen von 50 Milliarden US$ zu steigern.
Türkische Importe | 2022 | Türkische Exporte | 2022 |
---|---|---|---|
Welt (gesamt) | 363.710.987 | Welt (gesamt) | 254.171.899 |
Afrika (gesamt) | 9.510.509 | Afrika (gesamt) | 24.021.921 |
Ägypten | 2.550.883 | Ägypten | 4.557.744 |
Südafrika | 1.585.297 | Marokko | 3.092.239 |
Algerien | 1.367.257 | Libyen | 2.841.054 |
Marokko | 1.017.707 | Algerien | 2.069.174 |
Libyen | 767.019 | Südafrika | 1.706.159 |
Tunesien | 396.453 | Tunesien | 1.598.584 |
Côte d‘Ivoire | 317.039 | Nigeria | 806.124 |
Mauretanien | 285.173 | Senegal | 705.664 |
Sudan | 233.037 | Dschibuti | 549.588 |
Tschad | 116.296 | Sudan | 462.915 |
Schwerpunktregion für türkische Direktinvestitionen
Als einzige Exportkreditagentur der Türkei fungiert die Türk Eximbank als wichtiges politisches Instrument zur Förderung türkischer Unternehmen in Afrika. Sie setzte in den vergangenen Jahren stark auf die Zusammenarbeit mit afrikanischen Finanzinstituten wie der Afreximbank, Ecowas Bank, Trade Development Bank und African Trade Insurance. Finanzielle Vereinbarungen, etwa zur Risikoteilung oder der Verlängerung von Kreditlinien, pflasterten den Pfad für die stärkere Beteiligung türkischer Unternehmen an afrikanischen Großprojekten, insbesondere im Bausektor.
Laut Investment Monitor rangiert der Nahe Osten und Nordafrika auf dem dritten und Subsahara-Afrika auf dem vierten Platz bei den ausländischen Direktinvestitionen (FDI) der Türkei im Zeitraum zwischen 2019 und 2021. Damit zogen die beiden Regionen mehr Projekte an als Nordamerika, der asiatisch-pazifische Raum sowie Mittel- und Südamerika.
Region/Land | 2019 | 2020 | 2021 |
---|---|---|---|
Afrika gesamt | 1.169 | 1.295 | 1.642 |
Algerien | 1.094 | 966 | 952 |
Ägypten | 189 | 244 | 294 |
Ghana | 113 | 141 | 209 |
Mauritius | 44 | 86 | 111 |
Marokko | 29 | 94 | 110 |
Liberia | 54 | 54 | 55 |
Senegal | 1 | 2 | 37 |
Kenia | 12 | 14 | 14 |
Mosambik | 8 | 3 | 12 |
Kamerun | 10 | 12 | 8 |
Die türkische Bauwirtschaft in Afrika als Paradebeispiel
Beispielhaft für den Erfolg türkischer Unternehmen auf dem Kontinent ist die Bauwirtschaft. Türkische Baukonzerne wickeln nach chinesischen die meisten Bauprojekte in Afrika ab. 17,8 Prozent des internationalen Geschäfts der türkischen Baubranche erfolgte 2021 in Afrika, so die Zahlen des türkischen Bauunternehmerverbands. Laut Verbandsinformationen betrug das Gesamtvolumen türkischer Bauprojekte 2021 über 77 Milliarden US$.
Baudurchführer aus der Türkei bieten für staatliche Auftraggeber einen attraktiven Kompromiss zwischen den günstigen Chinesen und den teuren Europäern. Afrikaweit stampften türkische Firmen in den vergangenen Jahren zahlreiche Wohn- und Geschäftskomplexe, Hotels, Kongresszentren, Sportstadien, Einkaufszentren, Krankenhäuser sowie Moscheen aus dem Boden. Zudem ziehen sie erfolgreich Aufträge für große Infrastrukturprojekte an Land. In Ostafrika beispielsweise ist es dem Bauunternehmen Yapi Merkezi in den letzten Jahren wiederholt gelungen, öffentliche Zuschläge für große Bahnprojekte in Äthiopien, Tansania und Uganda zu gewinnen und der chinesischen Konkurrenz ein Schnäppchen zu schlagen.
