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Fusionsprojekt ITER - Großinvestition in die Energie der Zukunft

Mit dem Forschungsreaktor ITER beherbergt Frankreich das größte Kernfusionsprojekt der Welt. Deutsche Unternehmen arbeiten mit an der Entwicklung einer Zukunftstechnologie. 

Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

Lange galt Kernfusion und damit das Versprechen, sichere und CO2-neutrale Energie im Überfluss zu produzieren, als Illusion. Nach technologischen Durchbrüchen seit Ende 2022 aber wird die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Nutzung der Kernfusion greifbarer. Branchenexperten gehen nunmehr davon aus, dass um das Jahr 2050 das erste kommerzielle Fusionskraftwerk ans Netz gehen kann. 

Internationales Großprojekt mit starker europäischer Beteiligung 

Das weltweit größte und zurzeit teuerste Fusionsprojekt der Welt befindet sich im südfranzösischen Cadarache. Der internationale Forschungsreaktor ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) soll die wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen schaffen, um durch Kernfusion Energie zu erzeugen. Insgesamt 35 Nationen (die Mitgliedstaaten der EU, die USA, Japan, Südkorea, Indien, Russland und China) kooperieren im Rahmen dieses Großprojekts. Die Mitgliedstaaten beteiligen sich finanziell, vor allem aber durch die Zulieferung fertiger Komponenten, Systeme oder Gebäude. Das Gesamtinvestitionsvolumen bis zur Fertigstellung beläuft sich laut ITER-Organisation auf zurzeit geschätzt 17 Milliarden Euro.

Der ITER-Komplex ist noch im Bau. Bis 2035 sollte der Reaktor ursprünglichen Planungen zufolge in das experimentelle Stadium eintreten. Aufgrund von Verzögerungen bei Bau und Zulieferung von Kernkomponenten verschieben sich jedoch die Arbeiten. Unter einer neuen Führung nimmt das Projekt seit Mitte 2022 wieder an Fahrt und Struktur auf. Im Juni 2024 will ITER eine neue Zeit- und Finanzplanung vorlegen. 

Die Europäische Union ist am Bau von ITER mit 45,5 Prozent beteiligt und damit einer der wichtigsten Geld- und Auftraggeber für Entwicklung von Technologien und Bau von Anlagen. Zwischen 2014 und 2022 wurden laut Europäischer Kommission 6,2 Milliarden Euro an europäische Unternehmen gezahlt, die im Rahmen des Projekts tätig wurden. Für den Zeitraum von 2021 bis 2027 sieht der europäische Haushalt ein ITER-Budget in Höhe von weiteren 5,2 Milliarden Euro vor. 

Forschung in unerschlossenem Terrain

ITER ist nicht nur von seiner finanziellen Dimension her ein Megaprojekt. Auch im Hinblick auf die zu erbringenden Forschungs- und Konstruktionsleistungen sticht die Forschungsanlage heraus. Ein Großteil der benötigten Technologien, Materialien und Bauteile sind "First-of-its-kind", Prototypen, die zum ersten Mal entwickelt, gebaut und eingesetzt werden. "Sämtliche Materialien und Technologien bewegen sich am Rande dessen, was physikalisch und nach menschlichem Wissen machbar ist", so ein Mitarbeiter von CEA, eines Forschungszentrums der französischen Kommission für Atom- und alternative Energien.

Benötigt werden Bauteile und Werkstoffe, die die extremen Betriebsbedingungen des Fusionsprozesses dauerhaft aushalten. Es braucht hochdimensionierte Kühl- und Heizanlagen, angepasste Mess- und Analysestationen und eine fernsteuerbare Wartungs- und Reparaturinfrastruktur. 

Entsprechend erfordern die Arbeiten am ITER neben Forschung auf höchstem Niveau auch die Beteiligung von Unternehmen, die in der Lage sind, geeignete Werkstoffe, Komponenten und Technologien mit zu entwickeln und zu konstruieren.

Mittelständler konzipieren für Extrembedingungen

Nicht nur Großunternehmen wie Siemens und Air Liquide kommen bei der Vergabe von ITER-Aufträgen zum Zuge. Auch deutsche mittelständische Unternehmen fertigen teils hochinnovative Lösungen. So hat RI Research Instruments Schlüsselkomponenten wie das Kryopumpensystem konstruiert. Diamond Materials aus Freiburg produziert Diamantscheiben für das Heizsystem. Insgesamt haben deutsche Unternehmen bis Ende 2023 laut Fusion For Energy Aufträge im Wert von knapp 570 Millionen Euro gewonnen. Fusion For Energy ist die für die Verwaltung des Europäischen ITER-Beitrags zuständige EU-Dachorganisation. 

