
Markets International 1/25 I Bulgarien I Start-ups
In der Frühphase
Bulgarien hat sich zu einem der attraktivsten Standorte für Start-ups in Südosteuropa entwickelt. Die Rahmenbedingungen sind günstig, Wagniskapitalinvestoren sind dabei, das Land zu entdecken.
15.05.2025
Von Dominik Vorhölter | Sofia
Eine künstliche Folie entwickeln, biologisch abbaubar – diese Idee hatten die Grafikdesignerin Gergana Stancheva und die Mediengestalterin Angela Ivanova schon, als sie noch beide in einer Druckerei als Angestellte arbeiteten. „Wir wollten einfach die Wahl haben und unseren Kunden etwas Nachhaltigeres anbieten“, erinnert sich Angela Ivanova im Gespräch mit Markets International.
Sie machten sich auf die Suche nach einem Experten und lernten Philipp Ublekov kennen, der an der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften zu biologischen Kunststoffen forscht. Ihn begeisterte die Idee, seine Forschung praktisch anzuwenden. So gründete er vor sechs Jahren gemeinsam mit Stancheva und Ivanova das Start-up Lam’on.
Heute produziert Lam’on in der bulgarischen Hauptstadt Sofia kompostierbare Folien. Sie bestehen nicht mehr aus Plastik, sondern aus Maisstärke. Die treibende Kraft hinter dem Erfolg sind die drei Gründer, die von Anfang an von ihrer Idee überzeugt waren. Die größten Herausforderungen? Die passende Rezeptur für die Folien. Und die Finanzierung für den Aufbau einer Produktionslinie.
Markets International Ausgabe 1/25

Dieser Beitrag stammt aus der Zeitschrift Markets International, Ausgabe 1/2025 mit dem Schwerpunkt Robotik. Erfahren Sie, welche weiteren Beiträge die Ausgabe für Sie bereit hält.
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Kapitalgeber entdecken Bulgarien
Sie hatten Glück, weil sie Investoren kannten, die von ihrer Idee überzeugt waren. Andere haben es da bisher schwerer. Denn: Investoren zu finden, ist nicht einfach. In Zukunft könnte es leichter werden, da Bulgarien zu den Märkten in Südosteuropa gehört, die internationales Interesse wecken. „Wir sehen den positiven Trend, dass unsere Region große internationale Investoren anzieht“, sagt Petya Revalska, Managerin bei Blackpeak Capital, einer in Südosteuropa tätigen Investmentgesellschaft.
Das Zentrum der Start-up-Szene ist dabei die Hauptstadt Sofia. Das Interesse an Bulgarien hat mehrere Gründe: Das Land steht am Beginn einer Entwicklung hin zu einem technisch hochentwickelten Industriestaat. Mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von real drei bis vier Prozent sind Investments lukrativ.
Gleichzeitig ist Bulgarien aber noch ein kleiner Markt. Viele bulgarische Start-ups suchen im Ausland nach Kapital und Kunden, weil die Umsatzpotenziale dort größer und die Finanzierungsmöglichkeiten besser sind – in Deutschland, Großbritannien oder den USA etwa. In das Segment fließt nicht nur Kapital ausländischer Unternehmen, die in Forschung und Entwicklung (F&E) investieren, sondern auch Geld aus Unternehmerfonds.
„Vor zehn Jahren gab es nicht so viele Venture-Capital-Fonds und auch noch nicht so viele Start-ups“, sagt Michaela Ilieva von der bulgarischen Private-Equity- und Venture-Capital-Assoziation (BVCA). Gerade Bulgariens IT-Industrie profitiert von der wachsenden Aufmerksamkeit der Geldgeber.
Gründen ist leicht und günstig
Bulgarien bietet für Gründer entscheidende Vorteile. Es ist sehr einfach, ein Unternehmen zu gründen, da keine Kosten durch staatliche Auflagen oder Gebühren entstehen. Zudem verlangt der Gesetzgeber kein Mindestkapital. Damit hat Bulgarien den Status des attraktivsten Standorts für Frühphaseninvestments (Seedings) in Südosteuropa erreicht. Scheitert eine Geschäftsidee, fällt das finanzielle Risiko für Gründer in Bulgarien geringer aus. Hinzu kommen Steueranreize.
Auch Löhne und Lohnnebenkosten sind in Bulgarien im Vergleich zu anderen EU-Staaten günstiger. Gleichzeitig verfügt das Land über eine große Zahl hochqualifizierter Arbeitskräfte, insbesondere Entwickler und Ingenieure. Dies macht den bulgarischen IT-Sektor besonders attraktiv für Unternehmen, die kostengünstige Programmierer für die Software-Entwicklung suchen.
Überblick über Steuersätze und Lohnkosten pro Stunde im Vergleich 2023
Körperschaftssteuer | Einkommensteuer | Lohnkosten pro Stunde (Euro) | |
---|---|---|---|
Rumänien | 16% | 10% | 11,00 |
Bulgarien | 10% | 10% | 9,30 |
Republik Moldau | 7% (pauschal) | 7% | 5,06 |
Quelle: Eurostat 2024; Statistikinstitut der Republik Moldau 2024 |
Es gibt viele IT-Fachkräfte
Der IT-Sektor in Bulgarien ist besonders innovationsfreudig, da viele Fachkräfte gute Ideen mitbringen. Ein Beispiel ist Hristo Borisov, CEO der Finanzplattform Payhawk, dem ersten Einhorn Bulgariens – ein Start-up mit einem Börsenwert von mehr als einer Milliarde Euro. Borisov hatte zuvor Erfahrungen beim Unternehmen Telerik gesammelt, das heute weltweit tätig ist. „Ich war mir sicher, dass ich das wiederholen kann.“ Borisov erinnert sich noch gut an die Höhen und Tiefen bei der Unternehmensgründung: „Jeder Tag war wie eine Achterbahn – voller Zweifel, Ungewissheit, aber auch großer Zufriedenheit über die Fortschritte.“
Kompostfolienhersteller Lam’on wächst derweil und plant, innerhalb der nächsten zwei Jahre neue Märkte im Ausland zu erschließen. Das Unternehmen beliefert mit seinen Folien die Verpackungs-, die Bekleidungs-, die Lebensmittel- und die Kosmetikindustrie. „Und jetzt stellen wir gerade neues Personal ein“, sagt Ivanova. „Das ist alles sehr aufregend.“
Ausgewählte VC-Fonds in Bulgarien
Vitosha Ventures Partners
Early-Stage-Fonds – 26 Millionen Euro;
Zielgruppe: Start-ups in der Start- und Aufbauphase
Innovation Capital
Early-Stage-Fonds – 21 Millionen Euro;
Zielgruppe: Start-ups in der Start- und Aufbauphase
Brightcap Ventures
Brightcap II – 60 Millionen Euro;
Zielgruppe: Start-ups in der Aufbau- und Wachstumsphase
Launchhub Ventures
Launchhub III – 74 Millionen Euro;
Zielgruppe: Start-ups in der Aufbau- und Wachstumsphase
Neo Gravity
Neo Venture Fund – 50 Millionen Euro;
Zielgruppe: Start-ups in der Aufbau- und Wachstumsphase
Eleven
Early-Stage-VC – 250 Millionen Euro;
Zielgruppe: Start-ups in der Aufbau- und Wachstumsphase
Recovery Equity Fund of Funds der EU
67,5 Millionen Euro;
Zielgruppe: Start-ups in der Aufbau- und Wachstumsphase
Blackpeak Capital, Sofia
Fonds BPC I und BPC II – je 150 Millionen Euro;
Zielgruppe: Start-ups in der Reifephase