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Nachhaltiges Bauen und Energieeffizienz
Angesichts hoher Energiepreise legen tschechische Bauherren mehr Wert auf die Effizienz von Gebäuden. Fördermittel sollen helfen, den Energieverbrauch zu senken.
08.11.2023
Von Gerit Schulze | Prag
Die meisten Neubauten in Tschechien entsprechen heute der Energieeffizienzklasse B. Energieeffizienzausweise für neue Gebäude ab 1.000 Quadratmeter Grundfläche oder für grundsanierte Gebäude müssen seit 2009 erstellt werden. Trotzdem spielten Nachhaltigkeit und Energieverbrauch im Immobiliensektor bislang nur eine Nebenrolle. Das könnte sich mit dem europäischen Green Deal ändern, mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden möchte.
2021 | 2022 | 2023 | |
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Mehrfamilienhäuser | 410 | 448 | 512 |
Klasse A | 21 | 23 | 32 |
Klasse B | 307 | 351 | 384 |
Klasse C | 82 | 74 | 96 |
Einfamilienhäuser | 18.127 | 18.035 | 18.782 |
Klasse A | 1.444 | 1.606 | 1.677 |
Klasse B | 12.378 | 12.191 | 11.765 |
Klasse C | 4.305 | 4.238 | 5.340 |
Internationale Mieter legen Wert auf Nachhaltigkeit
Die Zertifizierung von Gebäuden nach Nachhaltigkeitskriterien ist noch ein Nischenthema. Die international üblichen Methoden wie BREEAM, LEED oder DGNB finden zwar auch in Tschechien Anwendung. Allerdings meist bei Bauprojekten für große, internationale Mieter. Es gibt außerdem ein nationales Zertifizierungssystem SBToolCZ. Kriterien sind die Energieeffizienz eines Bauwerks, das Raumklima, der Einsatz umweltfreundlicher Produkte und Umweltauswirkungen während des Lebenszyklusses.
Laut dem Green Building Information Gateway wurden in Tschechien schon über 1.000 Zertifikate für nachhaltige Gebäude vergeben. Projektentwickler betonen allerdings, dass tschechische Kunden häufig nicht bereit seien, einen Aufpreis für nachhaltigere Gebäude zu zahlen. Für die Developer sei es daher ein Risiko, die rund 10 Prozent höheren Baukosten vorzustrecken, ohne vorher einen Käufer zu haben.
Das Interesse an ESG-Kriterien (Environmental, Social and Corporate Governance) geht eher von internationalen Immobilienfonds und Mietern aus. Deshalb steht die überwiegende Zahl der als nachhaltig zertifizierten Gebäude in Prag, wo viele ausländische Unternehmen ihren Sitz haben.
Im Rahmen des EU-Programms Horizon 2020 beraten Experten in Prag und Bratislava regelmäßig über den "GreenDeal4Buildings". Dabei geht es um intelligente Finanzierungsmöglichkeiten für die grüne Sanierung von Gebäuden.
Roadmap für den Weg zur Klimaneutralität
Eine wichtige Rolle spielt außerdem der Czech Green Building Council mit über 100 Mitgliedern, darunter Architektur- und Ingenieurbüros, Baufirmen und Baustoffhersteller. Der Rat bereitet derzeit eine Zero Carbon Roadmap vor. Sie soll den Weg aufzeigen, Tschechiens Gebäude bis 2050 weitgehend klimaneutral umzubauen.
Auch die Nationale Plattform SBToolCZ hat sich zur Aufgabe gemacht, das nachhaltige Bauen populärer zu machen. Zu den Gründern gehörten die Baufakultät der Technischen Hochschule ČVUT in Prag, das Prüfinstitut für Bauwesen in Prag (TZÚS Praha) und das Forschungsinstitut für den Hochbau VUPS.
EU-Förderung hilft bei der energetischen Sanierung
Der Gebäudebereich bietet großes Energiesparpotenzial in Tschechien, denn etwa ein Drittel des Endverbrauchs entfällt auf den Wohnungssektor. Es gibt im Land 1,55 Millionen Einfamilienhäuser und über 211.000 Mehrfamilienhäuser. Die überwiegende Mehrzahl wurde vor 1980 errichtet und ist entsprechend sanierungsbedürftig.
