Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branchen | Belgien | Bauwirtschaft

Marktchancen

Der belgische Bauumsatz stieg 2022 auf ein neues Rekordniveau von 96 Milliarden Euro. Für 2023 ist jedoch mit Rückgängen zu rechnen.

Von Torsten Pauly | Berlin

Lieferengpässe und Preissteigerungen trüben Konjunktur

Licht und Schatten prägen im Frühjahr 2023 die Lage des belgischen Bausektors. Zwar ist der Umsatz sowohl der Baufirmen als auch der Planungsbüros 2022 zweistellig auf neue Rekordwerte gestiegen. Dies spiegelt jedoch vor allem die guten Auftragseingänge der Vergangenheit wider. Zudem erklärt sich das hohe Umsatzwachstum auch durch die allgemeine Inflation, die in Belgien im Laufe von 2022 bei 10,2 Prozent lag. Die Preise für Baumaterialien waren im Dezember 2022 im Schnitt sogar um 36 Prozent teurer als im November 2020. Dies schmälert die Margen der Baufirmen und deren reales Umsatzplus. Zudem verzögern sich Fertigstellungen, weil Materialien nicht rechtzeitig angeliefert werden und manche Stellen vakant sind.

Zudem haben sich die mittelfristigen Aussichten der Baubranche zuletzt eingetrübt. Dies liegt an den rückläufigen neuen Projekten. In den ersten elf Monaten 2022 ist die Zahl der Baugenehmigungen um 27,5 Prozent gegenüber demselben Vorjahreszeitraum eingebrochen. Hierbei ist zwar zu berücksichtigen, dass das Ausgangsniveau der Bewilligungen 2021 auf dem höchsten Stand der letzten Jahrzehnte war. Doch viele Bauherren verschieben oder stornieren sogar ihre Projekte, weil sich die Finanzierungskosten mit den kräftig gestiegenen Zinsen zuletzt stark verteuert haben.

Die belgische KBC-Bank erwartet etwa, dass die reale Bruttowertschöpfung im Wohnungsbau 2023 um 0,6 Prozent unter dem Niveau von 2022 verbleibt. Dabei müssten wegen des belgischen Bevölkerungsanstiegs bis 2030 jährlich 30.000 neue Wohnungen auf den Markt kommen. Dies meint das Föderale Planungsbüro, ein öffentliches Analyseinstitut.


Marktvolumen der Bauwirtschaft in Belgien (in Milliarden Euro, Veränderung in Prozent)

Kennziffer (NACE-Position)

2021

2022

Veränderung 2022/2021

Wert des Bauumsatzes insgesamt (F), davon

84,6

95,7

13,2

Hochbau (41)

29,3

32,5

10,9

Tiefbau (42), davon

13,7

15,3

12,1

  Bau von Straßen und Bahnverkehrsstrecken (42.1)

6,3

6,9

11,9

  Leitungstiefbau und sonstiger Tiefbau (42.2)

4,0

5,0

23,8

  Sonstiger Tiefbau (42.3)

3,4

3,4

-1,5

Spezialisierte Bautätigkeiten (43) *)

41,6

47,9

15,2

Wert des Umsatzes von Ingenieur-, Architektur- und Consultingleistungen (71)

12,6

14,2

13,3

*) vorbereitende Baustellenarbeiten, Bauinstallation und sonstiges AusbaugewerbeQuelle: Statbel 2023

Bestand an Altbauten füllt Auftragsbücher 

Belgien hat einen sehr reichen Altbaubestand. Ende 2022 waren 23 Prozent aller Gebäude vor 1918 und weitere 13 Prozent in den folgenden Jahren bis 1945 errichtet worden. Zudem stammten 36 Prozent aller Objekte aus der Nachkriegszeit bis 1981. Dagegen waren Ende 2022 nur 6 Prozent aller Gebäude jünger als elf Jahre. Diese Altersstruktur bringt es mit sich, dass sehr viele Bauarbeiten in Belgien im Bestand ausgeführt werden. Etwa 49 Prozent aller Baugenehmigungen betrafen in den ersten elf Monaten 2022 Altbauprojekte.

Oft sind bei den Aus- und Umbauten sowie Sanierungen denkmalpflegerische Vorgaben zu beachten. Diese obliegen in Belgien nicht den Gebietskörperschaften, sondern den drei Gemeinschaften der Niederländisch, Französisch und Deutsch Sprechenden. Diese sind generell für das kulturelle Erbe zuständig. Die Denkmalschutzregelungen und Förderkriterien unterscheiden sich daher zum Beispiel in Wallonien im Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Ostbelgien von den übrigen, Französisch sprechenden Teilen der Region.

