Branchen | ASEAN | Medizintechnik
In Südostasien nimmt der Bedarf an Medizintechnik zu
Der Markt für Medizintechnik in der ASEAN-Region ist vielfältig und bietet Chancen für Hersteller aus Deutschland. Die Konkurrenz aus China nimmt allerdings stark zu.
22.07.2025
Von Gabriel Flemming | Berlin
Das Gros des von Statista auf 12,2 Milliarden US-Dollar (US$) prognostizierten Marktvolumens im Jahr 2025 verteilt sich auf die "Big Six" genannten Länder Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam. Ihr Anteil liegt bei gut 96 Prozent des Gesamtmarktes für Medizintechnik des südostasiatischen Staatenbundes ASEAN (Association of Southeast Asian Nations). Der größte Einzelabsatzmarkt ist Malaysia mit einem Volumen von 3,4 Milliarden US$. Bei den Ausgaben für Medizintechnik pro Kopf und Jahr steht das Land in der Region an 3. Stelle, so Statista. Das kleine Brunei Darussalam belegt in der Prognose den 2. Platz.
Singapur weist die höchsten Ausgaben für Medizintechnik pro Kopf in Südostasien aus. Bereits 2023 wurde dem Stadtstaat von der britischen Denkfabrik Legatum Institute bescheinigt, über das beste Gesundheitswesen weltweit zu verfügen. Auf etwa 1,2 Milliarden US$ soll der lokale Markt für Medizintechnik laut Statista 2025 anwachsen.
Auf Myanmar, Kambodscha, Laos und Brunei Darussalam zusammen entfallen lediglich 4 Prozent des Medizintechnikmarktes der ASEAN. Gerade die ländliche Versorgung der weniger entwickelten Länder weist größere Lücken auf, ebenso die staatlichen Krankenversicherungssysteme.
Medizintechnik made in Germany verliert Marktanteile
Die ASEAN-Mitgliedstaaten importierten gemäß UN-Comtrade-Statistik im Jahr 2023 Medizintechnik aus aller Welt im Wert von 10,9 Milliarden US$. Rund 8,7 Prozent der Einfuhren hatten ihren Ursprung in Deutschland, etwas weniger als der Anteil von 9,6 Prozent im Jahr 2019 vor Ausbruch der Covid19-Pandemie. Die Nachfrage nach Medizintechnik made in Germany nahm in diesem Zeitraum zwar um 2,8 Prozent zu. Die gesamten Medizintechnikimporte der Region wuchsen im selben Zeitraum mit 14,2 Prozent jedoch deutlich stärker.
Während die deutschen Hersteller Lieferanteile verloren haben, konnten chinesische Anbieter ihre Position deutlich ausbauen. Die Branchenimporte der ASEAN aus China stiegen zwischen 2019 und 2023 um 50 Prozent. Intensiver Preisdruck aufgrund vielerorts geringer Kaufkraft und der Fokus der deutschen Hersteller auf Hightechprodukte hoher Qualität sind die wesentlichen Ursachen.
Hohes Wachstum bei Diabetesversorgung, Dentaltechnik und Kardiologie
99 Prozent der Medizintechnikimporte der Region aus Deutschland bezogen 2023 die sechs großen ASEAN-Mitgliedstaaten. Auf Brunei, Myanmar, Kambodscha und Laos entfielen insgesamt lediglich circa 13 Millionen US$. Damit entspricht das Ranking der Nachfrager deutscher Medizintechnik in etwa dem Ranking der Ausgaben pro Kopf für Medizintechnik der einzelnen Nationalstaaten. Bei den nachgefragten Produkten führte laut UN Comtrade 2023 die Kategorie "Instrumente, Apparate und Geräte" (SITC-Code 872.29) mit 291,8 Millionen US$ die Einfuhren aus Deutschland an. An 2. Stelle folgten "andere Röntgenapparate etc." (SITC-Code 774.2) mit 226,5 Millionen US$ und "Orthopädietechnik, Prothesen etc." (SITC-Code 899.6) an 3. Stelle mit 165,9 Millionen US$.
Das mit fast 90 Prozent stärkste Wachstum bei Medizintechnik in der ASEAN sieht Statista in den kommenden fünf Jahren im Bereich der Produkte zur Diabetesversorgung. Dentaltechnik soll um 63 Prozent zulegen und um knapp 55 Prozent das Kardiologiesegment. Die Top 3 der umsatzstärksten Produktsegmente sollen davon unabhängig bis 2029 weiter das Umsatzranking anführen: Die Kategorie "andere medizintechnische Geräte" wird mit etwa 15 Prozent Marktanteil an 1. Stelle gesehen (40 Prozent Wachstum bis 2029), gefolgt von Kardiologieprodukten mit 8,4 Prozent Marktanteil (+54,7 Prozent) und diagnostischer Bildgebung mit 5,1 Prozent Marktanteil (+34,6 Prozent).