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Deutsche Firmen sind insbesondere in den Bereichen Komponentenfertigung sowie bei Werkstoffen beteiligt. Aber auch bei strategischen Komponenten wie optischen und bildgebenden Verfahren oder Sensorik sind deutsche Unternehmen gut vertreten. 

Deutsche Beteiligung nach Kategorie und Anzahl vergebener Aufträge (Auswahl)
Kategorie

Aufträge (Anzahl)

Mechanische Fertigung und Fügetechniken

38

Werkstoffe (metallisch, nichtmetallisch) und Gase

28

Konstruktion und Entwurf

27

Montage, Installation, Validierung und Prüfung

12

Tokamak mm-Wellen-Trägerraketen

11

 Kryotechnik

9

Analyse und Modellierung

9

Quelle: Fusion for Energy, 2023

Bis zur Fertigstellung von ITER werden weitere Investitionen in bislang noch nicht abschließend bestimmbarer Größenordnung erforderlich sein. Für Unternehmen, die sich an Ausschreibungen beteiligen möchten, bieten sich damit auch in Zukunft vielfältige Beteiligungsmöglichkeiten. Unternehmen können dabei direkt im Auftrag von ITER tätig werden oder als Auftragnehmer von Europe for Fusion. Teilnahmebedingungen und Ausschreibungen finden sich auf den Projekt - und Vergabeseiten von Europe for Fusion sowie auf der ITER-Webseite. 

Ausschreibungen und Vergaben
Bezeichnung

Anmerkung

ITER Procurement

ITER-Vergabeportal

Industry and Fusion Laboratories Portal

Fusion for Energy-Vergabeportal

Auf ITER folgt DEMO

Mit ITER wird der Weg zur wirtschaftlichen Energiegewinnung durch Kernfusion noch nicht beendet sein. In einem zweiten Schritt steht der Bau eines weiteren Reaktors, des Demonstrationsreaktors "DEMO", auf dem Programm. Ab 2027 wird das DEMO-Projekt in die Frühdesignphase einsteigen, mit einem Bau der Anlage wird ab 2040 gerechnet. DEMO soll Fusionsstrom in Richtung Kommerzialisierbarkeit katapultieren. Damit dies gelingt, wird heute bereits mit einer intensiven Einbeziehung der Industrie bei Design und Bau geplant. 

Industriebeteiligung am Demonstrationsreaktor DEMO 

  • Anlagendesign
  • Systemtechnik 
  • Kosteneffiziente Herstellung kritischer Komponenten/Systeme 
  • Standardisierung von Teilen und Komponenten
  • Industrialisierung von Werkstoffen
  • Entwicklung von Konstruktions- und Betriebsstandards und -normen

 Ziel:  Kostenreduktion und Skalierbarkeit bei Konstruktion und Komponenten

Regierungen verstärken die Fusionsförderung 

Die internationale Fusionsforschung gewinnt an Dynamik und finanzieller Aufmerksamkeit. Regierungen weltweit heben ihre Förderungen an. 

Öffentliche Förderprogramme Fusionsforschung
Land

Umfang (in Mio. Euro) und Förderzeitraum

 Deutschland

1.000 (2024-2028)

USA

763 (2024)

Großbritannien

760 (2024-2027)

Frankreich

k.A.; Förderung im Rahmen des Programms France 2030

Quelle: Regierungsbekanntmachungen

Ziel der Regierungsinitiativen ist es, Forschung und Entwicklung zu beschleunigen, um möglichst schnell Energie durch Kernfusion kommerziell gewinnen zu können. Deshalb setzen sie auf das Engagement privater Unternehmen in Form von Public Private Partnerships.

Zunehmend steigen Privatunternehmen, vor allem Start-ups, in die Fusionsforschung ein. Privatinvestoren flankieren die Aktivitäten der Jungunternehmen. Die International Atomic Energy Agency schätzt, dass bis Ende 2022 rund 6,2 Milliarden US-Dollar in die private Fusionsforschung geflossen sind, davon knapp 6 Milliarden US-Dollar als privates Wagniskapital. 

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