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Nachhaltiges Bauen und Energieeffizienz
Nachhaltigkeit entwickelt sich zunehmend zu einem entscheidenden Differenzierungsmerkmal und verschafft deutschen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil in Chinas Bauindustrie.
27.08.2025
Von Robert Herzner | Hongkong
Die chinesische Bauindustrie befindet sich im Wandel. Seit Jahrzehnen gelten deutsche und europäische Unternehmen als Synonym für Qualität, Langlebigkeit und Hochtechnologie. Ihre Produkte prägen die Skyline chinesischer Metropolen. Doch dieser Vorsprung gerät zunehmend unter Druck. Lokale Wettbewerber verbessern ihre Qualität in hohem Tempo und weiten ihr Geschäft in unvergleichlicher Geschwindigkeit aus. Wie bereits im Automobilsektor zu beobachten, reicht technisches Know-how allein nicht mehr aus. Vor allem im momentanen Marktumfeld ist der Kostendruck hoch, so setzt sich kostenoptimiertes "gut genug" gegenüber hochwertigen und meist teureren Lösungen durch.
Oliver Berghofer arbeitet als Director New Ventures bei Schüco Greater China in Shanghai. Er sieht die Chance in einer Neuausrichtung: "Wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen, müssen wir künftig mehr liefern als nur technisch ausgefeilte Produkte." Die Antwort liegt in einem Bereich, in dem deutsche Unternehmen traditionell stark sind: der Nachhaltigkeit. China verfolgt ambitionierte Klimaziele mit einem CO₂-Peak bis 2030 und dem Ziel der Klimaneutralität bis 2060. Die Transformation ist bereits im vollen Gange, von grünen Bauvorschriften bis hin zu massiven Investitionen in erneuerbare Energien. Besonders im Wohnbau wächst die Nachfrage nach nachhaltigen Materialien - seit 2023 um 25 Prozent. Was jedoch fehlt, sind ganzheitliche Lösungen.
Jetzt ist der Zeitpunkt eine Vorreiterrolle beim Thema Nachhaltigkeit einzunehmen
Europa gilt als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit, mit den weltweit striktesten Standards für Energieeffizienz und Kreislaufwirtschaft. Durch jahrelange Erfahrung in ihrem Heimatmarkt sind die Grundprinzipien bereits tief in deutschen Unternehmen verankert und bieten daher einen echten Wettbewerbsvorteil. Doch Berghofer gibt zu bedenken, dass chinesische Unternehmen in der Baubranche nicht bereit sein werden einen Aufpreis für nachhaltige Produkte zu bezahlen.
"Nachhaltigkeit muss vom Kostenfaktor zum Werttreiber werden. Nur so schaffen wir es als internationale Unternehmen relevant in China zu bleiben."
Oliver Berghofer (Schueco Greater China)
Doch der Markt ist bereits in Bewegung. Chinesische Unternehmen bereiten sich auf europäische Klimapolitik wie den Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) vor, um global wettbewerbsfähig zu bleiben. So werden ganze Produktionsketten, wie zum Beispiel Aluminiumhütten, in Regionen mit viel grüner Energie wie Yunnan und Sichuan umgesiedelt, um den CO2-Fußabdruck zu senken.
Um relevant im chinesischen Markt zu bleiben, müssen deutsche Unternehmen die Standards für nachhaltiges Bauen setzen, bevor (auch hier) lokale Anbieter die Führung übernehmen.
Berghofer fasst es treffend zusammen: "Die Frage ist nicht, ob China grün wird, sondern wer diese Zukunft mitgestaltet." Nach seiner Einschätzung können sich deutsche Unternehmen in China gut positionieren. Sie verfügen über starke Marken, technisches Know-how und Expertise im Bereich Nachhaltigkeit. Doch das Zeitfenster schließt sich. Wer zögert, überlässt anderen das Feld. Nachhaltigkeit ist kein Nischenthema mehr, sondern längst im Markt angekommen. Und in Chinas Bauindustrie ist wird es der entscheidende Differenzierungsfaktor.
Deutsche Unternehmen sollten einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen
Um im sich wandelnden chinesischen Baumarkt erfolgreich zu bleiben, sollten deutsche Unternehmen auf integrierte, nachhaltige Lösungen setzen, die über reine Produktqualität hinausgehen. Statt isolierter Einzelprodukte sind ganzheitliche Systemlösungen gefragt, etwa die Kombination von Dämmtechnologien, Solarintegration und kreislauffähigen Materialien wie recyceltem Stahl. Solche Ansätze bieten nicht nur ökologische Vorteile, sondern auch funktionale Mehrwerte für Bauherren und Investoren.
Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg liegt in der Entwicklung kostenneutraler Öko-Innovationen. Nachhaltigkeit darf kein Luxus sein, sondern muss als wirtschaftlich attraktive Standardlösung etabliert werden.
Schließlich ist die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern entscheidend. Kooperationen mit chinesischen Zertifizierungsstellen wie dem China Green Building Council erhöhen nicht nur die Marktakzeptanz, sondern ermöglichen auch eine bessere Anpassung an regulatorische Anforderungen und kulturelle Erwartungen. Wer frühzeitig solche Allianzen eingeht, kann sich als vertrauenswürdiger Partner in Chinas grüner Transformation positionieren.