Frankreich hat den Passoires Thermiques, Gebäuden mit einer schlechten Ökobilanz, den Kampf angesagt. Chancen bieten sich für Zulieferer und Anbieter von Speziallösungen.
Mit der am 1. Januar 2022 in Kraft getretenen Klima- und Energieeffizienzregulierung RE 2020 (Réglementation Environnementale) hat das Land strikte Bauvorgaben eingeführt, die zum Jahr 2025 noch einmal verschärft wurden. Die Richtlinie soll den Treibhausgasausstoß im Immobilienbereich eindämmen. Eine Steigerung der Energieeffizienz, Eigenenergieerzeugung sowie die Verbesserung des Wohnkomforts in heißen Sommern sind ebenfalls wichtige Bestandteile der Richtlinie.
Die RE 2020 gilt für den Neubau von Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern sowie für Büro- und Unterrichtsgebäude. Auch bereits vermieteter Wohnraum unterliegt dem Anwendungsbereich der Richtlinie, abhängig von seiner Energieklassifizierung. Ab 2025 wird es verboten, Wohnungen der schlechtesten Energieeffizienzklasse G zu vermieten, für Wohnraum der Klasse F wird die Neuvermietung ab 2028 und für Wohnraum der Klasse E ab 2034 ausgeschlossen.
Das Ministerium für die Energiewende schätzt, dass zum 1. Januar 2025 rund 5,4 Millionen Wohneinheiten und damit 14,4 Prozent des gesamten Wohnungsparks in die Kategorien F und G fallen. Es besteht enormer Handlungsbedarf. Nach dem Basisszenario der SNBC müssten bis 2030 jährlich 370.000 Wohneinheiten renoviert werden und ab dann bis 2050 jährlich 700.000 weitere.
Industriebau steigert seine energetischen Ansprüche
Für den Gewerbebau gilt die 2019 in Kraft getretene Regulierung "Dispoitif Eco Efficacité Tertiaire (DEET, Décret Tertiare)". Das Décret tertiaire verlangt von Eigentümern und Nutzern gewerblicher Immobilien, den Endenergieverbrauch des Gebäudes stufenweise bis 2050 um 60 Prozent abzusenken. Produktionsanlagen und Fabriken unterliegen bislang keinen regulativen Energie- und Nachhaltigkeitsvorgaben. Die im internationalen Vergleich hohen Energiekosten und steigende Kundenansprüche an die Klimafreundlichkeit treiben aber auch beim Fabrikbau Investitionen in eine energieeffiziente und niedrigemittierende Bauweise und Gebäudetechnik.
Gerade Baumaterialproduzenten spüren steigenden Druck, in die Dekarbonisierung zu investieren. St Gobain fokussiert sich auf Dekarbonisierungsstrategien. Heidelberg Cement hat 350 Millionen Euro investiert, um den Emissionsausstoß seiner Zementanlagen in Airvault um 30 Prozent abzusenken. Und der Steinwollehersteller Rockwool investiert bis 2027 gut 100 Millionen Euro in die Elektrifizierung seiner Produktion. Neben Energieeffizienz gerät auch die Wassereffizienz in den Fokus. So integriert der normannische Betonhersteller Cemex Gebrauchtwasser in seinen Produktionszyklus.
Wechselnde staatliche Förderung verunsichert Bauherren
Eine Vielzahl von Förderprogrammen unterstützt Privatpersonen bei der energetischen Sanierung und dem Neubau energieeffizienten Wohnraums.
Förderinstrumente für Energieeffizienzmaßnahmen in Gebäuden
- MaPrimeRénov - Zuschüsse für bestimmte Arbeiten, gestaffelt nach Einkommen der Haushalte
- Certificats d'économie d'énergie (CEE) - Energieunternehmen erhalten Energiesparzertifikate für Arbeiten, die sie finanzieren
- Éco-prêt à taux zéro (Éco-PTZ) - Nullzinskredite von bis zu 50.000 Euro für bestimmte Arbeiten
Über MaPrimeRénov gibt es Zuschüsse zu Effizienzmaßnahmen in Privathaushalten. Allerdings unterliegt dieses Förderprogramm seit Sommer 2024 fortlaufenden Änderungen. Bauherren sind verunsichert und schieben nicht dringend erforderliche Renovierungen auf.
