Branchen | Chile | Bergbautechnik
Chile auf dem Weg zur Minería 4.0
Die Mine der Zukunft soll möglichst komplett mechanisiert, automatisiert und digitalisiert sein. Die technologischen Ansprüche sind hoch und bieten deutschen Firmen Lieferchancen.
21.10.2025
Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile
Infolge einer Sprengung und eines Erdbebens stürzte Ende August 2025 in der Mine El Teniente ein Tunnel in 900 Metern Tiefe in sich zusammen. Sechs Menschen starben. Die übrigen rund 2.500 Bergleute konnten zwar innerhalb weniger Stunden evakuiert werden. Trotzdem war es der schwerste Unfall in der weltgrößten untertägigen Kupfermine seit 1990. Auch damals waren sechs Kumpel umgekommen.
Mehr Automatisierung für sicherere Minen
So tragisch das damalige Unglück auch war, habe es in den 1990ern doch einen Modernisierungs- und Investitionsschub für mehr Minensicherheit ausgelöst, erinnert sich ein Bergbauexperte. Er erwartet deshalb, dass sich der Trend weiter verstärkt, weniger Menschen in den Berg zu schicken. Speziell die gefährlichen Arbeiten sollen, wenn nicht durch autonome Minengeräte und -fahrzeuge oder Roboter, so doch wenigstens durch ferngesteuertes Gerät erledigt werden.
Schon heute ist Chiles Bergbau bei Automatisierung, Mechanisierung und Digitalisierung führend in Lateinamerika. So gibt es in Chile laut der Initiative Allianza CCM-Eleva zehn integrierte Fernsteuerungszentren. Von dort aus werden die Betriebsabläufe in den Minen überwacht und gesteuert – und dies zum Teil über mehr als 1.300 Kilometer Entfernung.
In den Zentren für die Kupferminen El Teniente in Rancagua und für Chuquicamata in Calama sorgt der deutsche Industriedienstleister Ferrostaal unter anderem dafür, dass die Kommunikation reibungslos läuft. "Dazu gehört auch, neu angeschafftes Gerät in die bereits bestehenden Prozesse zu integrieren", erklärt Ramón Rada Jaman, Leiter Equipment Solutions bei Ferrostaal in Santiago.
Überdies vertreibt Ferrostaal verschiedene deutsche Marken aus der Branche in Chile. "Wir sehen für deutsche Produkte eine Menge Wettbewerbsvorteile", so Rada. Die meist internationalen Betreiber schätzten deutsche Zulieferer; oft arbeiteten sie weltweit mit ihnen zusammen. Gefragt seien ihre Innovationskraft, speziell zu Themen wie Automatisierung und Effizienzsteigerung im Umgang mit Ressourcen wie Wasser. Gute Chancen bestünden für deutsches Equipment, das zu der in Chile gängigen Technologie passe und sich gut in das Logistik- und regionale Zuliefernetz eingliedere. Das gelte zum Beispiel für Gerät, das mit einem Caterpillar-Motor geliefert werde statt mit einem deutschen.
Allerdings konkurrieren deutsche Firmen in Chile nicht mehr nur mit den "alten Bekannten" westlicher Industriestaaten. Zunehmend drängen neue Anbieter in den Markt, darunter aus der Türkei, China oder Indien. Zwar seien deren Angebote oft überaus günstig, doch käme es nicht selten zu Ausfällen – mit erheblichen Folgekosten. Trotzdem lassen sie sich nicht ignorieren.
Immer mehr autonom fahrende Minenfahrzeuge
Dennoch gibt es im Bergbau in Chile noch Luft nach oben, darunter bei der Elektrifizierung und bei autonom fahrenden Minenfahrzeugen. Aktuell steht das Land mit seiner autonomen Bergbauflotte weltweit auf Rang 4. Laut Global Data waren im Juli 2025 weltweit 3.832 autonome Fahrzeuge im Einsatz, davon 208 in Chile. Noch 2023 gab es weltweit nur rund 1.600 autonome Fahrzeuge, davon 132 in Chile.
| Land | 2023 1) | 2025 2) |
|---|---|---|
| China | 198 | 2.090 |
| Australien | 975 | 1.024 |
| Kanada | 221 | 344 |
| Chile | 132 | 208 |
| Brasilien | 35 | k.A. |
| Peru | 28 | k.A. |
| Schweden | 19 | k.A. |
Mehr Effizienz gegen Kostensteigerungen
Kupfer zu gewinnen, ist teuer in Chile. Ein Grund ist der sinkende Kupfergehalt in den zum Teil schon seit Jahrzehnten in Betrieb befindlichen Minen. Das heißt, die Betreiber müssen für die gleiche Ausbeute mehr Gestein fördern, das zudem härter wird. "Zwischen 2014 und 2023 sank der durchschnittliche Kupfergehalt im chilenischen Bergbau von 0,72 auf 0,59 Prozent", sagt Ronald Monsalve, Bergbauanalyst bei der staatlichen Kupferkommission Cochilco.
