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Special | Argentinien | Klimaschutzatlas

Klimaschutz-Atlas

Energie: Argentiniens Energiewende ist ins Stocken geraten

Für einen schnelleren Ausbau von Wind- und Sonnenenergie fehlt es an Finanzierung und an Kapazitäten im Übertragungsnetz. Ein Hoffnungsträger ist Wasserstoff.

Von Stefanie Schmitt, Carl Moses | Santiago de Chile, Buenos Aires

Argentiniens Energiematrix basiert hauptsächlich auf fossilen Energieträgern: Die nachgefragte Primärenergie stammte 2021 zu 86,2 Prozent aus fossilen Brennstoffen, vor allem Erdgas und Öl. Ferner steuert Wasserkraft 5,4 Prozent bei.

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Diese Struktur spiegelt sich in der Stromerzeugung wider: 2021 fast 61 Prozent mit Gas. Dagegen lag der Anteil der Regenerativen (ohne große Wasserkraftwerke) nur bei rund 13 Prozent. Gemäß dem Gesetz über erneuerbare Energieträger (Gesetz 27.191) soll dieser bis 2025 auf 20 Prozent steigen. Die Regierung hat sogar mehrfach angekündigt, bis 2030 einen Anteil von 30 Prozent am Strommix erreichen zu wollen. Der Weg dahin ist indes bisher nicht klar; immerhin steuerte Windstrom 2021 erstmals mehr zum Strommix bei (8,7 Prozent) als Atomstrom (6,9 Prozent). Der mit Wasserkraft erzeugte Strom stammt jedoch großteils aus grenzübergreifenden Großanlagen wie Yacyretá (mit Paraguay) oder Salto Grande (mit Uruguay).

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Windstrom zwischen Rückenwind und Flaute

Schwung in die Nutzung erneuerbarer Energieträger hatte zunächst das 2016 vom argentinischen Energieministerium gestartete Programm RenovAr gebracht. Zwischen 2016 und 2018 fanden drei Ausschreibungsrunden statt. Laut dem Informationsdienstleister BNAmericas wurden im Rahmen von RenovAR bislang insgesamt rund 5,1 Gigawatt in Auftrag gegeben und hiervon 2,75 Gigawatt installiert. Vor allem makroökonomische Probleme, regulatorische Unsicherheit und finanzielle Hindernisse behindern den Ausbau. Zudem fehlen Netzkapazitäten für den Transport des vor allem in abgelegenen Regionen verfügbaren Wind- und Solarstroms zu den Verbrauchszentren.

Zu Beginn des Jahres 2023 wurde die erste Ausschreibung zur Erzeugung und Speicherung von Strom aus erneuerbarer Energie gestartet für eine installierte Kapazität von 620 Megawatt; 500 Megawatt Leistung sind dabei für Biomasse, Wind oder Sonne vorgesehen. Weitere 120 Megawatt verteilen sich auf Bio- und Deponiegasanlagen sowie kleinere Wasserkraftwerke. Die staatliche Ölgesellschaft YPF gab im April 2023 Investitionen in Höhe von 500 Millionen US-Dollar (US$) in der Region Santa Cruz bekannt, darunter in einen neuen Windpark.

Umstrittenes Kohlekraftwerk soll bis Ende 2023 voll in Betrieb gehen

Kohle spielt in Argentinien zur Stromerzeugung nur eine Nebenrolle. Trotzdem entschied die Regierung 2020 statt eines Kohleausstiegs neue Mittel in die Fertigstellung des Kohlekraftwerks Río Turbio (240 Megawatt) zu stecken. Das bereits 2015 eingeweihte Kraftwerk soll ab Ende 2023 vollständig laufen. Rio Turbio war Gegenstand einer juristischen Untersuchung, weil die Preise zu hoch angesetzt wurden und die Anlage zwei- bis dreimal so viel kostet wie ursprünglich veranschlagt.