Die Energiesparzertifikate CEE (Certificats d'économie d'énergie) haben sich als wichtiges Förderinstrument etabliert. CEE-Sanierungsmaßnahmen werden von Unternehmen des Energiesektors finanziert, die dafür Zertifikate erhalten. Die Jahresquote der durch die Arbeiten generierten zukünftigen Einsparungen steigt zum 1. Januar 2026 von 825 auf 1050 Terawattstunden (TWh Cumac).
Komplexe Regularien schrecken deutsche Unternehmen ab
Privathaushalte, die durch die MaPrimeRénov geförderte Sanierungen vornehmen, sind bei der Auswahl der Handwerker gebunden. Lediglich Unternehmen, die über eine RGE (Reconnu Garant de l'Environnement)- Qualifizierung verfügen, dürfen durch die MaPrimeRénov geförderte Sanierungsarbeiten vornehmen. Die Vorgaben, unter denen diese Qualifizierung erteilt wird, sind komplex. Deutsche Unternehmen, die nur gelegentlich in Frankreich tätig sind, müssen abwägen, ob sich der Aufwand rechnet.
Grenznahe deutsche Unternehmen, für die sich der Erwerb einer RGE-Zertifizierung lohnen könnte, beklagen hingegen bürokratische Hindernisse. Sozialversicherungs- und steuerrechtliche Vorgaben sowohl auf deutscher als auch auf französischer Seite behindern grenzüberschreitend tätige Unternehmen.
Beteiligungschancen bei Technologie und Ausrüstung
Gewerbliche Sanierungsprojekte bieten deutschen Unternehmen bessere Chancen. Zwar ist die Konkurrenz im Baubereich stark. Branchengrößen wie Vinci, Bouyges oder Eiffage agieren über Tochtergesellschaften und treten sowohl als Bauentwickler als auch als Bauträger und Bauunternehmen auf. Auch Energieunternehmen positionieren sich zunehmend bei allen energiebezogenen Sanierungs- und Großbauarbeiten. Beteiligungsmöglichkeiten bestehen aber bei der Zulieferung von Baumaterialien und technischen Lösungen sowie Ausrüstung wie Heizungen, Isolierungslösungen, Be- und Entlüftungssystemen und Haustechnologien.
Recycling von Baumaterialien steht in der Kritik
Das Thema Kreislaufwirtschaft gewinnt auch im französischen Bausektor an Bedeutung. Seit dem 1. Mai 2023 ist ein neues System zur Rücknahme und zum Recycling von Baumaterialien ("Responsabilité Élargie du Producteur") in Kraft. Danach sind Unternehmen, die Baumaterialien auf den französischen Markt bringen, verpflichtet, für die Entsorgung zu sorgen. Die deutsch-französische Auslandshandelskammer bietet hier Unterstützung an. Der Branchenverband FFP beklagt, dass das System nicht nur teuer, sondern bislang, mangels tatsächlichen Recyclings der Materialien, auch hochgradig ineffizient sei.
Große Branchenunternehmen verstärken unabhängig von gesetzlichen Vorgaben Investitionen in die Wiederverwertung von Baustoffen. Der Betonhersteller Holcim hat 2,5 Millionen Euro investiert, um Abbruchbeton in neue Baumaterialien umzuwandeln. Holcim rechnet mit einer Produkteinführung im Jahr 2027. Der Glashersteller St. Gobain betreibt eine eigene Recyclingtochter, um Bauglas wiederzuverwerten und die Produktion zu dekarbonisieren.
Von Frauke Schmitz-Bauerdick
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Paris