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Interview | Welt | Beratende Ingenieure

"Deutsche Ingenieure kennen sich gut auf Auslandsmärkten aus"

Catharina Stahr vom Verband Beratender Ingenieure (VBI) spricht im Interview über Chancen und Herausforderungen auf Auslandsmärkten. (Stand: 20.12.2023)

Von Martin Walter | Bonn

Catharina Stahr, Referentin Infrastruktur und Internationales, Verband Beratender Ingenieure, VBI, Beratende Ingenieure Catharina Stahr, Referentin Infrastruktur und Internationales, Verband Beratender Ingenieure, VBI, Beratende Ingenieure | © VBI 2023

Catharina Stahr ist gelernte Bauingenieurin und verantwortet beim VBI die Bereiche Infrastruktur und Ausland. Der VBI hat ungefähr 1.600 Mitglieder und vertritt die Interessen der unabhängig beratenden und planenden Ingenieure, Architekten und Consultants in Deutschland.

Frau Stahr wie geht es den beratenden Ingenieuren in Zeiten hoher Inflation, der Lieferkettenprobleme und des Fachkräftemangels?

Diese Auswirkungen spürt unsere Branche. In einer aktuellen Umfrage zeigt sich eine sehr gemischte Lage der Branche. Vor allem im Infrastruktur- und Energiebereich wird viel geplant und gebaut. Die Unternehmen haben gut zu tun und bekommen neue Aufträge. Jedoch macht sich der Fachkräftemangel massiv bemerkbar, ebenso der Stillstand im Wohnungsbau.

Wie wichtig sind Auslandsaufträge für die Branche?

Etwa 20 bis 30 Prozent der Umsätze werden im Ausland erwirtschaftet. Die Zahl der Newcomer im Auslandsgeschäft ist nicht groß, da das Auslandsgeschäft sehr kompliziert ist. Unsere Mitgliedsunternehmen, die bereits auf den internationalen Märkten aktiv sind, sind dort aber fest verankert und gut aufgestellt.

Was sind die Stärken der deutschen Ingenieure im Ausland?

Flexibilität, fachliches Know-how, gute Kenntnisse der regionalen Bedingungen vor Ort und gute Netzwerke in den Projektländern sind entscheidende Stärken deutscher Ingenieure und Consultants. Die Partner vor Ort schätzen zudem die Arbeitsstandards und die Verlässlichkeit der deutschen Ingenieure.

Was würden Sie einem Einsteiger in der Branche raten, der im Ausland aktiv werden möchte?

Ich würde empfehlen, nicht allein zu starten. Es ist besser, sich einem erfahrenen Partner anzuschließen. Den Fokus sollte man zuerst auf eine bestimmte Region oder einen Auftraggeber legen. Zudem sollten unbedingt alle Beratungsangebote genutzt werden. Davon gibt es viele in Deutschland, wie Markteintritts- und Markterkundungsprogramme. Je nach Zielregion können verschiedene Angebote genutzt werden, wie die GTAI-Webseite oder für Afrika beispielsweise das Wirtschaftsnetzwerk Afrika, die Agentur für Wirtschaft und Entwicklung oder auch die Kompetenz der Ländervereine.

Was sind die Herausforderungen für die Unternehmen im Ausland?

Eine große Herausforderung ist der Bereich Steuern. Das Steuerrecht ist in vielen Ländern stetigen Änderungen unterworfen und als Unternehmen muss ich bei meiner Kalkulation wissen, welche Belastungen auf mich zukommen. Es wäre hilfreich, wenn in den Ausschreibungen hierzu mehr Klarheit bestünde. Das Thema bereitet unseren Leuten schlaflose Nächte. Im Verband haben wir dazu die Fachgruppe "Steuern im Ausland" gegründet und können so die Mitarbeitenden aus dem Bereich Steuern sehr gut vernetzen.

In welchen Regionen erwarten Sie in den nächsten fünf Jahren die größten Aktivitäten für die beratenden Ingenieure?

Ein Thema, wo es hoffentlich große Aktivitäten geben wird, ist der Wiederaufbau der Ukraine. Im Moment ist jedoch noch unklar, woher die Gelder kommen und welche vertraglichen Rahmenbedingungen gelten. Auch Afrika wird ein wichtiger Zukunftsmarkt bleiben.

In welchen Sektoren werden die deutschen Consultants zum Zuge kommen?

Ich denke, das Wasserthema wird immer eine große Rolle spielen. Das betrifft Abwasser, Trinkwasser sowie die Bewässerung in der Landwirtschaft. Weitere wichtige Bereiche sind die Stadtplanung und Verkehrsinfrastruktur, erneuerbare Energien sowie die Themen Abfallentsorgung und Recycling.

Heutzutage werden Verkehrswege immer stärker ausgebaut. Welche Trends beobachten die beratenden Ingenieure?

Früher war es oft so, dass Ingenieure sich auf einen bestimmten Verkehrsträger wie Bahn oder Wasserstraße spezialisiert haben. Jetzt wird jedoch immer mehr erkannt, dass ein Verkehrsträger nicht mehr ausreicht. Heute braucht die Wasserstraße noch einen Schienenanschluss und dann noch einen Containerumladeplatz. Die Verknüpfung verschiedener Verkehrsträger hat an Bedeutung gewonnen.

Beratende Ingenieure sind recht häufig in schwierigen und risikoreichen Ländern tätig. Wie geht die Branche damit um?

Es gibt tatsächlich weltweit immer mehr fragile Staaten und einige, bei denen man nicht sicher sein kann, ob sie es nicht in naher Zukunft sein werden. Aufgrund der damit einhergehenden Herausforderungen werden Unternehmen zunehmend vorsichtiger, insbesondere nach den Erfahrungen in Afghanistan. Dort hat es über ein Jahr gedauert, bis Rechnungen für erbrachte Leistungen beglichen werden konnten. Aktuell ist die Bilaterale Entwicklungszusammenarbeit nach dem Militärputsch in Niger vorübergehend ausgesetzt.

Gibt es andere schwierige Länder?

Ja, auch in Mali und aktuell im Nahen Osten fragt man sich, wie es dort weitergehen wird. Es kann passieren, dass Auftraggeber, beispielsweise ein Ministerium im Partnerland, als terroristische Struktur eingestuft wird und man keine Geschäfte mehr mit ihm machen darf und keine Gelder mehr überwiesen werden. Solche Ausfälle bekommen Sie auch nicht abgesichert. In bestimmten Ländern oder Regionen denken Sie zweimal darüber nach, ob Sie sich dort bewerben oder Projekte durchführen möchten.

Was könnte helfen?

Es ist wichtig, frühzeitig über Trends und politische Entwicklungen informiert zu sein. Eine Einschätzung der Politik wäre hier wichtig. So können sich Firmen entsprechend aufstellen. Nach Eintritt derartiger Situationen sind rechtssichere Lösungen seitens BMZ und Durchführungsorganisationen nur schwer zu finden - mit der Folge erheblicher Risiken für die betroffenen Consultingunternehmen. Im Interesse der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit fragilen Staaten sind daher bereits im Vorfeld Lösungen zu entwickeln, um derartige Situationen zu vermeiden.

Was wünschen Sie sich sonst noch von der Politik?

Ein wichtiger Wunsch von uns ist, dass die Politik vor allem auf transparente und faire Vergabeprozesse bei Ausschreibungen im Ausland hinwirkt. Dazu gehören Regelungen für Preisgleitklauseln, Überjährigkeit von Haushaltsmitteln, Nutzung der Flexibilität im Vergaberecht und längere Referenzzeiträume in Ausschreibungen.

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