Wasserstoff rückt in den Fokus

Zwar gibt es keine tragfähige Untersuchung zum Potenzial der Erneuerbaren in Argentinien. Unbestritten sind jedoch die außergewöhnlich günstigen Bedingungen für die Nutzung von Wind und Sonne. Nach Einschätzung von Javier Pastorino, Managing Director von Siemens Energy in sechs Ländern Südamerikas, übertrifft Argentinien das Potenzial Chiles beispielsweise um ein Vielfaches. Außerdem verfügt Argentinien über große Wasservorkommen. Auf dieser Basis könnte das Land in großem Stil Wasserstoff produzieren. Gegenwärtig wartet die Branche jedoch auf den angekündigten regulatorischen Rahmen und bessere makroökonomische Bedingungen.

Atomgespräche mit China

Gegenwärtig laufen drei Atomkraftwerke in Argentinien: Embalse sowie Atucha I und II. Atucha I und II wurden mit Technologie der Kraftwerk Union (KWU) von Siemens und AEG gebaut. Über einen vierten Meiler, Atucha III, wird mit China verhandelt, das Technologie und Kapital dafür liefern würde. Die Entscheidung über den Bau steht aufgrund von Unstimmigkeiten noch aus. So wird darüber diskutiert, ob China 85 Prozent (Chinas Präferenz) oder 100 Prozent (Argentiniens Präferenz) übernimmt. Auch das Ziel Argentiniens, die Brennelemente im eigenen Land herzustellen, verschiebt den Baubeginn. Dessen ungeachtet ist der Betriebsbeginn für Ende 2030 vorgesehen.

Daneben steht Atucha IV "im Raum". Auch dieses Projekt soll von chinesischer Hand betrieben und finanziert werden, wurde aber 2017 auf Eis gelegt.

Deutsches Engagement in Argentiniens Energiewirtschaft

Deutsche Unternehmen haben sich als Projektentwickler, Ausrüster und Finanziers engagiert, eher selten als Betreiber. Siemens erreichte bei der Ausrüstung von Gaskraftwerken in Argentinien zeitweise einen Marktanteil von 80 Prozent und macht derzeit dank langfristiger Wartungsverträge gutes Geschäft. Wintershall Dea gehört als Partner von Total Austral zu den führenden Erzeugern von Erdöl und vor allem Erdgas in Argentinien. Evonik ist Zulieferer für Zusatzstoffe zur Produktion von Biodiesel.

Besonders stark ist das deutsche Engagement bei Windenergie. Projektentwickler wie ABO Wind, WPD und Sowitec setzten schon Mitte der 2000er-Jahre auf Argentinien. Deutsche Hersteller wie Nordex, Siemens Energy und Senvion liefern die Ausrüstungen für Windparks privater Erzeuger, die ihre Energie im Rahmen langfristiger Verträge an den Staat oder an private Abnehmer verkaufen. Finanziert wurden mehrere dieser Projekte durch die KfW-Bankengruppe. Derzeit läuft das Geschäft jedoch schleppend. Chancen gibt es momentan vor allem bei dezentralen Lösungen von erneuerbaren Energieträgern ohne Netzanbindung.

Ins Stocken geraten war auch das Wasserkraftprojekt Chihuido I, bei dem der deutsche Maschinenbauer Voith Hydro mit deutscher Finanzierung als Hauptzulieferer schon sicher im Geschäft schien. Doch es gibt Hoffnung: Bei der gemeinsamen Absichtserklärung der argentinischen Regierung und Voith Hydro im Januar 2023 wurde die Vereinbarung über den Bau des Wasserkraftwerks und ergänzende Arbeiten in der Provinz Neuquén reaktiviert. Das von der Exportkreditagentur Euler Hermes gewährte Darlehen sieht eine Exportfinanzierungsdeckung von 85 Prozent (1,9 Milliarden US$) bei einem Projektwert von rund 2,2 Milliarden US$ vor.


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