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Rechtsbericht | Brasilien | Steuerrecht

Steuerreform in Brasilien: Senat billigt Verfassungsänderung (4. Teil)

Mit der Billigung und den wesentlichen Änderungen durch den Senat ist die Reform von der brasilianischen Regierung bis Ende 2023 zu verabschieden.

Von Dr. Julio Pereira | Berlin

Am 8. November 2023 billigte der Bundessenat (Senado Federal) mit großer Mehrheit den Vorschlag zur Verfassungsänderung (PEC 45/2019) für eine Steuerreform in Brasilien. Damit ist ein entscheidender Schritt zur grundlegenden Änderung des brasilianischen Steuersystems erfolgt, das als eines der komplexesten der Welt gilt. Seit 30 Jahren wird in Brasilien über die Steuerreform debattiert. Es handelt sich um die wichtigste Änderung des brasilianischen Rechtssystems seit der Verabschiedung der Verfassung im Jahr 1988 (Constituição Federal do Brasil de 1988). Daher ist sie die größte Herausforderung im ersten Amtsjahr von Präsident Lula da Silva, der sie noch 2023 in Kraft setzen will. Der Senat hat den ursprünglichen Text des Vorschlags zur Verfassungsänderung verbessert, dessen wichtigste Änderungen im Folgenden zusammengefasst sind.

Vom Senat vorgenommene Änderungen

Der Vorschlag PEC 45/2019, der am 7. Juli 2023 von der Abgeordnetenkammer (Câmara dos Deputados) gebilligt worden war, wurde im Senat erheblich geändert. Insgesamt wurden fast 300 Änderungen vorgenommen. Zu den wichtigsten Änderungen, die sich auf die Aktivitäten der in Brasilien tätigen Unternehmen auswirken werden, gehören die folgenden:

Steuerlast steigt nicht

Der Senat hat einen verfassungsmäßigen Mechanismus geschaffen, um einen Anstieg der Steuerlast in Brasilien zu verhindern, die sogenannte Referenzsperre (trava de referência). Die trava ist eine Obergrenze für die Steuererhebung, die nicht überschritten werden darf. Im Wesentlichen besteht diese Grenze aus der Differenz zwischen dem durchschnittlichen Aufkommen einiger derzeitiger Steuern (die abgeschafft werden) zwischen 2012 und 2021 und dem durchschnittlichen Aufkommen zweier neu zu schaffender Steuern (Contribuição sobre Bens e Serviços - CBS und Imposto Seletivo - IS) zwischen 2027 und 2028. Sollte die künftige Steuerlast höher sein, so werden ab 2030 obligatorische Steuersenkungen eingeführt.

Nachhaltiger Entwicklungsfonds 

Ein Entwicklungsfonds für die Bundesstaaten der Amazonasregion (Amazonas, Acre, Rondônia, Roraima und Amapá) ist eines der wichtigsten Instrumente, die der Senat in den Text des PEC 45/2019 aufgenommen hat. Die Mittel des Fonds werden jährlich von der Bundesregierung eingezahlt und an die Bundesstaaten verteilt. Ziel ist es, die Entwicklung und Diversifizierung der wirtschaftlichen Aktivitäten in diesen Bundesstaaten zu fördern und die Unterschiede zwischen den brasilianischen Regionen zu verringern. In den Amazonasstaaten werden Projekte im Zusammenhang mit ökologischer Nachhaltigkeit und der Reduzierung von Kohlenstoffemissionen Vorrang haben.

Begünstigte Sektoren

Der Senat hat die Liste der Ausnahmen vom Normalsatz der künftigen Umsatzsteuer (die es in Brasilien noch nicht gibt) erweitert. Mehr Sektoren werden in den Genuss von Steuerbefreiungen oder niedrigeren Sätzen kommen. Zu den vom Senat vorgenommenen Änderungen gehört auch die Verpflichtung, diese Ausnahmen alle fünf Jahre zu überprüfen. Sektoren, die von der Umsatzsteuer befreit werden sollen, sind zum Beispiel Grundnahrungsmittel, Arzneimittel und medizinische Geräte. Für landwirtschaftliche Produkte sowie für wissenschaftliche, künstlerische und kulturelle Tätigkeiten soll ein ermäßigter Steuersatz gelten.

Ausgleich für die Abschaffung von Steueranreizen

Die Reform sieht ein Ende des sogenannten Steuerkriegs (Guerra Fiscal) vor, mit dem die brasilianischen Bundesländer Unternehmen und Investitionen durch Steueranreize gewinnen. Die zentrale Steuer im Steuerkrieg ist die ICMS (Landessteuer), die abgeschafft wird. Davon sind bereits in Brasilien tätige Unternehmen betroffen. Um den Verlust von Steueranreizen zu kompensieren, hat der Senat den PEC 45/2019 geändert, um einen Ausgleichsfonds für Steuervergünstigungen (Fundo de Compensação de Benefícios Fiscais) zu schaffen. Ziel ist es, Rechtssicherheit für Unternehmen zu gewährleisten, die für einen bestimmten Zeitraum Steuervergünstigungen erhalten haben. Mit anderen Worten: Die Mittel dieses Fonds werden den Unternehmen zur Verfügung gestellt. Eine Ausgleichszahlung wird bis zum 31. Dezember 2032 möglich sein.

Besondere Steuerregelungen

Der Senat ändert auch die besonderen Steuerregelungen. Solche Regelungen betreffen unter anderem die sanitäre Grundversorgung und die Kreislaufwirtschaft. Der ursprüngliche Text des PEC 45/2019 besagte, dass ein Ergänzungsgesetz (Lei Complementar) die Regeln der besonderen Regelung "festlegen kann". Der Senat hat festgelegt, dass ein ergänzendes Gesetz die Regeln "festlegen wird". Mit dieser Änderung haben die in diesen Sektoren tätigen Unternehmen mehr Rechtssicherheit.

Vorteile für die Autoindustrie

Der Vorschlag sieht auch eine Verlängerung der Steuervergünstigungen bis 2032 für Automobilhersteller vor, die Autos mit Elektro- oder Biokraftstoffantrieb herstellen. Zuvor hatte der Text des PEC 45/2019 nur Vorteile für Fahrzeuge mit Elektromobilität vorgesehen.

Die nächsten Schritte

Die Billigung der Steuerreform durch den Senat ist eine entscheidende Phase. Jede Verfassungsänderung in Brasilien hängt von der Erarbeitung und Annahme in beiden Instanzen des Nationalkongresses (Congresso Nacional), der Abgeordnetenkammer und dem Senat, ab. Da der Senat den ursprünglichen Text des Vorschlags zur Verfassungsänderung modifiziert hat, wird der PEC 45/2019 für zwei weitere Abstimmungen an die Abgeordnetenkammer zurückgegeben. Nach diesen Abstimmungen und der anschließenden endgültigen Annahme geht der PEC 45/2019 an den Präsidenten der Republik zur Genehmigung. Nach der Veröffentlichung im Amtsblatt wird die Steuerreform in das brasilianische Rechtssystem eingeführt und tritt in Kraft.

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