Branchen | Bangladesch | Verarbeitende Industrie
In Bangladesch herrscht Aufbruchstimmung
Bangladeschs Übergangsregierung setzt auf Förderung der verarbeitenden Industrie, ausländische Direktinvestitionen und den Abbau von Bürokratie, um die Wirtschaft zu stärken.
02.05.2025
Von Werner Kemper | New Delhi
Beim "Bangladesh Investment Summit" Anfang April 2025 wurde einmal mehr deutlich, dass die dringend nötige Entwicklung der Wirtschaft nur mit einer funktionierenden verarbeitenden Industrie erreichbar ist. Bereits 2022 wollte die damalige Regierung die Industriebasis verbreitern, was jedoch bislang nur in Ansätzen gelungen ist. Der Dringlichkeit dieses Vorhabens ist sich auch die aktuelle Übergangsregierung des Landes bewusst.
Um die verarbeitende Industrie zu fördern, öffnet Bangladesch sich massiv für ausländische Direktinvestitionen und fördert diese auch entsprechend. Die bangladeschische Investitionsfördergesellschaft BIDA (Bangladesh Investment Development Authority) hat eine Übersicht veröffentlicht, in der alle Investitionsanreize für Niederlassungen in den fünf Freihandelszonen aufgezeigt sind.
Das Land kann bereits einige erfolgreiche Cluster vorweisen, allen voran in der wirtschaftlich enorm wichtigen Textilindustrie. Aber auch in der Elektro- und Elektronikindustrie gibt es bereits Unternehmen, die auf Weltniveau produzieren.
Laut Weltbank lag 2023 der Anteil der Industrie am bangladeschischen Bruttoinlandsprodukt bei etwa 35 Prozent. Zum Vergleich: In Indien trug der Sektor 2023 rund 25 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei, in China 38 Prozent.
Deutsche Maschinen für den Industrieausbau
Die für den Ausbau der verarbeitenden Industrie nötigen Maschinen und Anlagen bezieht Bangladesch oft aus dem Ausland. Sheikh Bashir Uddin, amtierender Handelsminister, sagte im Gespräch mit Germany Trade and Invest: "Wenn man das Preis-Leistungs-Verhältnis betrachtet, gibt es für mich zu deutschen Maschinen keine Alternative. Sie mögen zwar auf den ersten Blick teuer erscheinen, amortisieren sich aber durch ihre Langlebigkeit und geringe Reparaturanfälligkeit und sind somit Konkurrenzprodukten sehr häufig auch preislich überlegen."
Thomas Köning, CEO des Bekleidungsherstellers Ospig aus Bremen, produziert bereits seit 30 Jahren in Bangladesch. Die Firma wird in den nächsten zwölf Monaten weitere Investitionen im Land tätigen. Der Austausch der in die Jahre gekommenen industriellen Waschmaschinen steht dabei ganz oben auf der Liste. Er ist der Meinung:
"Bangladesch ist auf einem guten Weg."
Trotz der politischen Turbulenzen in Bangladesch legte der bilaterale Handel zwischen dem südasiatischen Land und Deutschland von 8,7 Milliarden US-Dollar (US$) im Jahr 2023 auf 9,8 Milliarden US$ im Jahr 2024 zu. Alleine die deutschen Einfuhren von Bekleidung und Zubehör aus Bangladesch stiegen um fast 435 Millionen US$. Textilien und Bekleidung machen über 90 Prozent der Gesamtimporte Deutschlands aus dem südasiatischen Land aus.
Bei den deutschen Lieferungen nach Bangladesch dominieren Maschinen und Anlagen. Ihr Anteil an den deutschen Exporten lag 2024 bei über 43 Prozent. Weitere Zahlen zum Außenhandel finden Sie in unseren Wirtschaftsdaten kompakt.
Tiefseehafen ist dringend erforderlich
Das größte Potenzial für Bangladesch sieht Köning im klaren Willen der Übergangsregierung, Probleme beseitigen zu wollen. Dazu gehören neben dem Abbau der Bürokratie vor allem der Ausbau der Infrastruktur. So braucht ein Lkw für die rund 270 Kilometer von Dhaka zum Hafen in Chattogram (Chittagong) derzeit zehn Stunden. "Das ist entschieden zu lang", so Köning.
Der sich schon länger in der Planungs- und Bauphase befindliche Tiefseehafen in Matarbari ist nach Überzeugung des Unternehmers dringend erforderlich. Denn der Hafen in Chattogram, über den knapp 70 Prozent des Ex- und Imports laufen, ist nur ein Flusshafen. Schiffe mit einem Tiefgang von mehr als 9,5 Metern können hier nicht andocken.
Die Mehrheit der Güter wird momentan von Chattogram über Colombo in Sri Lanka, Port Klang oder Tanjung Pelepas (beide in Malaysia) oder den Hafen in Singapur verschifft. Hier werden die Waren dann auf größere Schiffe umgeladen. Das ist ein zeitraubendes Unterfangen. Mit einem Tiefseehafen in Bangladesch ließe sich die Lieferzeit beispielsweise nach Hamburg von derzeit über 40 Tagen auf 15 bis 20 Tage verkürzen.
Für Jugendliche gibt es zu wenig Arbeit
Ein weiterer Vorteil für die verarbeitende Industrie des Landes ist das immense Humankapital. Allerdings muss Bangladesch jedes Jahr zwischen 2 Millionen und 2,5 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen, um die neu auf den Arbeitsmarkt strömenden Nachwuchskräfte zu versorgen. Das ist selbst mit einem gut ausgebauten industriellen Sektor eine große Herausforderung.
Von den jährlich rund 650.000 Hochschulabsolventen finden nur knapp die Hälfte in den ersten zwei Jahren eine Anstellung. Die Lehrpläne an bangladeschischen Hochschulen decken sich oft nicht mit den Bedürfnissen der Industrie. Der Fachkräftemangel ist deutlich und Unternehmen wünschen sich eine praxisorientiertere Ausbildung.
Die Jugendarbeitslosigkeit ist ein Problem: Anfang 2025 lag sie nach Angaben der International Labour Organization bei 16,8 Prozent. Etwa 31 Prozent der bangladeschischen Jugendlichen sind weder erwerbstätig noch in (schulischer) Ausbildung, über zwei Drittel davon sind Mädchen und junge Frauen.