Der wachsende Aufwand trifft die Minen in einer Situation, in der die Kosten ohnehin nach oben gehen. Gründe hierfür sind:
- höhere Energiekosten,
- Wasserknappheit, höhere Kosten für Meerwasserentsalzung,
- strengere Umweltauflagen im Verbund mit immer komplexeren bürokratischen Prozessen ("Permisiología") sowie
- höhere Arbeitskosten
Dabei hat sich die Wettbewerbssituation Chiles in den vergangenen Jahren verschlechtert.
Übergang vom Tage- zum Untertagebau birgt Chancen für deutsche Firmen
Ein weiterer Kostenfaktor ist der anstehende Übergang vom Tage- zum Untertagebau. Deutschen Branchenzulieferern mit ihrer Erfahrung im Untertagebau komme diese Entwicklung entgegen, sagt Ramón Rada Jaman.
Beispielsweise sei ein Berauber des deutschen Maschinenbauers Paus mit 11 Tonnen Gewicht und einem Gelenk deutlich wendiger und in beengten Verhältnissen besser einsetzbar als internationale Konkurrenzprodukte mit 25 Tonnen. "In unseren Bergen ist, mit Ausnahme des chilenischen Nordens, wenig Platz. Die Straßen sind viel schmaler als etwa in Minen in Kanada oder Australien. Und im Untertagebau sind die Verhältnisse ohnehin sehr beengt", sagt Rada.
Chiles Bergbau geht unter die Erde
Bisher konnten die großen porphyrischen Kupferlagerstätten Chiles zumeist im kostengünstigen Tagebau abgebaut werden. Doch die Strecken, die die Fahrzeuge zurücklegen müssen, wurden speziell in den riesigen Gruben wie Escondida oder Chuquicamata immer größer. Die Betreiber sehen sich daher zunehmend gezwungen, zum Untertagebau überzugehen.
Die chilenische Kupferkommission Cochilco geht davon aus, dass der Anteil des untertägig abgebauten Kupfers von 12,4 Prozent 2024 in zehn Jahren auf 14,9 Prozent steigen wird. Ramón Rada Jaman von Ferrostaal erwartet bis 2050 sogar einen Anteil von 40 Prozent. Treiber seien die Umstellung der Großminen Escondida und Collahuasi.
Mehr künstliche Intelligenz zur Prozessoptimierung
"Bislang sind die Auswirkungen von künstlicher Intelligenz (KI) auf den Bergbau nicht absehbar", sagt Juan Carlos Guajardo vom führenden chilenischen Bergbau-Thinktank Plusmining. Doch die Erwartungen seien hoch. So könne KI die Firmen mit der Verarbeitung großer Datenmengen darin unterstützen
- ihre Prozesse zu optimieren und die Kosten zu minimieren. So nutze die Mine Escondida schon heute Echtzeitdaten der Kupferkonzentratoren und Empfehlungen auf Basis der Azure-Plattform von Microsoft, um den Konzentrationsverlauf "feinzutunen".
- den Ausfall von Maschinen und Ausrüstungen vorherzusagen, denn die Kosten für Stillstände sind immens. So zitiert die Wirtschaftszeitung Diario Financiero eine Accenture-Studie, nach der Produktionsausfälle die chilenischen Minenbetreiber zwischen 2019 und 2024 insgesamt 71 Milliarden US-Dollar gekostet hätten; viele hiervon seien zu vermeiden gewesen. Voraussetzung sind ausreichende historische und Echtzeitdaten aus den betroffenen Maschinen etwa zur Temperatur, Vibrationen, Hydraulikdruck und Energieverbrauch.
- Anomalitäten zu erkennen und so vor Cyberattacken zu schützen.
In der Praxis ist der der Weg zu Minería 4.0 allerdings noch weit.
Weiterführende Informationen
- Kompetenzzentrum Bergbau und Rohstoffe an der AHK Chile
wichtige Branchenmessen in Chile:
Exponor (Antofagasta, 8. bis 11. Juni 2026)
Expomin (Santiago de Chile, 20. bis 24. April 2027)