Deutsches Handwerk steht hoch im Kurs

Handwerk hat auch in Belgien goldenen Boden. Im Jahr 2020 hat sich der Umsatz von Elektro- und sonstigen Bauinstallateuren auf 14,3 Milliarden Euro summiert. Im selben Jahr haben Bautischler und -schlosser, Maler und Glaser sowie andere Ausbaugewerke 11,1 Milliarden Euro erwirtschaftet. Nochmals 2,6 Milliarden Euro haben Dachdecker und -zimmerer 2020 umgesetzt.

Gute Auftragschancen haben dabei auch deutsche Handwerksbetriebe, die im Nachbarland arbeiten wollen. Sie genießen in Belgien ein hohes Renommee ob ihres fachlichen Könnens. Letzteres liegt nicht zuletzt an der dualen Ausbildung. Eine solche ist in Belgien nur auf dem Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft gängig.

Flandern ist größter Regionalmarkt

Das Königreich Belgien gliedert sich in drei autonome Regionen. Diese sind das niederländischsprachige Flandern, das bis auf die Deutschsprachige Gemeinschaft frankophone Wallonien und die Region Brüssel-Hauptstadt, die Französisch und Niederländisch als Amtssprachen hat. Die zuständigen Institutionen und teilweise auch Bauvorschriften unterscheiden sich je nach Region erheblich.

Dabei ist Flandern die Region mit der höchsten Wirtschaftskraft und dem größten Markt für Bauleistungen. Auf Flandern entfielen 2022 etwa 69 Prozent aller in Belgien erwirtschafteten Bauumsätze. Wallonien hatte einen Anteil von 20 Prozent und Brüssel-Hauptstadt von 11 Prozent. Zum landesweiten Umsatz von Ingenieur-, Architektur- und ähnlichen Consultingbüros hat Flandern 2022 etwa 58 Prozent beigetragen. Dahinter folgten Brüssel-Hauptstadt mit 23 Prozent und Wallonien mit 19 Prozent.

Infrastrukturprojekte sorgen für Aufträge

Im Tiefbau stabilisieren langfristige öffentliche Investitionen die Auftragslage. Allein 25,6 Milliarden Euro stehen für das zehnjährige Programm zur Modernisierung des Bahnwesens bereit, das Anfang 2023 angelaufen ist. Weitere Großprojekte sind der Antwerpener Verkehrsring Oosterweel, die dritte Brüsseler U-Bahnlinie und das neue Fußballstadion von Brügge. An der Planung dieser Sportarena sind auch die Bauingenieure vom Büro Bollinger+Grohmann beteiligt, das seinen Hauptsitz in Frankfurt am Main hat.


Ausgewählte Großprojekte in Belgien (Investitionssumme in Millionen Euro)

Vorhaben

Investitionssumme 

Projektstand

Projektträger

Modernisierung und Ausbau der landesweiten Bahninfrastruktur

25.600

Planung

Programm läuft von 2023 bis 2032; Realisierung über Staatsbahn SNCB/NMBS und Streckennetzbetreiber Infrabel

Verkehrsring „Oosterweel“ in Antwerpen

4.800

Planung, tw. Bau

Realisierung bis 2030 geplant; Osterweelverbinding

Neue U-Bahn-Bau in Brüssel (Linie 3)

2.300

Planung, tw. Bau

Fertigstellung des ersten Bauabschnitts im Zentrum und Süden 2025 geplant; danach Bau von 7 Stationen im Norden; Metro3

neue Klinik „Grand Hopital de Charleroi“

483

Planung, tw. Bau

900 Betten; Realisierung bis 2024 geplant; GHDC

neue Klinik im „Saint Luc“-Komplex in Brüssel

400

Planung, tw. Bau

77.000 qm; Realisierung bis 2025 geplant; Saint Luc

Zwei Neubauten am Krankenhaus Diest

180

Planung, tw. Bau

Fertigstellung Bau 1 bis 2024 geplant; AZ Diest

neues Fußballstadion in Brügge

100

Planung, tw. Bau

Kapazität: 40.000 Zuschauer; Fertigstellung 2024 geplant; B2Ai

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest; Pressemeldungen

Dieser Inhalt gehört zu

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.