Land | 2019 | 2023 | Lieferanteil Deutschlands in % (2023) |
---|---|---|---|
Singapur | 233,5 | 298,9 | 6,9 |
Thailand | 165,4 | 156,3 | 10,3 |
Vietnam | 164,5 | 144,2 | 11,2 |
Malaysia | 138,4 | 142,7 | 8,3 |
Indonesien | 151,1 | 137,3 | 11,4 |
Philippinen | 54,9 | 55,7 | 8,0 |
Myanmar, Brunei Darussalam, Kambodscha, Laos | 13,3 | 12,2 | 6,5 |
Die ASEAN-Region ist bestrebt, die hohe Importabhängigkeit insbesondere im Hightechbereich zu reduzieren. Vielerorts sollen die lokale Industrie gestärkt und Hersteller aus dem Ausland angesiedelt werden, um Handelsdefizite abzubauen. Ein Trend zu höherwertiger Produktion ist bereits zu verzeichnen. Noch beschränkt sich die lokale Fertigung aber weitestgehend auf einfache Produkte wie Krankenhausmöbel und Komponenten, teils unter Nutzung lokaler Rohstoffe. Verbrauchsmaterialien werden auch bereits in größerem Maßstab für den internationalen Markt produziert.
Medizintourismus bietet Chancen für Hightech-Produkte
Die 20 Krankenhäuser in Singapur tragen wesentlichen Anteil an dem hervorragenden Ruf der Gesundheitsversorgung vor Ort. Dem singapurischen Ministry of Health zufolge werden elf Einrichtungen mit knapp 10.000 Betten von staatlicher Seite betrieben und acht von privaten Trägern mit knapp 1.700 Betten. Ein Haus mit 347 Betten wird als Non-profit-Einrichtung klassifiziert. Der Stadtstaat zieht Medizintouristen aus ganz Südostasien und darüber hinaus an.
Der malaysische Gesundheitskonzern IHH Healthcare ist der größte Player in dem Bereich in der ASEAN, mit starker Präsenz auch in Singapur. Im Wettbewerb um Medizintouristen steht Malay Mail zufolge aber Thailand mit Abstand an 1. Stelle. Im Jahr 2023 wurden dort 2,9 Millionen Patienten aus dem Ausland behandelt, was einen Umsatz von 850 Millionen US$ generierte. An 2. Stelle wird Malaysia mit circa 460 Millionen US$ Umsatz gesehen, an 3. Stelle Singapur. Indonesien als bevölkerungsreichster Staat in der Region hat hier noch aufzuholen und beklagt den Transfer wohlhabender indonesischer Patienten nach Malaysia. Dort bilden sie knapp 70 Prozent des Medizintourismusmarktes ab. Die indonesische Regierung plant daher den Aufbau von Health Tourism Clustern auf Weltklasse-Niveau. Noch 2025 soll auf Bali mit "The Sanur" die erste Medical Tourism Special Economic Zone (SEZ) eröffnet werden.
Zulassung von Medizintechnik weiterhin nicht harmonisiert
Die Zulassung von Medizinprodukten muss jeweils bei den einzelnen nationalen Behörden beantragt werden. Zwar hat die von den ASEAN-Mitgliedstaaten 2015 verabschiedete ASEAN Medical Device Directive (AMDD) als regulatorischer Rahmen das Ziel, die Systeme der Nationalstaaten in Teilen zu harmonisieren. Die Implementierung in den regulatorischen Systemen der Mitglieder ist aber unterschiedlich ausgeprägt. So berichtet das ASEAN Medical Device Committee jährlich über die Fortentwicklung der zu teilenden Standards etwa bei der Klassifizierung von Produkten und hinsichtlich Post Market Information Exchange. Durchgängige Anerkennungsvereinbarungen von Zulassungen zwischen den Mitgliedsstaaten untereinander stehen jedoch weiterhin aus. Bereits vorhandene Zertifizierungen von Medizinprodukten in der EU oder den USA dagegen können die Zulassung von Produkten vor Ort erleichtern.
Halal-Zertifizierung für Medizintechnik kommt
Im Rahmen des ASEAN-Vorsitzes wird Malaysia seine nationale Halal-Agenda im Jahr 2025 auch in der gesamten Region vorantreiben. Bereits 2019 hatte das Land ein Regelwerk speziell für den Bereich Medizintechnik verabschiedet. Die indonesische Regierung folgte 2021 ihrerseits mit Vorschriften zu halal-gerechter Zertifizierung von Medizinprodukten. Je nach Risikoklassifizierung gelten dort Fristen zur Halal-Zertifizierung zwischen 2026 und 2034. IQVIA und die Asia Pacific Medical Technology Association (APACMed) haben sich hierzu in einem 2023 veröffentlichten Positionspapier dezidiert mit den Regelungen befasst, die künftig verpflichtend werden sollen.