2020 | 2030 | 2050 | |
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Energieverbrauch aller Gebäude, in Petajoule | 373 | 345 | 289 |
Einfamilienhäuser | 161 | 149 | 123 |
Mehrfamilienhäuser | 88 | 83 | 73 |
öffentliche Gebäude, Büro- und Industriebauten | 124 | 113 | 93 |
Die stark gestiegenen Energiepreise infolge des Kriegs in der Ukraine erhöhen das Bewusstsein der Nutzer für mehr Energieeffizienz in tschechischen Gebäuden. Der Staat fördert die Sanierung mit großzügigen Förderprogrammen und kann dabei auch auf EU-Fördertöpfe zurückgreifen.
Das neueste Programm ist Oprav dům po babičce (deutsch etwa: "Renoviere Omas Haus"), das seit September 2023 auf die Modernisierung von Einfamilienhäusern zielt. Dafür stehen rund 1,7 Milliarden Euro zur Verfügung. Die sanierten Häuser müssen nach dem Umbau mindestens die Energieeffizienzklasse B erreichen. Auch Neubauten, die einen maroden Altbau ersetzen, sind förderfähig. Der Andrang auf die Mittel ist groß, denn pro Antrag sind über 40.000 Euro Förderung möglich.
Das Förderprojekt ist Teil des größeren Programms Nová zelená úsporám, über das die energetische Sanierung von Wohngebäuden in Tschechien finanziell unterstützt wird. Dazu gehören die Dämmung von Fassaden, Dächern und Fußböden, der Austausch von Fenstern und Türen sowie Solarthermie. Das Geld kommt aus verschiedenen europäischen Quellen wie der Recovery and Resilience Facility, dem Modernisierungsfonds und dem Emissionshandelssystem EU ETS.
Viel Potenzial bei öffentlichen Gebäuden
Ein wichtiger Akteur bei der energetischen Sanierung könnten die tschechischen Behörden werden. Allein der zentralen Staatsverwaltung gehören 770 Gebäude, von denen der Großteil dringend modernisiert werden müsste. Dadurch könnten laut Schätzungen pro Jahr über 800 Millionen Euro Energiekosten gespart werden. Geld für die Sanierung gibt es aus dem Operationellen Programm Umwelt der laufenden EU-Förderperiode.
Fördermittel für die Gebäudesanierung können daraus öffentliche Einrichtungen wie Gemeinden, Regionen, Bildungs- oder Gesundheitseinrichtungen sowie Vereine und Kirchen beantragen. Bis 2027 stehen dafür rund 500 Millionen Euro zur Verfügung. Die Förderquote kann bis zu 60 Prozent betragen. Weitere 280 Millionen Euro liegen im Fördertopf für die Nutzung erneuerbarer Energiequellen in öffentlichen Gebäuden. Hier beträgt der maximale Zuschuss 50 Prozent. Eine Übersicht zu den bereits genehmigten Projekten findet sich auf der Webseite des Programms. Die erfolgreichen Antragsteller können potenzielle Auftraggeber für deutsche Technologielieferanten und Dienstleister sein.
Energy Contracting als interessantes Finanzierungsmodell
Vereinzelt setzen sich auch Modelle zum Energy Performance Contracting (EPC) bei der Sanierung öffentlicher Gebäude durch. Dabei übernimmt ein Energiedienstleister, die Energy Service Company (ESCO), die schlüsselfertige Modernisierung und refinanziert die Investition aus den eingesparten Energiekosten. Erfolgreiche Beispiele für EPC in Tschechien sind das Konzertgebäude Rudolfinum, das Nationaltheater, die Staatsoper und das Kongresszentrum in Prag. Wegen der relativ langen Amortisationszeiten lohnt sich dieses Modell in der Regel nur für größere Bauwerke. Die Anbieter solcher Dienstleistungen sind in Tschechien im Verband APES zusammengeschlossen.