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Haftung digitaler Plattformen wird in Brasilien ausgeweitet
In einem bahnbrechenden Urteil entscheidet der Oberste Gerichtshof Brasiliens, dass digitale Plattformen für von Nutzern veröffentlichte strafbare Inhalte verantwortlich sind.
01.07.2025
Von Dr. Julio Pereira | Berlin
Am 26. Juni 2025 traf der Oberste Gerichtshof Brasiliens (Supremo Tribunal Federal – STF) ein wegweisendes Urteil über die Haftung sozialer Netzwerke für von Nutzern veröffentlichte Inhalte. Die Entscheidung besagt, dass Artikel 19 des brasilianischen Bürgerrechtsrahmens für das Internet (Marco Civil da Internet), der bis dahin die Haftung der Plattformen eingeschränkt hatte, teilweise verfassungswidrig ist.
Der STF stellte fest, dass digitale Plattformen in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzungen – wie schwerwiegende Desinformation, Hassreden oder Aufstachelung zur Gewalt – unabhängig von einem vorherigen Gerichtsbeschluss haftbar gemacht werden können. Das Urteil legt auch fest, dass die Haftung digitaler Plattformen im Falle illegaler Inhalte zwangsläufig vorliegt, wenn es sich um (a) bezahlte Werbung und Boosts oder (b) künstliche Netzwerke (Chatbots oder Roboter) handelt.
Mit dem Urteil werden die Überwachungs- und Reaktionspflichten von digitalen Dienstleistungsunternehmen in Brasilien erheblich ausgeweitet. Für deutsche Unternehmen, die mit sozialen Netzwerken, Werbung oder Marktplätzen arbeiten, wird es unerlässlich sein, ihre Moderationsrichtlinien und Meldemechanismen zu überprüfen.
Die Entscheidung des STF wird von allen Gerichten des Landes angewandt werden. Sie gilt bis der brasilianische Nationalkongress ein spezielles Gesetz über die Pflichten digitaler Plattformen erlässt.
Zum Thema:
- GTAI-Rechtsbericht Der rechtliche Kampf gegen Desinformation in Brasilien