Der Bau von Flughäfen hat sich zudem zu einer türkischen Spezialität entwickelt. Unternehmen, wie TAV Construction, Summa oder Limak, errichteten und modernisierten Flughäfen in Guinea-Bissau, Niger, Senegal, Sudan und Tunesien. Überhaupt verbindet die Luftfahrt die Türkei eng mit dem Kontinent: 62 Ziele in 41 afrikanischen Ländern fliegt Turkish Airlines an, mehr als jede andere Fluglinie außerhalb des Kontinents. Istanbul ist mittlerweile das wichtigste Drehkreuz für interkontinentale Flüge nach Afrika.
Mit 30 afrikanischen Staaten hat die Türkei Vereinbarungen für eine militärische Zusammenarbeit unterzeichnet. Länder wie Angola, Äthiopien, Libyen, Nigeria, Ruanda oder Tunesien zählen zu den Abnehmern türkischer Rüstungsgüter.
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Konkurrenz auf afrikanischen Märkten
Einige afrikanische Staaten sehen in türkischen Exporteuren jedoch auch unliebsame Konkurrenten auf wichtigen Absatzmärkten für heimische Produkte, insbesondere bei Nahrungsmitteln und Textilien. "Kritik über unausgewogene Handelsbilanzen verlautete schon häufiger aus Ägypten, Marokko und Tunesien, also Ländern mit denen die Türkei bilaterale Freihandelsabkommen geschlossen hat. Exportsubventionen und Markteintrittsbarrieren würden türkische Unternehmen begünstigen," sagt Katrin Pasvantis, GTAI-Korrespondentin in Istanbul.
Für deutsche Firmen herrscht auf afrikanischen Märkten indes noch ein überschaubarer Wettbewerb, da sich die Produkt- und Dienstleistungspaletten bislang nur in wenigen Sektoren stark überlappen. Mit steigendem Engagement der deutschen wie auch türkischen Wirtschaft auf dem Chancenkontinent könnte sich dies jedoch perspektivisch ändern.
Die Türkei sieht sich nach Jahren wirtschaftlicher Expansion allerdings mit großen Herausforderungen konfrontiert. Erdoğans Niedrigzinspolitik steht zunehmend in der Kritik: Eine schwache Lira nützt zwar heimischen Exporteuren, die Türken können sich wegen Währungsverfall und Inflation jedoch immer weniger leisten. Die Arbeitslosigkeit im Land ist hoch. Nicht nur die Folgen des verheerenden Erdbebens im Südosten des Landes im Februar dieses Jahres haben innenpolitische Spannungen weiter verschärft. Ob inländische "Baustellen" künftig noch stärker in den Fokus rücken und dadurch das wirtschaftspolitische Interesse an Afrika abnimmt, wird sich zeigen.
Produkt | Tausend US$ |
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Eisen und Stahl | 2.380.273 |
Mineralische Brennstoffe, Mineralöle und Produkte ihrer Destillation | 2.284.996 |
Maschinen, mechanische Geräte, Kernreaktoren, Boiler; Teile davon | 2.024.442 |
Kunststoffe und Produkte daraus | 1.259.138 |
Fahrzeuge außer Eisenbahn- oder Straßenbahnfahrzeuge sowie deren Teile und Zubehör | 1.168.873 |
Elektrische Maschinen und Geräte sowie Teile davon | 1.145.337 |
Produkte aus Eisen und Stahl | 1.122.333 |
Tierische und pflanzliche Fette und Öle sowie deren Spaltprodukte | 933.554 |
Natürliche Perlen oder Zuchtperlen, Edel- oder Halbedelsteine, Edelmetalle etc. | 713.316 |
Zubereitungen aus Getreide, Mehl, Stärke oder Milch | 623.089 |