Branchen | Vereinigte Arabische Emirate | Bauwirtschaft
Hochbau: Nachhaltiges Bauen und Energieeffizienz
Die Vereinigten Arabischen Emirate investieren massiv in energieeffiziente Gebäude. Für deutsche KMU entstehen daraus wachsende Marktchancen im Bau- und Sanierungssektor.
08.12.2025
Von Heena Nazir | Dubai
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben in den letzten Jahrzehnten einen beispiellosen Bauboom erlebt. Vor allem in Metropolen wie Dubai und Abu Dhabi sind ganze Stadtteile entstanden. Viele dieser Gebäude sind inzwischen 25 bis 40 Jahre alt und entsprechen nicht mehr heutigen Standards für Energieeffizienz. Statt auf Abriss setzen die Emirate zunehmend auf Sanierung und technische Nachrüstung. Für deutsche kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) eröffnen sich dadurch interessante Geschäftsmöglichkeiten in einem wachsenden Markt.
Sanierungsziele in Dubai: 30.000 Gebäude bis 2030
Bis 2030 plant die Finanzmetropole Dubai die energetische Sanierung von bis zu 30.000 Gebäuden – mit Effizienzsteigerungen zwischen 10 und 40 Prozent, abhängig von Alter und Bauweise. Für die Umsetzung des Building-Retrofits-Programms im Rahmen der Demand Side Management Strategy 2030 (DSM) wurde bereits 2013 die Etihad Energy Services Company (Etihad ES) gegründet. Bis August 2025 wurden rund 10.000 Gebäude modernisiert.
Die gesetzlichen Vorgaben zum Bau energiesparender Gebäude beschränken sich bislang auf Mindeststandards. Weitergehende Maßnahmen sind freiwillig und werden über Zertifikate honoriert. Laut U.S. Green Building Council belegten die VAE 2024 weltweit Platz 5 bei der zertifizierten Gebäudefläche – mit 130 Projekten und insgesamt über 3,2 Millionen Quadratmetern.
Abu Dhabi: Retrofit-Programme für öffentliche und private Gebäude
Auch Abu Dhabi verfolgt ehrgeizige Ziele. Mit der Abu Dhabi Demand Side Management and Energy Rationalization Strategy 2030 soll bis zum Ende des Jahrzehnts der Energieverbrauch in öffentlichen und gewerblichen Gebäuden um mehr als 22 Prozent gesenkt werden. Hierzu wurde 2020 die Abu Dhabi Energy Services Company (ADES) gegründet, die inzwischen in TAQA Energy Services umfirmiert wurde.
Bis 2025 wurden rund 200 Gebäude modernisiert, bis 2026 sollen es 300 sein. Die erwartete Einsparung liegt bei 220 Gigawattstunden jährlich – genug, um tausende Haushalte zu versorgen. Für Anbieter von Klimatechnik, Gebäudesteuerungen und Dämmstoffen ergeben sich daraus attraktive Geschäftsmöglichkeiten.
Ein wichtiges Instrument ist das Bewertungssystem Estidama (arabisch für Nachhaltigkeit). Seit 2010 müssen Neubauten in Abu Dhabi ein Pearl Rating erreichen. Es ähnelt internationalen Standards wie der LEED-Zertifizierung. Neubauten benötigen mindestens eine Perle, öffentliche Gebäude zwei. In Masdar City sind drei Perlen vorgeschrieben. Bis 2024 wurden über 1.500 Gebäude zertifiziert.
Weitere Emirate ziehen mit eigenen Standards nach
Auch die kleineren Emirate der VAE setzen zunehmend auf energieeffizientes Bauen. Ras Al Khaimah führte 2019 die Barjeel-Vorschriften ein, die seit 2020 für alle Neubauten gelten. Diese müssen rund 30 Prozent weniger Energie und Wasser verbrauchen als vergleichbare Bauten nach herkömmlichen Standards. Bis Ende 2024 wurden rund 1.500 Objekte nach diesem Standard errichtet.
Schardscha fokussiert sich seit 2018 auf die energetische Sanierung der 100 größten Energieverbraucher im Emirat. Bis 2024 wurden 19 Gebäude modernisiert – mit durchschnittlichen Einsparungen von 30 Prozent.
Auch wenn die Projektzahlen kleiner sind als in Dubai oder Abu Dhabi, zeigt sich: Nachhaltigkeit gewinnt in allen Emiraten an Relevanz. Für deutsche Unternehmen eröffnen sich dadurch Geschäftspotenziale über die bekannten Zentren hinaus.
Geschäftschancen für deutsche KMU: Qualität und Spezialisierung gefragt
Besonders dynamisch entwickelt sich der Bereich der Klima- und Kühlsysteme. Kühlung verursacht einen Großteil des landesweiten Energiebedarfs. Zugleich steigt der Bedarf an leistungsfähigen Dämmstoffen, hochwertigen Fassadenlösungen und hitzebeständigen Baumaterialien. Ergänzend gewinnt die Gebäudeautomation an Bedeutung: Digitale Steuerungssysteme, Smart-Building-Technologien und Energiemanagementsoftware werden zunehmend zur Voraussetzung, um Effizienzvorgaben zu erreichen. Deutsche Unternehmen profitieren hier von ihrem Ruf für robuste, ausgereifte Technik.
Mit dem technischen Ausbau steigt auch der Bedarf an fundierter Beratung. Viele Entwickler sind mit internationalen Nachhaltigkeitsstandards wie LEED, Estidama oder Al Sa’fat nur wenig vertraut und greifen verstärkt auf externe Expertise zurück.
Parallel dazu gewinnt das Retrofitsegment an Dynamik, da ältere Gebäude umfassend modernisiert werden müssen, um die nationalen Effizienzziele zu erreichen. Dieser Trend stärkt die Nachfrage nach Lösungen, die den Kühlbedarf reduzieren und Energieflüsse transparenter machen.
Für deutsche KMU entstehen damit in einem expandierenden Markt gute Geschäftschancen – sowohl für technische Lösungen als auch für Beratung, Planung und Betriebsoptimierung.